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Feuerökologie: Der Wald im Zeitalter des Feuers

Hitze, Trockenheit, Unwetter – gleich drei Arten von Extremwetter lassen im Klimawandel die Gefahr von Waldbränden steigen. Doch es gibt Gegenmittel. Denn nicht jeder Wald brennt gleich gut. Und auch die Pilze haben ein Wörtchen mitzureden.
Bäume zeichnen sich vor einem Bodenfeuer ab.
Ever burned. No matter. Grow again. Burn again. Burn better.

Manche Fachleute würden unser Zeitalter in »Pyrozän« umbenennen. Seit sich der Mensch das Feuer zu Nutze machte, gestaltet auch Feuer sein Umfeld. Das sind nicht nur sämtliche für Jagd, Weidepflege und Kultivierung durch Brandrodung erschlossene Flächen. Unser technologischer und industrieller Fortschritt fußt auf der das Klima wandelnden Verbrennung von Rohstoffen. Und die wiederum führt zu Extremwetterlagen, die Feuer unbändige Macht verleihen: Hitzewellen, Dürren und Gewitterstürme steigern die Gefahr verheerender Waldbrände.

Dabei ist die Rolle des Feuers in Ökosystemen sehr vielfältig – und diese Komplexität ist Gegenstand der Feuerökologie. Sie untersucht Feuer als Einfluss in verschiedenen Ökosystemen, betrachtet außerdem aber seine kulturgeschichtliche und landwirtschaftliche Bedeutung für den Menschen und bewertet die Auswirkungen auf Umwelt und Klima. Feuerökologen analysieren zudem die Rolle des Menschen als Verursacher, Bekämpfer und Verhinderer von Waldbränden.

Es sind nicht nur die schlagzeilenträchtigen Großfeuer in Kanada, Kalifornien oder Australien, die solche Fragestellungen im fortschreitenden Klimawandel immer wichtiger machen. Die selbstverstärkende Wechselwirkung von Erderhitzung und Waldbränden verschärft auch die Gefahrenlage in unseren Breiten. Bereits 2013 hatte eine 50-köpfige Gruppe renommierter internationaler Wissenschaftler in einem an die Vereinten Nationen gerichteten Weißbuch vor der Zunahme von Bränden in der sich rapide verändernden globalen Umwelt gewarnt.

Denn einerseits entflammt ein nach langer, heißer Trockenperiode gebeutelter Wald schneller und es kommt zu heftigen, schwer zu löschenden Bränden. Andererseits steigt mancherorts mit zunehmenden Gewittern das Risiko feuerentfachender Blitzeinschläge.

Warum der Wald brennt

In unseren Wäldern allerdings brennt es vor allem, weil der Mensch zündelt. In Deutschland lassen sich der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zufolge weniger als zwei Prozent der Waldbrände auf natürliche Ursachen zurückführen – das heißt auf Blitzschlag. Denn andere natürliche Ursachen wie die »spontane Selbstentzündung« sind genauso wie der Brennglaseffekt durch Glasscherben nur ein Mythos, der sich hartnäckig hält. Über 98 Prozent aller deutschen Waldbrände sind somit vom Menschen verursacht, vor allem durch Fahrlässigkeit oder Brandstiftung.

Andernorts in der Welt sind Brandursachen anders gewichtet als bei uns – und Unwetter spielen eine viel größere Rolle. In Kanada zum Beispiel waren laut dem kanadischen Ministerium für Energie und Natürliche Ressourcen Blitze der Auslöser für 50 Prozent der Waldbrände und jährlich 85 Prozent der verbrannten Fläche. In dieser Erhebung von 2022 ist die verheerende Waldbrandserie von 2023 noch nicht enthalten. Von März bis Dezember hielt diese Waldbrandsaison an, die flächenmäßig Kanadas schlimmste seit Beginn der Aufzeichnungen war. Und die Rolle von Blitzen für Waldbrände wird weltweit zunehmen.

Einer Studie vom November 2023 zufolge sind außertropische Wälder immer mehr von blitzinduzierten Bränden bedroht. Etwa drei Viertel der verbrannten Flächen dort seien bereits jetzt auf Blitze zurückzuführen, und diese Gebiete könnten den Prognosen nach bis zu 31 Prozent häufiger von Blitzen getroffen werden – für jedes zusätzliche Grad Erwärmung. Die Autoren der Studie verwendeten Referenzdaten von Entzündungsorten, Ursachen und Brandflächen aus sieben Weltregionen. Mit einem Maschinenlernansatz unterschieden sie anthropogene von blitzverursachten Entzündungen und rechneten letztere anhand von Klimaprojektionen hoch. Mit der so prognostizierten zukünftigen Zunahme von Blitzeinschlägen in intakten Wäldern würde sich demnach die Rückkopplungsschleife zwischen Klimawandel und außertropischen Waldbränden verstärken.

Brandschutz hat derzeit noch wenig Priorität

Eine wichtige Stellschraube, der steigenden Brandgefahr entgegenzuwirken, sind die Wälder selbst. Denn nicht jeder Wald brennt gleich gut. Doch Wälder »besser« umzubauen ist leichter gesagt als getan – die Vorstellungen, was genau am besten ist und was ein Wald liefern kann und soll, gehen weit auseinander. Auch hier zu Lande.

Das Problem erläutert Tobias Brügmann vom Thünen-Institut für Forstgenetik in Großhansdorf bei Hamburg. Der Wald sei das einzige Pflanzenproduktionssystem, das gleich drei unterschiedliche Anforderungen erfüllen soll, sagt er. Erstens eine Ökosystemdienstleistung für die Biodiversität, zweitens bei der nachhaltigen Produktion von nachwachsenden Rohstoffen und drittens als Erholungsgebiet etwa für Spaziergänger und Radfahrer.

»In der Landwirtschaft sind diese Aspekte stets getrennt«, erklärt Brügmann. »Keiner käme auf die Idee, zur Erholung durch ein Getreidefeld zu laufen.« Andererseits würde jemand, der zur Erholung durch wilde Wiesen läuft, nie auf den Gedanken kommen, dort Nahrungsmittel zu produzieren. Im Wald hingegen sollen die Aspekte im Idealfall zusammenkommen. »Die Schwierigkeit liegt darin, diese unterschiedlichen Interessenlagen alle unter einen Hut zu bekommen«, sagt der Forscher.

Themenwoche: Extremwetter

Starkregen, Hitze, Trockenheit – weltweit richtet Extremwetter aller Art immer größere Schäden an. Auch in Deutschland macht der Klimawandel das Wetter seltsam und gefährlich. Doch ab wann ist eine Dürre oder ein Regenguss mehr als nur eine Wetterkapriole? Was macht Extremwetter aus? Womit müssen wir in Zukunft rechnen? Und vor allem: Wie gehen wir mit der neuen Realität um – weltweit und bei uns?

Interview: »Was ist mit Extremwetter gemeint, Herr Sippel?«
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Extremwetter in Afrika: Anpassung auf Leben und Tod
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Gesundheit: Wie Extremwetter krank macht
Deutschland: Planlos im Kampf gegen Extremwetter
Kommentar: Nichts gelernt aus Katastrophen

Mehr über Wetterextreme, ihre Ursachen, Folgen und wie sie mit dem Klimawandel zusammenhängen, finden Sie auf unserer Themenseite »Extremwetter«.

Daher müssten bei der Auswahl neuer Baumpflanzungen stets die Art, die Herkunft des Saatguts – wegen der Anpassung an Umwelteinflüsse – sowie der Verwendungszweck berücksichtigt werden. Schließlich sollen Bäume viele Jahrzehnte stehen, und keiner wisse, wie viel Fahrt der Klimawandel bis dahin aufgenommen haben wird.

Und das »Zeitalter des Feuers« bekommt im Vergleich zu diesen Nutzungskonflikten noch kaum Aufmerksamkeit. Für den Feuerökologen Johann Georg Goldammer, Leiter des Global Fire Monitoring Center (GFMC), ist das der wohl wichtigste Aspekt. Denn der Umbau eines Walds im alleinigen Hinblick auf Klimaresilienz und die verschiedenen Ziele der Waldbewirtschaftung birgt Konflikte bezüglich der Anfälligkeit für Feuer.

Wie der Wald brennt

Goldammer erläutert eine Herausforderung dabei: »Grundsätzlich sind Wälder, die im Hinblick auf Erhöhung von Kohlenstoffbindung oder Biodiversität nicht intensiv bewirtschaftet werden, durch eine hohe Last von Totholz oder abgestorbener Vegetationselemente gekennzeichnet. Die Stärke und die Anordnung des potenziellen Brennmaterials bestimmen das Verhalten und die Auswirkungen eines Feuers.«

Ein Waldbrand beginnt nämlich mit einem Bodenfeuer. Es wird durch Brennmaterial der dortigen Vegetation, Nadel- und Blattstreu sowie feines Zweigmaterial genährt. Diese Stoffe bestimmen auch, wie schnell sich das Feuer ausbreitet. Dickeres Totholz, das bei lang anhaltender Dürre ausgetrocknet ist, brennt zwar ebenfalls. Aber: »Auf dem Waldboden liegendes, brennendes Totholz glüht nach dem Passieren des Feuers am Ort langsam aus«, erklärt der Feuerökologe. »Die längere Verweilzeit von Totholzfeuern führt zu hohen Temperaturen im Boden und an den Stammfüßen des stehenden Bestands.« Das begünstige das Eindringen des Feuers in den Wurzelraum.

Bodenfeuer | In einem lichten Wald mit relativ wenig Brennmaterial bleiben auftretende Brände am Boden und fressen sich nur durch die trockene Nadel- und Blattstreu am Boden. Dichtes Gestrüpp und viel Totholz am Boden nähren ein Feuer und können es auf die Kronen auch erwachsener Bäume überspringen lassen.

Das Bodenfeuer kann dann zum gefährlichen Kronenbrand übergehen, da Äste, Zweige und zusammengebrochene Stämme zwischen Boden und Kronenraum gewissermaßen Feuerleitern bilden. Menge und Anordnung des Brennmaterials bestimmen deswegen die Schwere eines kaum kontrollierbaren Vollbrands. Das kann im schlimmsten Fall den Baumbestand völlig vernichten.

Laut Umweltbundesamt sind besonders jüngere und lichte Nadelwälder mit dichtem Unterwuchs und üppiger Bodenvegetation stark gefährdet, auch wegen der gut brennbaren Harze und ätherischen Öle. Die Betrachtung der Waldbrände seit 2011 habe gezeigt, dass Nadelholzbestände deutlich häufiger betroffen waren als die von Laubholzarten dominierten Waldbestände. Nadelbaummonokulturen in mehrschichtige Mischwälder mit hohem Laubholzanteil umzubauen, sei ein wesentlicher Ansatz zum vorbeugenden Schutz.

Lichte Wälder als Brandschutz

Goldammer differenziert hier aber: In Laubholzbeständen brennen vorwiegend Bodenfeuer, für welche die meisten Laubholzarten, insbesondere Buchen, in allen Altersklassen empfindlich seien. Ältere Eichenbestände wiederum seien resilient gegenüber Bodenfeuern. Sogar Nadelbaummonokulturen könnten niedrigen Bränden widerstehen, erklärt der Feuerökologe: »Kiefernreinbestände sind ab den mittleren Altersklassen dann resilient gegenüber Bodenfeuern, wenn die Brandlast der Bestände durch intensive Bewirtschaftung gering gehalten wird.« Dies werde in vielen Ländern erreicht, indem man den Wald intensiv bewirtschafte und Biomasse zur Nutzung erneuerbarer Energie, durch Waldweide oder durch kontrolliertes Brennen entziehe.

Kiefernbestände in Mischwälder umzubauen, um sie gegen Dürre und Feuer resistenter zu machen, dauert mehrere Jahrzehnte und ist mit vielen Unsicherheiten behaftet. Goldammer schlägt alternative Verfahren vor. Beispielsweise könnten die plantagenartig aufgeforsteten und zunehmend mit Totholz belasteten Kiefernwälder so umgestaltet werden, dass sie den natürlichen, feuerresilienten Wäldern in der hellen Taiga im zentralen Eurasien ähneln. Jene hellen Lichtwälder mit geringen Mengen an Brennmaterial sind mit ausgeprägten »Pfahlwurzeln« tiefer im Boden verankert. Sie sind stabiler gegen starken Wind, nehmen besser Wasser aus tieferen Bodenschichten auf und konkurrieren weniger um das knappe Niederschlagswasser. Die Kiefernwurzel dürfe bei der Pflanzung nur nicht beschnitten werden, so dass sich diese Pfahlwurzel ausbilden könne, erklärt Goldammer.

Nach seiner Vorstellung könnte man größere zusammenhängende Waldflächen in Waldbrandschutzkorridore umwandeln. Sie würden die Nachbarbestände mit anderen Waldfunktionen absichern, wo etwa Totholz belassen wird zur Erhöhung von Biodiversität und Kohlenstoffspeicherung. Solche offenen Lichtwald-Korridore mit wenig Brennmaterial würden Waldbesitzern und Feuerwehren einen besseren Zugang erlauben, um die Feuer unter Kontrolle zu bringen, die dank der geringen Totholzlast auch mit geringerer Intensität brennen. »Wie sehr Totholzlast die Bekämpfung von Bränden erschwert, zeigten unter anderem 2022 die Waldbrände in der Sächsischen Schweiz und im Harz«, sagt er.

Wie mit Totholz in der Waldwirtschaft verfahren werden soll, daran scheiden sich jedoch die Geister. Eine alternative Denkschule plädiert im Sinne des Autors und Försters Peter Wohlleben dafür, dem Ökosystem Wald sein Totholz zu überlassen, damit neue Lebensräume, Biodiversität und Waldgesundheit gefördert werden. Demnach könnten naturbelassene, gesunde Wälder selbst für ihre Widerstandsfähigkeit gegen Feuer sorgen, da Totholz Feuchtigkeit am Boden und in sich selbst speichert.

Streitpunkt Totholz

Das stimme ja auch bis zu einem gewissen Grad in Hinblick auf unsere Erfahrungen im »alten Klima«, pflichtet Goldammer bei. Aber: »Der Klimawandel verändert die Rahmenbedingungen.« Kanada demonstriere es beispielhaft: Auch dessen naturbelassene Laubwälder – voller Totholz – brannten im Jahr 2023 extrem heftig. Ursache war vor allem, dass durch den Klimawandel Böden und Pflanzenmaterial einschließlich Totholz ausgetrocknet waren.

Was nach einem solchen Feuer passiert und wie der nachwachsende Wald resilienter gegen Feuer oder feuerabweisender – sprich »pyrophober« – wird, ist Forschungsgegenstand des seit 2020 laufenden gleichnamigen Forschungsverbundprojekts Pyrophob. Hier untersuchen verschiedene Institute auf Testflächen in Brandenburg, wie ein Ökosystem nach einem Waldbrand auf unterschiedliche Bewirtschaftungen reagiert.

Brandenburg hat dank eines flächendeckenden Kamerasystems, das gezielt nach Rauchsäulen sucht, eine sehr gute Branderkennung – die Feuerwehr löscht nahezu alle Brände, bevor ein nennenswerter Schaden entsteht. Flächen, auf denen alte Militärmunition vermutet wird, befährt sie aus Sicherheitsgründen allerdings nicht. So verbrannten 2018 und 2019 in Treuenbrietzen und Jüterborg beträchtliche Flächen. Dort begleitet das Pyrophob-Projekt nun verschiedene im Anschluss durchgeführte Konzepte für den Umgang mit verbranntem Wald: vom totalen Kahlschlag bis zur naturbelassenen Variante, wo nichts getan wird.

Der promovierte Chemiker und Mykologe René Jarling vom Thünen-Institut für Forstgenetik in Waldsieversdorf (Brandenburg) erforscht dabei die besondere Rolle der Pilze. Die sind nach einem Brand ein entscheidendes Glied bei der Regenerierung eines Ökosystems. Schließlich leben 80 Prozent aller Pflanzen in Symbiose mit einem Pilz.

Der Pilz, dein Freund und Helfer

Waldpilze bilden ein weit reichendes Fadensystem, das den Waldboden verfestigt. Wenn es nach einem Brand regnet, wirken sie so der Bodenerosion entgegen. Und das ist nur eine von sechs wichtigen und oft unterschätzten Ökofunktionen, die Pilze auch nach einem Brand erfüllen. Zweitens sanieren Pilze den Boden, indem sie Schadstoffe filtern.

Drittens binden sie Nährstoffe: Die nach einem Feuer frei gewordenen wasserlöslichen Mineralstoffe würden in tiefere Bodenschichten versickern, wenn Pilze sie nicht im Kreislauf hielten. Denn Pilze kommen nach Bränden als Erstes wieder, noch viele Wochen vor den ersten Pflanzen.

Pilze an verkohltem Holz | Manche Pilzarten haben sich darauf spezialisiert, verkohltes Holz abzubauen. Man findet sie meist in Ökosystemen, die regelmäßig brennen.

Viertens erfüllen die verschiedenen Formen der »Mykorrhiza« eine wichtige Ökofunktion. Diese Pilzgeflechte verbinden sich mit den Feinwurzeln der Bäume, krautigen Pflanzen oder Sträucher und fördern deren Wachstum mit einem besonderen Deal. Die Mykorrhiza liefert Pflanzen Wasser und Nährstoffe im Austausch für das, was Pilze prinzipiell selbst nicht herstellen können: Zucker.

Fünftens regulieren Pilze Überpopulation, da so genannte Phytoparasiten wie Rostpilze die massenartige Ausbreitung vieler Pflanzen hemmen. Und sechstens erfüllen Pilze im Wald eine wichtige Aufräumfunktion. Sie zersetzen Totholz und führen die dabei frei werdenden Nährstoffe wieder dem Zyklus zu.

Was welche Pilze nun in den verschiedenen Waldbewirtschaftungsszenarien nach einem Brand tun und was daraus abgeleitet werden kann, versucht Jarling herauszufinden. Als Vorsitzender der Pilzkundlichen Arbeitsgemeinschaft Berlin-Brandenburg (PABB) rekrutierte er viele Vereinsmitglieder und schickt sie regelmäßig zu abgebrannten Standorten, die aufwändig von Munition befreit wurden. Pärchenweise kriechen die Freiwilligen 45 Minuten lang auf allen vieren innerhalb einer Kreisfläche von 15 Meter Radius mit Lupe und Fotoapparat herum, drehen jedes Holz- und Nadelstückchen um und tüten Pilzproben aller Größen für Jarling ein.

Mehr Pilz-Kooperation ohne Totholz

So sammelte Jarling mit seinen fleißigen Helfern 12 000 Proben, von denen gut einem Drittel derweil die DNA-Sequenzen entlockt werden konnten. Zu seiner Überraschung waren viele Pilze wissenschaftlich noch nicht beschrieben, und er freut sich an der Tatsache, dass in Mitteleuropa überhaupt neue Lebewesen zu entdecken sind: »Man kann wirklich zahlreiche neue Pilzarten direkt vor der Haustür in Brandenburg und Berlin finden und beschreiben.«

Und das Team wird die nächsten Jahre noch viele Arten beschreiben müssen, denn bei gut einem Drittel seien geltende Artenklassifizierungen nicht anwendbar. »Ich traue mich jetzt gar nicht mehr, irgendeinen Pilz per Lehrbuch zu bestimmen. Wir haben beispielsweise mindestens fünf Arten, die alle der Fleischfarbene Trichterling sein könnten, sich genetisch aber klar voneinander unterscheiden.«

Die Pilzanalysen laufen noch, doch schon jetzt kann er mehrere Beobachtungen schildern. Erstens entwickelt sich die Mykorrhiza unterschiedlich: Eine stärkere Bewirtschaftung der Flächen gehe tendenziell mit mehr Mykorrhiza-Pilzen einher, welche die dort wachsenden Bäume unterstützen – der Wald gedeiht also erst mal besser. Belässt man dagegen das Totholz im Wald, führe es wie erwartet zu einer größeren Dominanz von Holz zersetzenden Pilzen. Was wichtiger für einen widerstandsfähigen Wald ist, muss noch erforscht werden.

Weiterhin beobachtet Jarling, wie mit steigender Intensität des Brands mehr Organismen absterben. »Bei einem Nur-Boden-Brand, den einige Kiefern überleben, findet man nach dem Brand noch die typischen Pilze wie Maronenröhrling oder Täublinge. Aber nach einem Kronenbrand findet man keine solchen Pilze mehr.«

Auch das Wetter habe eine große Rolle gespielt: »Dadurch, dass die Jahre 2018 und 2019 extrem trocken waren, hat sich die Abfolge der Pilze nach dem Brand nicht klassisch nach Lehrbuch entwickelt. Trockene Jahre sind für alle Organismen hart. Die Pilze konnten bei den letzten Dürren sicherlich noch vielen Bäumen eine ganze Weile helfen, aber irgendwann finden Pilze auch kein Wasser mehr im Boden zum Weiterreichen.« Man könne bei Pilzen generell beobachten, dass südliche Arten häufiger auftreten – wie der Wurzelnde Bitterröhrling aus der Mittelmeerregion, der nun oft mit Steinpilzen verwechselt wird.

Brannten Europas Wälder einst öfter?

Den Brand-Kohlenkugelpilz hingegen kenne man bereits seit Generationen in Brandenburg. Er lebt in Birken, bildet aber nur Fruchtkörper aus, wenn diese abbrennen. Solche Pilze, die bloß in Assoziation mit Feuer wachsen, nennt man »pyrophil« oder, wie Jarling bevorzugt: »phoenicoid«, weil sie wie der Phönix aus der Asche steigen. Manche kennen den gelbbraunen Brandstellenschüppling, der an Lagerfeuerstellen wächst und Holzreste abbaut.

Solche pyrophilen Pilze helfen direkt dabei, das Ökosystem zu regenerieren. Jarlings Team fand einige von ihnen an den Wurzeln junger Kiefern auf dem Jüterborger Testfeld. Doch eigentlich sollten sie dort in der beobachteten Zahl nicht auftauchen. Solche Pilze nämlich gehören in Ökosysteme, für die Feuer ein elementarer Bestandteil ist. So können sich bestimmte Pflanzen wie Eukalyptus in Australien oder Mammutbäume in Nordamerika überhaupt nur mit Feuer fortpflanzen.

Das gelte aber nicht für Mitteleuropa, meinen einige Wissenschaftler – hier gehört Feuer demnach nicht natürlicherweise hin. Dem entgegnet Jarling, dass es aus pilzlicher Sicht dafür allerdings erstaunlich viele an Waldbrände angepasste pyrophile Arten gebe, die auf einen Schlag nach einem Brand auftauchen. Da sich eine Artentwicklung über viele hunderttausende Jahre hinzieht, vermutet der Pilzforscher, dass das Feuer einst auch zu Mitteleuropa gehörte.

Doch inwieweit unsere urzeitlichen Wälder feuererprobt waren, ändert ohnehin nichts an der aktuellen Situation, die unsere heutigen Wälder bedroht und daher nach Maßnahmen verlangt. Pilze können dazu einen Beitrag leisten. Jarling versucht, diejenigen Mykorrhizen, die mit Bäumen besonders gut wachsen, in Kultur zu kriegen. Doch anders als Schimmelpilze lassen sich diese Pilze nicht einfach auf Agar ziehen. Daher »verheiratet« er sie mit Babybäumen, die in Baumschulen zu Jungbäumen heranwachsen, damit sie später potenziell auf Brandstellen eingepflanzt werden können.

Feuer bleibt ein Jahrhundertproblem

Das könnte sogar für Pilzsammler interessant werden, denn die Kultivierung funktioniert auch in Kombination mit Steinpilz, Rotkappe und Co schneller und besser, als Jarling es erwartet hat. »Diese Speisepilze bringen wir jetzt auch in Kultur mit Pappeln, Eichen et cetera zusammen. Es wäre nämlich das i-Tüpfelchen, wenn man in dem mit Mykorrhiza aufgeforsteten Wald noch die besten Pilze ernten kann – und auch ein wirtschaftlicher Mehrwert, beim gegenwärtigen Kilopreis für Steinpilze.«

Vielleicht macht das einen Wald nicht nur resilienter gegen Feuerschäden, sondern auch attraktiver und wirtschaftlicher. Es wären sogar Kombinationen verschiedener Ansätze denkbar – etwa Goldammers vorgeschlagener Umbau zum lichten Kiefernwald, mit unbeschnittenen Pfahlwurzeln gepflanzt oder natürlich verjüngt, die mit Jarlings kultivierten Mykorrhizen versehen sind. Vielleicht sollten sogar die in der Forstwirtschaft historisch verpönten Waldweiden mit Nutztieren überdacht werden. Nicht nur, weil Waldweiden als artenreiche Biotope interessant für den Naturschutz sind, sondern weil sie zur Waldbrandprävention beitragen könnten.

In ihrer Masterarbeit analysierte die Öko-Agrarmanagerin Juliane Baumann vom GFMC und der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde am Beispiel Brandenburgs den Einsatz von Nutztieren zur Waldbrandprävention. Denn durch gezielt platzierte weidende Herden in Pufferzonen um Ortschaften in Waldnähe ließe sich die bodennahe Vegetation kurz halten und auch so eine Ausbreitung von Waldbränden vermeiden.

Es gilt also viele Möglichkeiten abzuwägen, inwieweit ein Wald belassen, bewirtschaftet, aufgeforstet oder umgebaut werden soll. Sicher ist jedoch: Das Feuer wird der deutschen Waldwirtschaft noch lange Sorgen machen. »Selbst wenn es uns gelingen sollte, den Klimawandel rechtzeitig zu stoppen, läuft das Pyrozän weiter«, mahnt Goldammer. »Auch längst nachdem wir das Grundproblem in der Atmosphäre gelöst hätten, würden schwer zu bewältigende Brände noch Jahrzehnte und durchaus Jahrhunderte die Sicherheit und Entwicklung unserer Natur- und Kulturlandschaften weltweit bestimmen.«

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  • Quellen

Global Fire Monitoring Center (GFCM): Vegetation Fires and Global Change, 2013

Janssen, T. et al.: Extratropical forests increasingly at risk due to lightning fires. Nature Geosciences, 2023

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