Lexikon der Biologie: Prostaglandine
Prostaglandine [von Prostata, spätlatein. glandula = Drüse], Gruppe von etwa 20 Mediatorstoffen (Mediatoren) oder auch Gewebshormonen (Hormone), die sich von der hypothetischen Prostansäure ableiten lassen. Sie wurden von U.S. von Euler in den 1930er Jahren erstmalig als Bestandteile der Samenflüssigkeit (Sperma) in den Samenblasen von Schafen entdeckt, ihre Uterus-kontrahierende (Gebärmutter) Wirkung beschrieben und ihr Entstehungsort in der Prostata angenommen (Name!). Prostaglandine (PG) kommen jedoch generell in allen Geweben tierischer Organismen vor und können sogar in Pflanzen gefunden werden. In den Jahren 1957–59 gelang S.K. Bergström die kristalline Darstellung zahlreicher Prostaglandine; ihre Biosynthese wurde wiederum an Extrakten aus Schafs-Samenblasen 1964 aufgeklärt. – Prostaglandine werden nur bei „Bedarf“ lokal synthetisiert, wobei der erste Schritt in der Aktivierung einer Phospholipase besteht, die aus ubiquitär in die Zellwände eingebauten PhospholipidenArachidonsäure (bzw. homologe mehrfach ungesättigte C20-Säuren; Prostanoide) abspaltet ( vgl. Abb. 1 ). Die weitere Biosynthese ist an die Prostaglandin-Synthetase gebunden, einen Multienzymkomplex, dessen Bestandteil Cyclooxygenase die Bildung des für die Prostaglandine typischen Fünfrings (Ringschluß zwischen C8 und C12 der Arachidonsäure) katalysiert; ferner werden 2 Moleküle Sauerstoff in das Grundgerüst eingeführt. Die von dem entstandenen Endoperoxid abgeleiteten Prostaglandine besitzen generell 2 Doppelbindungen (Zweierreihe). Von der der Arachidonsäure homologen Dihomo-γ-Linolensäure (mit 3 statt 4 Doppelbindungen) ausgehend, werden Prostaglandine mit 1 Doppelbindung synthetisiert (Einerreihe). Ebenso entstehen aus einer C20-Säure mit 5 Doppelbindungen Prostaglandine mit 3 Doppelbindungen (Dreierreihe). Es existieren verschiedene Gruppen (je nach Autor A–F oder A–I), die sich durch Anzahl und Stellung von Sauerstoffatomen im Molekül sowie durch die Lage der Doppelbindung im Cyclopentanring unterscheiden ( vgl. Abb. 2 ). Schließlich katalysiert eine Lipoxygenase die Bildung von Leukotrienen aus Arachidonsäure. Durch die Zusätze α und β wird die Stellung der OH-Gruppe an C-9 charakterisiert. Die Indizes 1, 2 und 3 geben die Anzahl weiterer Doppelbindungen in den Seitenketten wieder. Daraus ergeben sich die Bezeichnungen PGA bis PGI, wobei PGA und PGB säure-(acid) oder basen-induzierte Artefakte darstellen; PGH2 und PGG2 bezeichnen die sog. Prostaglandinendoperoxide; dies sind Vorstufen der Prostaglandine. Die wichtigsten vom Organismus produzierten Prostaglandine sind PGE1, PGE2 und PGF2, deren Wirkungen außerordentlich komplex sind. Teilweise wirken die einzelnen Substanzen synergistisch, teilweise auch antagonistisch ( vgl. Infobox ). Alle Prostaglandine und gerade ihre Vorstufen sind sehr kurzlebig, was für ihre lokal und zeitlich begrenzte Wirkung von besonderer Bedeutung ist. – Freigesetzt werden die Prostaglandine durch Nervenreizung, Mediatorstoffe wie z.B. Histamin oder gastrointestinale Hormone (z.B. Gastrin). Die genauen physiologischen Funktionen der Prostaglandine sind noch nicht in allen Details aufgeklärt. Zu den im Kleindruck aufgeführten Wirkungen muß erwähnt werden, daß die Prostaglandine auch für die Beweglichkeit der Spermien von großer Bedeutung sind. Pathophysiologisch spielen sie beim Schmerz-Geschehen (Schmerz), bei entzündlichen Prozessen (Entzündung), bei der Entstehung von Fieber, bei allergisch bedingten Diarrhoen und Menstruationsbeschwerden (Menstruation, Menstruationszyklus) eine Rolle. Die unterschiedliche Wirkung auf verschiedene Zelltypen ist durch die Aktivierung bzw. die Hemmung von Adenylat-Cyclasen und Guanylat-Cyclasen zu erklären. Die Prostaglandin-Inaktivierung wird von verschiedenen Enzymen, besonders von der 15-Hydroxyprostaglandin-Dehydrogenase und der Δ-13-Reductase, katalysiert. Diese Prozesse erfolgen außerordentlich rasch. Höchste Aktivitäten der PG-Dehydrogenase findet man in Lunge, Milz und Nieren. Schon nach einer Lungenpassage kann man im Blut keine Prostaglandine mehr nachweisen. Die höchste Reductaseaktivität liegt im Fettgewebe vor. – Durch die vielfältigen Wirkungen der Prostaglandine sind diese, pharmakologisch gesehen, von großem Interesse. So setzt man bei der Bekämpfung von Schmerzen, Fieber und Entzündungen vermehrt Präparate ein, die z.B. als Cyclooxygenase-Hemmstoffe in den Prostaglandinstoffwechsel eingreifen (Acetylsalicylsäure, p-Aminophenol- und Pyrazolon-Derivate und viele andere). Aber auch die Prostaglandine selbst kommen als Therapeutika zum Einsatz. Man setzt sie z.B. wegen ihrer Wirkung auf die Uterusmuskulatur (Oxytocica) zur Einleitung einer Geburt oder auch zum Schwangerschaftsabbruch (Abortiva, Schwangerschaft) ein. Eine spezielle Gruppe, die teilweise auch zu den Prostaglandinen gezählt wird, das Prostacyclin und die Thromboxane, ist in den Vorgang der Blutgerinnung integriert. Prostacycline, die u.a. aus Endothelzellen freigesetzt werden, hemmen die Adhäsion und Aggregation von Blutplättchen (Thrombocyten; Thrombocyten-Aggregations-Hemmer). Im Gegensatz dazu fördern die Thromboxane die Blutgerinnung, indem sie aggregierend auf die Blutplättchen wirken. Iso-Prostaglandine gelten als Biomarker für oxidativen Streß. Ein membranschädigendes Stoffwechselprodukt der Prostaglandine ist der Malondialdehyd. Bergström (S.K.), Calmodulin, Corey (E.J.), freie Radikale, Leukotriene, Samuelsson (B.I.), Vane (J.R.).
K.-G.C./T.Z./L.W.
Prostaglandine
Abb. 1: Biosynthese der Prostanoide aus Arachidonsäure.
PGA, PGB, PGC, PGD, PGE, PGF: verschiedene Prostaglandine;
PGG, PGH: Prostaglandinendoperoxide; PGI: Prostacyclin; TXA, TXB: Thromboxane
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