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News: Versklavte Bakterien

Es war einmal vor langer Zeit ein einzelliger Organismus, der aus Hunger oder Versehen ein photosynthetisch aktives Bakterium verschluckte. Dieses hatte jedoch Glück im Unglück und entkam der Verdauung. Fortan lebte es als domestizierter Gast im Inneren der größeren Zelle und entwickelte sich zu einer kleinen Biofabrik, die Licht in Energie umwandelte. Doch was wie ein Märchen klingt, ereignete sich vermutlich wirklich, als das Leben auf der Erde noch blutjung war. Forscher analysierten nun die Erbinformation eines Zellkerns, der als Relikt aus einer derartigen "Feinschmeckermahlzeit" hervorgegangen ist.
Anfangs stieß die gewagte und revolutionäre "Endosymbiontentheorie" in der Fachwelt auf mitunter heftige Ablehnung. Doch inzwischen ist jene umstrittene Hypothese allgemein anerkannt, welche die nukleinsäurehaltigen Organellen jeder "höheren" tierischen und pflanzlichen Zelle auf ehemals freilebende Bakterien (Prokaryoten) zurückführt. So fraßen vermutlich größere Eukaryoten Photosynthese betreibende Spezialisten (Cyanobakterien) und hielten sie als Sklaven. Jene wurden wiederum von noch größeren Einzellern verschluckt; ähnlich der russischen Puppe in der Puppe lagen nun verschiedene Organismen ineinander geschachtelt vor. Zusätzlich verleibten sich die Wirte jeweils die Gene der eingewanderten "Gäste" zum eigenen Nutzen ein, so dass von deren Zellkern schließlich nur noch Relikte, so genannte Nukleomorphe, zeugten.

Einige Algen weisen auch noch heute derartiges Beweismaterial auf, das aus der Zeit ihrer vielfräßigen Vorfahren stammt. Zu dieser Gruppe zählen die Kryptomonaden, in denen die Erbinformation der bakteriellen "Haustiere" zwar zu Überresten zermürbt, aber als unabhängiger Zellkern weiterhin lebensfähig ist. Tom Cavalier-Smith von der University of Oxford, Martin Fraunholz von der Philipps Universität Marbung und ihre Kollegen haben nun das Genom des Nukleomorphs in der Algenart Guillardia theta entschlüsselt und erstaunliche Fakten aufgedeckt.

Obwohl jener Zellkern während der Unterjochung zu einem Schatten seiner selbst geschrumpft ist, enthält er innerhalb von 551 264 Basenpaaren – den Buchstaben des genetischen Codes – 531 Gene und verfügt somit über das dichtestgepackte, nichtbakterielle Genom, das bekannt ist. Vielfache Genkopien existieren nahezu gar nicht, einige Erbanlagen überschneiden sich sogar. "Es ist der Inbegriff von Ordentlichkeit und Kompaktheit, knauserig nutzt es beide Chromosomenstränge lieber als das gewöhnlich verwendete einzelne DNA-Band", hebt Paul Gilson von der Deakin University hervor.

Im Vergleich läßt es das menschliche Genom, das 6000-mal größer ist, ungeheuer verschwenderisch erscheinen. Tatsächlich würde die komplette Erbinformation des Nukleomorphs bequem in eine der zahlreichen gähnenden Lücken zwischen den Genen des Menschen passen. Derartig winzig ist das Rudiment, weil die Evolution es hart bearbeitet und fast alle Gene für Stoffwechselfunktionen ausgelöscht hat: Abgesehen von ein paar Erbanlagen, die für die benachbarten Chloroplasten notwendig sind, bewahren die meisten Gene das traurige Zellkernüberbleibsel lediglich davor, vollständig zu verschwinden. Dies liegt auch im Interesse der Forscher, denn ihnen könnte es eine Fülle von interessanten Einblicken in die Evolution der Erbinformationen und der allgemeinen Zellfunktionen liefern.

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