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Mechanik des Prinzipats

Der Historiker Hartwin Brandt beschreibt die römische Kaiserzeit als Erfolgsmodell für eine gelungene Integration.

Die römische Kaiserzeit, jener Epochenabschnitt der klassischen Antike, der von der Begründung des Prinzipats unter Augustus (27 v. Chr.) bis zu Kaiser Diocletian reicht, mit dessen Regierung im Jahr 284 n. Chr. die Geschichtswissenschaft den Beginn der Spätantike ansetzt, war schon oft Gegenstand althistorischer Forschung. Hartwin Brandt, Professor für Alte Geschichte an der Universität Bamberg, legt mit seinem Buch eine neue, umfassende und fundierte Darstellung dieser wichtigen Epoche vor.

Die Herrschaft des ersten Mannes

Nah an den Quellen und stets auf der Höhe aktueller Forschung zeigt der Autor auf, wie sich Octavian, der spätere Kaiser Augustus, in den Wirren des Bürgerkriegs (44–31 v. Chr.) nach der Ermordung seines Adoptivvaters Julius Cäsar an die Spitze des zerrütteten römischen Staats kämpfte und mit viel Geschick und Rücksichtslosigkeit ein neues politisches System im Gewand des alten etablierte: das Prinzipat, die »Herrschaft des ersten Mannes«. Damit, so Brandt, sei ihm etwas Einmaliges in der Geschichte gelungen, nämlich eine Art Monarchie als Republik auszugeben.

Diese »verschleierte Alleinherrschaft«, eine der erfolgreichsten Systemtransformationen der Weltgeschichte, erwies sich Brandt zufolge deshalb als so langlebig, weil die maßgeblichen Gesellschaftsgruppen, die es trugen – Senatoren, stadtrömische Plebs, Militär –, sie akzeptierten. Das Prinzipat des Augustus hatte Bestand, auch wenn es sich veränderte. Alle Nachfolger beriefen sich darauf, propagierten es als Modell, selbst wenn sie, wie Caligula, Nero oder Domitian, tatsächlich ganz anders agierten. Eindringlich führt der Autor das systembedingte Handeln der römischen Kaiser im Wandel der Zeiten vor Augen und erläutert, wie diese ihre Herrschaft unter geänderten politischen Rahmenbedingungen ausübten.

Brandt gibt nicht nur eine flüssige Darstellung der vielfältigen Ereignisgeschichte, sondern zugleich auch informative Querschnitte über andere gesellschaftliche Bereiche, wie Religion, Kultur, Wirtschaft und Soziales, Bautätigkeit sowie Innen- und Außenpolitik. Trotz der schier erdrückenden Materialfülle versteht es der Autor, Wesen und Struktur der Prinzipatsherrschaft über mehr als 300 Jahre zu veranschaulichen und dabei die Rolle von Institutionen, Bürokratie und Eliten zu erörtern.

Brandt zeigt auf, wie die Römer ihre Macht organisierten, und weist darauf hin, dass diese ihre Herrschaft nicht nur militärisch, sondern auch kulturell fundierten und vormals Unterworfene an der Macht und an den Vorteilen ihres Systems teilhaben ließen. Religiöse Toleranz, zurückhaltende Administration und die Durchlässigkeit des politischen Systems bildeten zusammen mit der »Pax Romana« den politischen Mehrwert, der die Provinzialen dazu ermunterte, aus freien Stücken Römer zu werden.

Dieser Integrationsprozess vollzog sich, wie der Autor aufzeigt, auf unterschiedliche Weise und in verschiedenen staatlichen Bereichen: durch die Ergänzung des römischen Heers durch Freiwillige aus der Nachkommenschaft der einstigen Gegner; durch die allmähliche Ausdehnung des römischen Bürgerrechts als Kristallisationspunkt für eine gesamtprovinziale Identität; durch die Privilegierung provinzialer Kommunen in Form von sich selbst verwaltenden Städten; durch die Einbeziehung der provinzialen Eliten in die Reichsaristokratie; und schließlich durch den Aufstieg von Hispaniern, Galliern, Afrikanern, Syrern auf den Kaiserthron.

Brandts Buch ist eine sehr anregende Lektüre, die den Leser mit einer Vielzahl neuer wissenschaftlicher Gedanken und Forschungsergebnisse konfrontiert. Es besticht durch stringente Darstellung sowie souveräne Durchdringung des Untersuchungsgegenstands und ist zugleich ein wichtiger Beitrag zum Verständnis dafür, wie Großreiche Völker unterschiedlicher Nationalität, Religion und Mentalität integrieren können, ohne daran zu zerbrechen.

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