Raubtier-Wettstreit: Wenn der Wolf sich nicht traut
Wenn Bären und Wölfe um Beute streiten, ziehen Letztere meist den Kürzeren. Bisher dachten Wissenschaftler, dass die Rudeltiere deshalb häufiger auf die Jagd gehen, wenn sie ihren Lebensraum mit Bären teilen. Schließlich müssen sie die Beute, die ihnen die großen Pelztiere abspenstig machen, irgendwie kompensieren. Vielleicht ist aber auch das Gegenteil der Fall, spekuliert nun ein skandinavisch-amerikanisches Forscherteam: Wolfsrudel töten demnach seltener, wenn sie regelmäßig auf Ursus arctos treffen.
Das Team um Aimee Tallian von der Utah State University in Logan wertete Daten von zwei Langzeituntersuchungen in Zentralskandinavien und im amerikanischen Yellowstone-Nationalpark aus. In Schweden und Norwegen folgten Forscher zwischen 2001 und 2015 insgesamt 17 Wolfsrudeln, von denen acht ihre Jagdgründe mit Braunbären teilten. Wildhüter hatten einigen der Tiere zuvor GPS-Sender verpasst. Sobald die Wölfe für längere Zeit an einem Ort verweilten, suchten Wissenschaftler die Gegend anschließend nach Kadavern ab. Im Yellowstone-Nationalpark folgten Feldforscher zwischen 2008 und 2015 insgesamt 23 Wölfen.
Die Wissenschaftler zählten anschließend die Tage, die zwischen zwei Mahlzeiten eines Wolfrudels lagen. Eigentlich seien sie davon ausgegangen, dass diese Intervalle kürzer würden, wenn Braunbären im Frühling aus dem Winterschlaf erwachen, schreiben die Forscher. Denn im Mai und Juni reißen die Tiere unter anderem Elche, die – unter großem Risiko – ebenfalls von Wolfsrudeln gejagt werden.
Überraschenderweise hat sich die Prognose der Biologen aber nicht bewahrheitet. Stattdessen zeigten ihre Daten, dass Wölfe weniger oft Beutetiere rissen, wenn Bären in der Nähe waren. In Skandinavien vergingen durchschnittlich drei statt zweieinhalb Tage zwischen zwei Tötungen. Im Yellowstone-Nationalpark waren es immerhin einige Stunden mehr als gewöhnlich.
Für diesen Trend sind laut den Autoren verschiedene Erklärungen denkbar: Möglicherweise müssten Wölfe einfach länger nach passender Beute suchen, weil Bären bereits viele neugeborene Wildtiere gerissen haben. Jungtiere zählen zur bevorzugten Beute von Canis lupus. Oder aber Wölfe verbringen unnötig viel Zeit damit, Kadaver erwachsener Elche zu belauern, in der Hoffnung, der Bär möge von seiner Mahlzeit ablassen. Jedenfalls müsse man die vorherrschende Haltung überdenken, dass Bären keinen Einfluss auf das Wohlergehen von Wölfen hätten, schreiben die Forscher.
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