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Wissenschaft in der DDR: »Romane haben einen Authentizitätsvorsprung«

Wer die DDR-Geschichte erforschen will, sollte auch Romane lesen, fordert der Sozialwissenschaftler und Zeithistoriker Peer Pasternack. Ein Interview über den erstaunlichen Informationsschatz der DDR-Wissenschaftsbelletristik.
Angeführt von zahlreichen pfeilförmig formierten Polizeimotorrädern fahren mehrere Autos über die breite Karl-Marx-Allee, die von jubelnden Menschenmassen umsäumt ist. Im offenen Wagen an der Spitze sind winkend die Kosmonaten Sigmund Jähn und Waleri Bykowski neben DDR-Staatschef Erich Honecker zu sehen.
Inszenierter Fortschritt: Am 21.9.1978 präsentierte Erich Honecker den Bürgern Ostberlins den ersten Deutschen im All. Sigmund Jähn (im offenen Wagen links) und der russische Kosmonaut Waleri Bykowski (rechts) flankierten den Staatschef auf der Jubelparade durch die Karl-Marx-Allee.

Herr Pasternack, warum sollten Historiker Romane lesen, um die DDR-Geschichte besser zu verstehen?

Weil sie sich sonst ausschließlich auf Akten, Presseberichte und Zeitzeugeninterviews stützen müssen, und diese unterliegen speziell in Sachen DDR charakteristischen Verzerrungen. Die fiktive Literatur bildete unter der SED-Herrschaft paradoxerweise oft besser die wahren Verhältnisse ab.

Peer Pasternack | Der 1963 in Köthen geborene Sozialwissenschaftler schloss zunächst eine Fahrzeugschlosserlehre ab, bevor er zur Wendezeit in Leipzig Politikwissenschaft studierte. Später promovierte er an der Universität Oldenburg mit einer Arbeit über den Hochschulumbau in Ostdeutschland zwischen 1989 und 1995. Seit 2004 ist er Direktor des Instituts für Hochschulforschung an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Enthalten Romane etwa keine Verzerrungen?

Sicher, Belletristik liefert auch kein Eins-zu-eins-Abbild. Deshalb gibt es in der Geschichtswissenschaft ja die so genannte Quellenkreuzung: Indem man verschiedene Quellen vergleicht, neutralisiert man die jeweiligen Mängel. Doch selbst offizielle Dokumente enthalten eben keine authentischen Informationen, sie sind durch die Logik der Aktenführung oder durch politische Vorgaben gleichsam verunreinigt. Und wissenschaftliche oder politische Texte wurden in der DDR zensiert und teils gefälscht, etwa was Statistiken anbetraf: Da rückte man die Errungenschaften des Sozialismus gern ins beste Licht. Zeitzeugen wiederum sterben früher oder später aus.

Welchen Mehrwert liefert die Romanliteratur?

Belletristik soll nicht die anderen Quellen ersetzen. Doch in der DDR-Literatur wurden häufig Dinge verhandelt, die anderenorts überhaupt nicht vorkamen. Der große Unterschied zwischen Belletristik einerseits und Zeitzeugeninterviews nach 1990 andererseits etwa besteht darin, dass Letztere durch einen Filter gelaufen sind.

Inwiefern?

Den DDR-Wissenschaftlern wurde nach 1990 von allen Seiten Opportunismus, bis hin zu aktiver Täterschaft, vorgeworfen. Sehr viele erinnerten sich daher als Zeitzeugen oft – und meist zu Recht – an Konflikte, manche inszenierten sich fast als Oppositionelle. Diese Distanz des Rückblicks verzerrt aber etwas die Erinnerung. Die Wissenschaftsbelletristik, die vor 1990 erschien, ist hingegen in weiten Teilen noch vom Fortschrittsoptimismus getragen, dass der Sozialismus sich gegenüber dem Kapitalismus durchsetzen werde. Und zugleich war sie auch ein Raum, in dem Kritik und Satire stattfinden konnten. Damit haben die Romane einen Authentizitätsvorsprung.

Würden Sie sagen, dass eine fiktive Erzählung in bestimmter Hinsicht historisch authentischer sein kann als herkömmliche Quellen der Geschichtsforschung?

Genau so ist es, jedenfalls im Fall der DDR. Bestimmte Themen tauchen in anderen Quellen überhaupt nicht oder nicht in dieser Direktheit auf.

»Aus der Belletristik erfährt man, dass die Planungsrationalität der DDR ungefähr der Exzellenzstrategie-Realität unserer Zeit entspricht«

Welche für Historiker interessanten Fragen werden in der DDR-Wissenschaftsprosa verhandelt?

Wer nur die üblichen Quellen heranzieht, könnte zum Beispiel denken, in der DDR habe allenthalben eine strenge Planungsrationalität geherrscht. Aus der Belletristik erfährt man aber, dass die Planungsrationalität der DDR ungefähr der Exzellenzstrategie-Realität unserer Zeit entspricht: Man schreibt etwas auf, das gut klingt, stimmig ist und die Kriterien der Ausschreibung bedient. Nur dass dies in der DDR eben politische Vorgaben waren. Für heutige Studierende ist es schwierig, die damaligen Sprachregelungen zu decodieren. Wenn sie Originaltexte lesen, gewinnen sie fast zwangsläufig den Eindruck: Wow, die Forschungsplanung der DDR war ja mustergültig, das haben die ganz stringent hinbekommen. Die Realität war aber: Man schrieb etwas den Vorgaben entsprechend auf – und machte anschließend, was man ohnehin machen wollte.

Inwiefern hilft die Belletristik, dies zu entschlüsseln?

Lesen Sie die Erzählungen von Helga Königsdorf, einer der wichtigsten Wissenschaftsautorinnen der DDR, die zugleich auch Mathematikerin an der Akademie der Wissenschaften war. Sie beschreibt zum Beispiel wunderbar satirisch, wie eine junge Wissenschaftlerin für ihren Chef einmal dies und ein andermal das genaue Gegenteil in den Forschungsplan schreibt, je nachdem, was gerade politisch protegiert wird. Beide Male ist der Chef in der Erzählung begeistert.

»Die sozialhistorische Analyse schaut nicht auf die Formaspekte von Literatur, sondern auf die sich bietenden Informationschancen«

Was unterscheidet eine sozialhistorische von einer literaturwissenschaftlichen Romananalyse?

Die sozialhistorische Analyse schaut nicht auf die Formaspekte von Literatur, sondern auf die sich bietenden Informationschancen. Dabei darf man literarische Texte natürlich nicht zu wörtlich lesen, ebenso wenig wie Akten aus der DDR-Zeit oder politische Texte. Wenn man verschiedene Quellensorten zusammen betrachtet, entdeckt man jedoch sowohl Verstärkungen als auch Ergänzungen. Eine wichtige Ergänzung ist etwa die Konzentration auf Konflikte. Konflikte sind zwar stets Bestandteil von Literatur: Handlungsstränge und Figurenkonstellationen leben davon, dass sie irgendwie antagonistisch sind. Aber in den offiziellen Berichterstattungen der DDR gab es ja keine Konflikte.

Um welche Art von Konflikten geht es in der Literatur?

Viel dreht sich um die Politisierung des Forschungsalltags: Die Wissenschaft streitet sich mit der Verwaltung um Ressourcen, und sofort wird das in die politische Sphäre hochgezogen. Dies ist in der Belletristik sehr plastisch beschrieben, was unsere Aufmerksamkeit dafür schärfen kann – sehr hilfreich für die Analyse von Akten, die eine ganz andere Logik des Entstehens haben. Die DDR-Belletristik sensibilisiert uns also, die Diskrepanz zwischen der offiziellen Erfolgsrhetorik und der faktischen Stagnation zu erkennen. So können die Romane den Historikern helfen, Akten richtig zu decodieren.

Wissenschaftstheoretiker und Literat | In seinen Romanen beschrieb John Erpenbeck (geboren 1942) unter anderem das Milieu an der Akademie der Wissenschaften (Aufnahme von 1988).

Literatur als eine Art Entschlüsselungsinstrument? War das den Leserinnen und Lesern zu DDR-Zeiten klar?

Die Codierung war ihnen gut vertraut. Nehmen Sie einen Schriftsteller wie John Erpenbeck, der mehrere Wissenschaftsromane geschrieben hat. Er arbeitete hauptberuflich als Physiker und Wissenschaftstheoretiker an der Akademie der Wissenschaften. Wenn ein neuer Band von ihm erschien, haben sich den alle aus seinem Umfeld gekauft, also potenziell 27 000 Akademie-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeiter. Und warum? Weil sie im Roman etwas über ihren Alltag erfuhren, was sie sonst nirgends zu lesen bekamen.

Christa Wolf konstatierte einmal, dass die Literatur in der DDR »in Ermangelung anderer Gelegenheiten häufig als Vehikel für öffentliche Auseinandersetzungen benutzt werden muss«. Literatur als Ersatzöffentlichkeit also. Wie akzeptiert ist ihr Ansatz in der Geschichtsforschung, neue Antworten aus der Romanlektüre zu gewinnen?

Er wird bisweilen begrüßt, aber de facto nicht umgesetzt. Dabei wäre das gerade im Fall der DDR-Zeitgeschichte wichtig, weil die Literatur hier eine so große Rolle spielt. Ungarn und Polen waren deutlich liberaler, doch in der DDR war die Presse gemaßregelt, da findet man nichts über Dinge, die in der Gesellschaft wirklich stattfanden. In der Literatur ging das, was sich Zeithistoriker nur leider kaum zu Nutze machen.

»Die Akademie der Wissenschaften wird in der Belletristik fast immer als Ort des Faulenzertums dargestellt«

Das wollen Sie jetzt ändern und haben eine umfassende Übersicht über die DDR-Wissenschaftsbelletristik vorgelegt: insgesamt 162 Werke von 114 Autorinnen und Autoren. Nach welchen Kriterien haben Sie diesen Kanon gebildet?

In jedem Werk musste es klar um Wissenschaft gehen, also deren Milieu, den Alltag oder die dortigen Herrschaftsverhältnisse. Natürlich gibt es Grenzfälle: Soll ein Liebesroman dazugehören, nur weil eine Figur Wissenschaftler oder Wissenschaftlerin ist? Nein, man muss aus dem Text schon etwas über den Wissenschaftsbetrieb oder das Forschungsmilieu erfahren.

Die bekannteste Forschungsinstitution der DDR war die 1946 gegründete Akademie der Wissenschaften. Was können wir aus der fiktionalen Literatur über ihre historische Wirklichkeit erfahren?

Hier gibt es eine negative Verzerrung. Die Akademie der Wissenschaften wird in der Belletristik fast immer als Ort des Faulenzertums dargestellt. Da wird etwa satirisch beschrieben, wie Techniker mit veralteten Geräten an etwas herumbasteln, nur um irgendwie beschäftigt zu sein. Oder Forscher stellen ihre Schreibmaschine auf zweizeiligen Abstand, um so die doppelte Seitenzahl zu produzieren, während allenthalben klar ist, dass das sowieso niemand liest. Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Sicher gab es auch an der Akademie der Wissenschaften diese Gemütlichkeit der öffentlichen Beschäftigung wie überall in der DDR – Zeit war ja die einzige Ressource, die im Überfluss vorhanden war. Es gab aber durchaus auch Inseln radikaler Leistungsorientierung. Die Akademie war zumindest in Teilen auch ein Ort der Spitzenwissenschaft, da darf man sich auch durch die Wissenschaftsbelletristik nicht in die Irre führen lassen.

»In der Spätphase der DDR gab es kaum noch Schriftsteller, die bereitwillig Fortsetzungen von Propaganda in Literatur produzierten«

Stichwort Spitzenleistung. Ein vom sozialistischen Regime gefeiertes Ereignis war der Raumflug von Sigmund Jähn 1978: Die DDR hatte den ersten Deutschen ins All gebracht – vermeintlich ein Beweis dafür, dass man technologisch führend war. In der DDR-Belletristik spielt dieses Ereignis hingegen keinerlei Rolle. Wieso?

Tatsächlich kenne ich kein einziges literarisches Werk der DDR, das diesen Raumflug behandelt. Warum das so ist, weiß ich nicht, aber ich hätte eine Hypothese: Die meisten Bücher beschäftigen sich mit Ereignissen, die zu ihrem Erscheinungszeitpunkt zumindest zehn Jahre zurücklagen. Jähn war 1978 im All, somit wäre Ende der 1980er etwas dazu fällig gewesen. In der Spätphase der DDR gab es allerdings kaum noch Schriftsteller, die bereitwillig Fortsetzungen von Propaganda in Literatur produzierten. Das gilt selbst für Autoren wie Erik Neutsch, der ein sehr staatsbejahender Autor war.

Schreibende Mathematikerin | Helga Königsdorf (1938–2014) im Jahr 1979 beim Signieren ihres ersten Erzählbands »Meine ungehörigen Träume«.

Aber man hätte sich doch auch kritisch mit der staatlichen Inszenierung auseinandersetzen können.

Vielleicht hätte man es parodieren können, aber das ist hypothetisch. Vermutlich wäre es für Schriftsteller peinlich gewesen, auch noch auf diesen propagandistisch sehr stark ausgeschlachteten Raumflug draufzuspringen.

Schon vor der Raumfahrt stand die Atomkraft auf der Agenda. Der Bau des Kernkraftwerks Greifswald zwischen 1966 und 1974 war ein Meilenstein für die Energiepolitik der DDR. Was erfahren wir darüber in den Texten von Christa Wolf und anderen?

Die friedliche Nutzung der Kernenergie war politisch legitimiert. Wobei es nur zwei Kernkraftwerke gab, von denen auch noch bloß Greifswald ans Netz ging. In der DDR-Belletristik freilich spielte die Atombombe eine größere, ja eine herausragende Rolle, nämlich im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Verantwortung von Wissenschaft.

»Bei der Gentechnik hatte die SED-Führung keine eigene Meinung – ein ganz erstaunlicher, geradezu singulärer Sachverhalt«

Das ist eine Parallele zum Westen, wenn man etwa an Friedrich Dürrenmatts »Physiker« oder Heinar Kipphardts »In der Sache J. Robert Oppenheimer« denkt – interessanterweise beides Dramen.

Und wie im Westen hat später die Gentechnik die Atombombe im Diskurs um die gesellschaftliche Verantwortung von Forschung abgelöst. Die Atom-Debatte hatte den Vorteil für die Literaten, dass sie sich hier mit der politischen Führung im Einklang befanden, denn der Staat bekannte sich ja gegen atomare Aufrüstung. Bei der Gentechnik war das anders, da hatte die SED-Führung keine eigene Meinung – ein ganz erstaunlicher, geradezu singulärer Sachverhalt. Mangels eigener Position ließ der Parteiapparat die Debatte tatsächlich frei laufen. So publizierte die Literaturzeitschrift »Sinn und Form« 1981 einen Briefwechsel zwischen dem renommierten Gentechniker Erhard Geißler und dem sorbischen Schriftsteller Jurij Brězan. Brězan hatte 1976 mit »Krabat oder Die Verwandlung der Welt« einen Roman vorgelegt, dessen Protagonist, ein Biologe, eine Methode entwickelt, Menschen genetisch so zu verändern, dass sie zum Beispiel jegliche Selbstsucht und Kriegslust ablegen. Aber der Romanheld ahnt, dass das in die falschen Hände geraten würde, wenn er es bekannt macht. In ihrem öffentlichen Dialog war Geißler der Protagonist der gentechnischen Möglichkeiten, während Brězan die kritischen Fragen stellte. Und die Partei ließ das laufen, was absolut ungewöhnlich war.

Aber von solchen Ausnahmen abgesehen lenkte der Staatsapparat die Ausrichtung der Wissenschaft?

Natürlich, wir sprechen von einem autokratischen Staat. Ein Beispiel dafür ist die so genannte Biologie-Prognose, ein gigantisches Forschungsprogramm, offiziell »Prognose zur Entwicklung der biologischen Forschung in der DDR 1970–1980« genannt. 1968 brachte der Staat rund 800 Wissenschaftler zusammen, die die lebenswissenschaftlichen Entwicklungen des kommenden Jahrzehnts beschreiben sollten, weil man diese Forschung als entscheidend für die Zukunft ansah. Die Expertise sollte den staatlichen Forschungsplänen zu Grunde gelegt werden. Doch das Ganze überforderte die DDR-Wissenschaft völlig. Und so wurde es von Erich Honecker, nachdem er 1971 gegen Walter Ulbricht geputscht hatte, auch umgehend wieder einkassiert.

Gibt es von diesem Megaprojekt Spuren in der Belletristik?

Die Biologie-Prognose taucht hier und da auf, aber sie wird nicht so genannt. Wenn man es nicht aus anderen Quellen weiß, erkennt man nicht, dass es um dieses Thema geht.

Welchen Stellenwert hatten Natur- und Gesellschaftswissenschaften in der DDR?

Die Naturwissenschaften sollten für die technologische und industrielle Entwicklung des rohstoffarmen Landes sorgen. Das verlieh ihnen Gewicht. Die Gesellschaftswissenschaften waren aber ebenfalls unverzichtbar, im Marxismus brauchte man sie für die Gestaltung des ideologischen Überbaus. Zudem waren sie kostengünstiger. Allerdings konnten die Naturwissenschaftler den Funktionären, die über die Forschungsmittel befanden, oft etwas vom Pferd erzählen, denn diese verstanden in der Regel nichts von der Materie und mussten glauben, was man ihnen ausmalte.

Das führte jedoch nicht dazu, dass die DDR wettbewerbsfähiger wurde.

Insbesondere scheiterte man daran, eine funktionsfähige Mikroelektronik zu entwickeln, und ohne die konnte die Modernisierung der Industrie nicht gelingen, die ja häufig Anlagen von vor 1945 betrieb. Dann ist in den 1970ern noch einer der begabtesten Fachleute auf diesem Gebiet, der Dresdner Informatiker Werner Hartmann, kaltgestellt worden, weil man ihn fälschlich verdächtigte, für die Amerikaner zu spionieren. Auch das war ein trauriger Tiefpunkt der DDR-Wissenschaftspolitik.

DDR-Wissenschaftsromane: 7 Lektüretipps

1. Hermann Kant: Die Aula. Roman (1965)

Ein erfolgreicher Journalist soll eine Rede zur Schließung seiner alten Studienstätte, einer Arbeiter-und-Bauern-Fakultät, halten. Er reflektiert darüber, wie junge Kriegsheimkehrer in der jungen DDR Bildungswege für sich finden mussten.

2. John Erpenbeck: Alleingang. Roman (1973)

Ein Institut für Wasserforschung wird während der Akademiereform 1967/68 umgebaut. Individualismus und angestrebtes kollektives Arbeiten passen dabei nicht so recht zusammen. Eine von allen gewollte Reform des Forschungsprogramms wird verschleppt, weil jeder Einzelne darauf achtet, dass sie für ihn keine Auswirkungen hat.

3. Helga Königsdorf: Meine ungehörigen Träume. Geschichten (1978)

Mit diesem ersten von mehreren Bänden begann die Autorin, Kurzerzählungen aus dem DDR-Wissenschaftsleben zu schöpfen, und dies mit einer Vorliebe für dessen Abstrusitäten. Als Akademieprofessorin für Mathematik stand ihr dafür reichhaltig Material zur Verfügung.

4. Johanna Braun, Günter Braun: Conviva ludibundus. Utopischer Roman (1978)

Als utopischer Roman verkleidete Wissenschaftssatire, die auf die Gegenwart der 1970er Jahre und ihren Naturbeherrschungsoptimismus bezogen ist. Ein Karrierist setzt ein Projekt nach dem anderen in den Sand und rettet sich jedes Mal aus der Situation, indem er ein noch größeres Projekt vorschlägt – und bewilligt bekommt.

5. Günter de Bruyn: Märkische Forschungen. Erzählung für Freunde der Literaturgeschichte (1978)

Ein Literaturhistoriker entdeckt einen revolutionären Demokraten des frühen 19. Jahrhunderts. Sein Ehrgeiz: diesen und dessen Werke im Kanon des fortschrittlichen Erbes zu verankern und seinen eigenen Namen unübersehbar damit zu verknüpfen. Ein Dorfschullehrer entdeckt indes, dass der besagte Revolutionär nach 1848 einer Zensurbehörde vorstand. Es entbrennt ein Kampf zwischen institutioneller Macht und intellektueller Redlichkeit.

6. Franz Fühmann: Saiäns-Fiktschen. Erzählungen (1981)

Das Gewand der Zukunftserzählungen ist Camouflage. Der Band gestaltet die DDR-Wissenschaftsverhältnisse mit einem solchen Sarkasmus, wie er zuvor und danach nie wieder in der DDR gedruckt wurde.

7. Christoph Hein: Horns Ende. Roman (1985)

Wenn Geschichtswissenschaft historische Legitimation für ein politisches Projekt, das zugleich ein Staat ist, liefern soll, dann muss sie nicht Kenntnis produzieren, sondern Überzeugungswissen. Wem das auf Dauer nicht einleuchtet, überlebt nicht zwingend, und in diesem Buch jedenfalls nicht.

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