Artenvielfalt: Eine Welt voller Hörnchen
Jeder hat vermutlich schon einmal Eichhörnchen durch seinen Garten, einen Park oder über Bäume huschen sehen. Die kleinen Nagetiere haben wenig Scheu vor Menschen und sind besonders jetzt im Herbst hektisch unterwegs, um Vorräte für den Winter anzulegen. Selbst in den Großstädten sind sie längst heimisch geworden und turnen ebenso geschickt über Dächer und Fassaden wie über Bäume und Felsen. Sie sind die bekannteste Art der großen und weltweit vertretenen Nagetierfamilie der Hörnchen. Während in Deutschland nur das Eichhörnchen und das Murmeltier heimisch sind, zählt man weltweit ca. 270 Arten in 51 Gattungen. Manche sind sehr klein und wiegen kaum 15 Gramm, andere bringen mehr als 6 Kilogramm auf die Waage. Sie haben die verschiedensten Lebensräume besiedelt und verblüffende Erfolgsstrategien entwickelt. Die Dokumentation »Die verrückte Welt der Hörnchen« stellt gut ein Dutzend Arten vor und entführt die Zuschauer in Wüsten, Dschungel, schneebedeckte subarktische Wälder und auf heimische Bergwiesen.
Wie der Titel schon andeutet, setzt der Film nicht so sehr auf eine streng wissenschaftliche Dokumentation, sondern beeindruckt die Zuschauer vielmehr mit erstaunlichen Einzelheiten aus dem Leben verschiedener Hörnchenarten. Die geschickt aufgenommenen und rasant geschnittenen Szenen erinnern streckenweise an frühe Disney-Naturfilme. Man sieht Präriehunde in ihren großen, aus vielen Erdhöhlen bestehenden Siedlungen in der amerikanischen Prärie herumtollen. Die Kamera verfolgt die verblüffend weiten nächtlichen Gleitflüge der amerikanischen Gleithörnchen in einer Schneelandschaft. Mit wohligem Gruseln beobachten wir, wie Antilopenziesel in der Wüste Arizonas auf meterhohe Säulenkakteen klettern, ohne sich an den riesigen Stacheln zu verletzen. Auch unsere einheimischen Arten wie das Eichhörnchen und das ebenfalls zu den Hörnchen gehörende Murmeltier kommen nicht zu kurz. Bei nur knapp vier Minuten pro vorgestellter Art ist allerdings kein Raum, um sich mit den einzelnen Spezies näher zu beschäftigen. Die Kommentare erläutern die gezeigten Szenen, bieten aber wenig zusätzliche Hintergrundinformationen. Manchmal würde man sich etwas mehr davon wünschen, zumal die Texte teilweise hart an der Kitschgrenze entlangschrammen.
Leider sind sie außerdem gelegentlich etwas ungenau. Eichelspechte sind nicht auf das Ernten von Eicheln spezialisiert, sie fressen auch Insekten, Nüsse und andere Samen. Gleithörnchen können weite Entfernungen in der Luft zurücklegen. Die im Film genannten 80 Meter runden die verfügbaren Angaben jedoch sehr großzügig auf. Es ist auch schwer zu sagen, ob die in einer Wüstenumgebung lebenden afrikanischen Borstenhörnchen ihren buschigen Schwanz tatsächlich mit voller Absicht als Sonnenschirm verwenden. Zugegeben: Es wäre plausibel. Den Eichhörnchen wurde dieses Verhalten vermutlich schon in der Antike nachgesagt, jedenfalls lässt der wissenschaftliche Name der Hörnchenfamilie (Sciuridae) darauf schließen. Er stammt vom lateinischen Wort »sciurus«, das seinerseits von griechisch »skiouros« (der Schattenschwanz) abgeleitet ist.
Menschen kommen in der Dokumentation nicht vor. Selbst in der kurzen Einstellung, die ein Eichhörnchen bei seinem Weg über die Dächer einer Großstadt und in einen Dachgarten zeigt, bleiben sie unsichtbar. Auch der Einfluss des Menschen auf die Lebensräume oder beispielsweise die Ausrottungskampagnen des letzten Jahrhunderts gegen die Präriehunde in den USA sind kein Thema. Heute bewohnen die Präriehunde nur noch etwa fünf Prozent ihres ursprünglichen Verbreitungsgebiets und werden immer noch als Schädlinge verfolgt. Andererseits übertragen Hörnchen auch Krankheiten auf Menschen. Im Film ist aber gute Laune angesagt, und Menschen stören da eher. Man kann das kritisieren, doch letztlich ist es konsequent, die Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum vorzustellen, ohne gleich den moralischen Zeigefinger zu heben.
Die auf Naturdokumentationen spezialisierte Firma Altayfilm in Berlin und Leipzig hat den Film im Jahr 2019 produziert und auf einigen kleineren Festivals erfolgreich vorgestellt. Als Coproduzenten fungierten der WDR und ARTE. Kameraführung und Schnitt sind hervorragend gelungen, die Musikuntermalung fügt sich unaufdringlich ein. Die Kommentare fallen etwas ab – was den guten Gesamteindruck aber kaum schmälert. Insgesamt bietet »Die verrückte Welt der Hörnchen« kurzweilige und lehrreiche Unterhaltung für die ganze Familie. Absolut empfehlenswert.
Die Dokumentation ist am Donnerstag, 17. September um 10:10 Uhr und am Samstag, 19. September um 18:10 Uhr auf Servus TV sowie anschließend in der Mediathek zu sehen.
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