Psychische Störungen: ADHS bei Erwachsenen
Was kennzeichnet ADHS bei Erwachsenen?
Erwachsenen mit einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) fällt es schwer, sich in Gesprächen oder auch beim Lesen auf das Wesentliche zu konzentrieren. Sie geraten dabei oft vom Hundertsten ins Tausendste und verlieren den roten Faden, denn alles erscheint ihnen gleich wichtig. Außerdem lassen sie sich leicht ablenken und hängen Tagträumen nach. Viele Betroffene arbeiten deshalb entweder sehr langsam oder machen viele Flüchtigkeitsfehler. Sie verspüren starke innere Unruhe, die sie daran hindert, längere Zeit konzentriert bei der Sache zu bleiben. Das Erledigen lästiger Pflichten schieben sie oft so lange vor sich her, bis der Berg nicht mehr zu bewältigen scheint oder rechtliche Konsequenzen drohen. Zugleich gelingt es den Betroffenen selten, sich richtig zu entspannen – sie stehen immer unter Strom.
Neben diesen Symptomen plagen sich die Betroffenen oft auch mit der so genannten Hyperaktivität, einer starken äußeren Unruhe, die sich vor allem in einem starken Drang nach sportlicher Aktivität, in Füßewippen, Herumspielen und anderen "nervösen" Handlungen äußert. Außerdem sind viele sehr impulsiv, leiden unter Stimmungsschwankungen und Wutausbrüchen.
Auf der anderen Seite sind die Betroffenen häufig besonders kreativ und sensibel für zwischenmenschliches Geschehen.
Wie verbreitet ist ADHS bei Erwachsenen?
Entgegen der landläufigen Meinung, ADHS sei eine Kinder- und Jugendkrankheit, besteht die Störung oft auch im Erwachsenenalter fort. Etwa jeder dritte Betroffene kämpft ein Leben lang damit. So leiden schätzungsweise 2,5 bis 4 Prozent aller Erwachsenen an ADHS.
Während im Kindes- und Jugendalter Jungen je nach Studie drei- bis neunmal so häufig erkranken wie Mädchen, ist das Verhältnis im Erwachsenenalter weit gehend ausgeglichen. Viele der betroffenen Mädchen kämpfen in der Pubertät zusätzlich mit starken Menstruationsbeschwerden und heftigen Stimmungsschwankungen.
Wie entsteht ADHS?
Die Störung wurzelt vorwiegend in genetisch bedingten, biologischen Besonderheiten und wird offenbar durch ein ungünstiges Umfeld verstärkt.
Neurobiologie: Forscher gehen heute davon aus, dass ein gestörter Stoffwechsel der Botenstoffe Dopamin und Noradrenalin im Gehirn hauptverantwortlich für ADHS ist, und zwar bei Kindern ebenso wie bei Erwachsenen. Beide Transmitter sind für Aufmerksamkeit, Antrieb und Motivation wichtig. Weil die neuronale Signalübertragung im Gehirn von ADHS-Patienten nicht ausreichend gehemmt wird, stehen permanent neue, ungefilterte Informationen im Fokus: Es fällt ihnen schwer, zwischen wichtigen und unwichtigen Informationen zu unterscheiden. Deshalb ist es für die Betroffenen schwierig, sich zu konzentrieren, bei der Sache zu bleiben und Handlungen vorauszuplanen.
Familie: Die hohe genetische Komponente der Erkrankung führt dazu, dass häufig sowohl Eltern als auch eins oder mehrere Kinder betroffen sind. In solchen ADHS-Familien ist der Alltag von mangelnder Organisation und Wutausbrüchen geprägt. Daraus entstehen Konflikte zwischen Eltern und Kindern, die ebenfalls zur Entwicklung der Störung beitragen. Auch mangelnde Zuwendung und eine inkonsequente Erziehung können die ADHS-Symptome verstärken.
Lebensumfeld: Andere Faktoren können ADHS ebenfalls begünstigen, darunter beengte Wohnverhältnisse und eine hektische Umwelt.
Was sind die Folgen von ADHS für Erwachsene?
Oft werden Menschen mit ADHS von ihrer Umwelt als unzuverlässig oder desinteressiert erlebt, was in der Regel anhaltende Konflikte nach sich zieht. Die Aufmerksamkeitsstörung verursacht deshalb Probleme in Ausbildung, Beruf und Privatleben: Die Betroffenen verlieren häufiger ihre Arbeit, wechseln öfter die Stelle und sind eher freiberuflich tätig als Menschen ohne ADHS; sie werden öfter geschieden und ziehen häufig um.
Auf Grund der eigenen Desorganisation im Alltag haben ADHS-Patienten in der Elternrolle oft Schwierigkeiten, verbindliche Regeln aufzustellen und durchzusetzen. Ihr Erziehungsstil erscheint mitunter richtungslos und chaotisch.
Der Konzentrationsmangel macht sich auch beim Autofahren bemerkbar. Offenbar sind die Betroffenen besonders unfallgefährdet und verstoßen häufiger gegen die Verkehrsregeln, etwa indem sie eine rote Ampel übersehen.
Unter diesen zahlreichen Konsequenzen der Störung leidet das Selbstbewusstsein der Patienten massiv. Vier von fünf Betroffenen entwickeln zusätzlich weitere psychische Erkrankungen. Frauen haben dabei vermehrt mit Depressionen und Phobien zu kämpfen. Männer neigen eher zu Suchterkrankungen: Sie greifen zu Drogen, um ihre starke innere Unruhe und ein Gefühl der Getriebenheit auszugleichen. Wegen ihrer Erkrankung tragen sie ein hohes Risiko, abhängig zu werden, vor allem von Nikotin, Cannabis und Alkohol. Außerdem entwickeln ADHS-Patienten überzufällig häufig eine Computerspielsucht.
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