Lexikon der Biologie: Niere
Niere, Ren, Nephros, i.w.S. Bezeichnung für zahlreiche funktionell ähnliche, aber nicht homologe Exkretionsorgane wie Nephridien (Protonephridien und Metanephridien), Antennendrüsen von Krebsen, Malpighi-Gefäße von Insekten, Bojanussche Organe von Muscheln. – I.e.S. Exkretions- (Exkretion), osmoregulatorisches (Osmoregulation) und hormonsekretorisches Organ (Nierenhormone) der Wirbeltiere und des Menschen (allgemeine Daten: vgl. Tab. ). Die außerhalb des Peritoneums (Bauchfell) dorsal gelegenen paarigen bohnenförmigen Nieren sind trotz ihres geringen Anteils (0,4–1%) am Körpergewicht sehr gut durchblutet (Blutkreislauf [Abb.]). Etwa 22% des vom Herzen pro Sekunde durch den Körper gepumpten Blutes passiert die Nieren, was bereits auf die große Regulationsleistung hinweist. Im anatomischen Aufbau lassen sich von außen nach innen die Bereiche Nierenrinde (Cortex renalis), Nierenmark (Medulla renalis) und das hohle Nierenbecken (Pelvis renalis) unterscheiden. Das Nierenmark ist an zahlreichen Stellen zum Nierenbecken ausgebuchtet (Nierenpapillen). An diesen Stellen fließt der gebildete Harn (s.u.), ohne weiter in seiner Zusammensetzung verändert zu werden, in die trichterförmigen Enden (Nierenkelche) des Harnleiters. Im Feinbau dominieren zahlreiche tubuläre Abschnitte, deren funktionale Einheit das Nephron (Harnkanälchen, beim Menschen mit einer Gesamtlänge von ca. 100 km) ist. Die Anzahl der Nephren einer Niere reicht von einigen hundert in niederen Wirbeltieren bis zu mehr als 1 Million beim Menschen und anderen großen Säugern. Das am höchsten differenzierte Nephron der Säugetiere steht in der Nierenrinde mit dem Blutgefäßsystem über sein blind geschlossenes, ein Kapillarknäuel (Glomerulus) umgreifendes Ende (Bowmansche Kapsel) in Verbindung. Glomerulus und Bowmansche Kapsel werden als Nierenkörperchen oder Malpighisches Körperchen (Malpighi-Körperchen, Corpuscula renis) bezeichnet. Nach einem kurzen Zwischensegment schließt sich an das Malpighische Körperchen der proximale Tubulus an, der zunächst im Bereich des Nierenkörperchens (cortical) stark aufgewunden ist (Pars convoluta) und dann in geradem Strang in Richtung zum Nierenmark zieht (Pars recta). Im elektronenmikroskopischen Bild stellen sich die Zellen des proximalen Tubulus als typische einschichtige transportierende Epithelzellen (Epithel) mit ausgeprägtem Mikrovillisaum, zahlreichen Mitochondrien und einem bis weit in den Zellkörper reichenden basalen Labyrinth dar. Der proximale Tubulus verjüngt sich und geht in die Henlesche Schleife über, zunächst in einem absteigenden Ast weiter medullawärts, dann in einem dem ersteren eng und parallel anliegenden aufsteigenden Ast (Haarnadelprinzip) wieder in Richtung auf die Nierenrinde. Die Henleschen Schleifen sind sowohl im Nierenmark als auch nur in der Nierenrinde zu finden und dort kürzer. Unter den Vögeln und Säugetieren (nur dort kommen Henlesche Schleifen vor) haben diejenigen Arten die längsten Schleifen, die an extremen Wassermangel angepaßt sind. Dem aufsteigenden Ast der Henleschen Schleife schließt sich der wieder weitlumige distale Tubulus an, der zunächst weiterhin gerade verläuft und dann im Bereich des Malpighischen Körperchens aufgeknäuelt ist. Mehrere distale Tubuli inserieren in ein Sammelrohr, das zwar funktionell zum Nephron gehört, indem es an der Harnbereitung beteiligt ist, ontogenetisch aber eine andere Herkunft hat. Mehrere Sammelrohre vereinigen sich im Nierenmark zu Papillarrohren (Ductus Bellini; Bellini), die sich ins Becken öffnen. – Die Funktion des Nephrons ist nicht ohne die spezifische Anordnung der die Tubuli umgebenden Blutgefäße zu denken. Hierbei unterscheidet sich die Gefäßversorgung im Cortexbereich deutlich von der im Nierenmark. Den Anfang des Glomerulus bilden relativ weitlumige Arteriolen, die zudem über glatte Muskulatur sowohl im hinführenden (afferenten) als auch aus dem Glomerulus herausführenden (efferenten) Teil ihr Lumen ändern können und damit den hydrostatischen Druck des Blutes (der von essentieller Bedeutung für die Filtration des Primärharns ist, s.u.) variieren. Ein Teil des aufgeknäuelten distalen Tubulus (Macula densa) hat Kontakt mit den afferenten Arteriolen, die den Glomerulus des entsprechenden Nephrons versorgen, und bildet mit ihm den juxtaglomerulären Apparat. Die efferenten Arteriolen im corticalen Bereich umspinnen in einem engen Netz alle Abschnitte eines Nephrons und des Sammelrohrs und stehen auch mit benachbarten Nephren in Verbindung. Die Arteriolen in der Nierenrinde hingegen bilden im Bereich der proximalen und distalen Tubuli sowie der Henleschen Schleifen den Tubulusabschnitten parallellaufende, haarnadelförmige Gegenstromaustauscher (Vasa recta). Schließlich wird die Nierenrinde von zahlreichen verzweigten Lymphgefäßen durchzogen. – Die Harnbereitung in der Niere ( vgl. Abb. 1 ) beginnt in den Malpighischen Körperchen mit einer Filtration des Blutplasmas. Dabei müssen mehrere Filterschichten (Endothel der Blutkapillaren, Basallamina, Epithel der Bowman-Kapsel) überwunden werden. "Porenweite" und elektrische Wandladung entscheiden, welche Moleküle passieren können (Clearance). Lipoproteine und Globuline sowie an Albumine gebundene Substanzen – darunter auch zahlreiche Arzneimittel – werden nicht filtriert. Der Primärharn wird also als nahezu proteinfreies Ultrafiltrat (Ultrafiltration) abgepreßt (Protein im End-Harn deutet immer auf eine Störung der Filtrationseinrichtung hin). Treibende Kraft für die Druckfiltration ist der hydrostatische Blutdruck in den Arteriolen, von dem aber nur ein bestimmter Betrag als effektiver Filtrationsdruck wirken kann, da dem hydrostatischen Blutdruck der kolloidosmotische Druck des Blutes und der hydrostatische Druck im Bereich des Malpighischen Körperchens entgegengerichtet sind. Der abgepreßte Primärharn (ca. 180 l pro Tag) ist durch Sekretions- und Reabsorptionsprozesse in den tubulären Abschnitten des Nephrons mannigfaltigen Veränderungen unterworfen und wird bei Vögeln und Säugern in Abhängigkeit von den physiologischen Gegebenheiten mehr oder weniger stark konzentriert. Das pro Tag ausgeschiedene Harnvolumen beträgt nur noch 1–2 l ( vgl. Tab. ). – Der Vorgang der Harnkonzentrierung läßt sich experimentell über die Injektion des zwar filtrierbaren, aber nicht reabsorbierbaren Inulins und die Messung der osmotischen Konzentrationen aus mit feinsten Kapillaren den einzelnen Tubulusabschnitten entnommenen Proben verfolgen ( vgl. Abb. 1 ). Im proximalen Tubulusabschnitt werden bereits bis zu 70% des filtrierten Wassers aus dem Blutplasma zurückgewonnen. Dies erfolgt durch aktiven Natriumionen-Transport in das Interstitium (Flüssigkeitsräume), dem Wasser passiv folgt (isotonische Rückresorption). Die Wiederaufnahme des Wassers in die Blutbahn und sein Abtransport werden dadurch erleichtert, daß die Arteriolen, nachdem sie das Wasser, aber nicht die Plasmaproteine abgepreßt haben und nun die Tubuli umspinnen, einen hohen kolloidosmotischen Druck besitzen. Harnproben, die aus Nephren, die tief ins Nierenmark ziehen, entnommen werden, werden zunehmend konzentrierter in Richtung auf das Nierenbecken. Sie sind dagegen am Beginn des distalen Tubulus bluthypoton, im Bereich der Eintrittsstellen in die Sammelrohre blutisoton und werden dann in den Sammelrohren in Richtung auf das Nierenbecken wieder stark hyperton. Die Hypotonizität im Bereich des ersten distalen Tubulusabschnitts ist das Ergebnis eines aktiven Natriumtransports aus dem aufsteigenden Ast der Henleschen Schleife, dem aber kein Wasser folgt (nicht-isotonische Rückresorption). Ihre anatomische Eigentümlichkeit mit einem Wasser-impermeablen aufsteigenden Ast verleiht ihr die Fähigkeit, als Gegenstrommultiplikator (Gegenstromprinzip; vgl. Abb. 2 ) einen osmotischen Gradienten innerhalb des Nierenmarks auszubilden, der seine höchsten Werte an den Schleifenspitzen hat und sich über alle Flüssigkeitsräume im Nierenmark, also auch über die Arteriolen (aber mit Ausnahme des aufsteigenden Schleifenastes), erstreckt. Da auch die Sammelrohre in den Gradienten mit einbezogen sind, fließt aus ihnen ein stark konzentrierter Harn ins Nierenbecken. Der Gradient kann nur aufrechterhalten werden, wenn die rückresorbierten Stoffe samt dem Wasser abtransportiert werden. Dies muß in einer Geschwindigkeit geschehen, die es erlaubt, einen Konzentrationsausgleich zwischen den als Gegenstromaustauscher angelegten Kapillaren und dem umgebenden Medium herzustellen. – Die auf den ersten Blick umständlich erscheinenden Reabsorptions- und Sekretionsprozesse haben den großen Vorteil, daß durch genaue Regulationsmechanismen einerseits die zahlreichen "nützlichen" Substanzen dem Körper selektiv wieder zugeführt, andererseits "schädliche" Substanzen zusätzlich dem Primärharn zugesetzt werden können ( vgl. Infobox 1 ). Diese Mechanismen regulieren die ionale Zusammensetzung des Harns so, daß das innere Milieu des Körpers konstant gehalten wird (Pufferfunktion und Regulation des pH-Werts). Die dazu benötigten Transportprozesse sind teils aktiver (aktiver Transport), teils passiver Natur (passiver Transport). Im proximalen Tubulus werden Glucose, Aminosäuren, Ketonkörper und die Ionen HCO3–, Na+, K+ sowie Phosphat und Sulfat aktiv zurücktransportiert. Die hierzu notwendige Stoffwechselenergie wird im wesentlichen durch die Oxidation von Fettsäuren und Ketonkörpern gewonnen, nicht dagegen über Kohlenhydratabbau (Kohlenhydratstoffwechsel), da die Hexokinase-Aktivität (Hexokinase) in diesem Nierenabschnitt sehr gering ist. Im distalen Tubulusabschnitt überwiegt dagegen – ebenso wie in den Bereichen der Henleschen Schleifen, die im äußeren mitochondrienreichen Nierenmark liegen – der Abbau von Glucose zur ATP-Gewinnung (Adenosintriphosphat). Im inneren Mark überwiegt die energetisch ungünstigere anaerobe Glykolyse. Das gebildete ATP wird ganz überwiegend zum Aufbau einer sog. Natrium-motorischen Kraft benötigt, d.h. zum Antrieb einer Na+/K+-ATPase (Natrium-Kalium-Pumpe) auf der Blutseite der Tubuluszellen. Zusammen mit Natrium-gekoppelten Translokatoren auf der Harnseite werden über dieses Transportsystem die meisten der zur Reabsorption anstehenden Substanzen auch gegen die eigenen Konzentrationsgradienten dem Blut wieder zugeführt. Insbesondere gilt dies für Glucose und Aminosäuren. Mit dem Transportsystem für Glucose (Glucose-Translokatoren) werden auch Fructose und Galactose transportiert. Für Glucose ist die Kapazität des Systems in der gesunden Niere bei 18 mmol/l erreicht, bei Nierenkranken wird schon unterhalb dieser Schwelle Glucose im Harn ausgeschieden (Prinzip des Glucosetoleranztests;Diabetes mellitus). Im Tierexperiment kann das Glucosetransportsystem nicht-kompetitiv mit dem Glucosid Phloridcin gehemmt werden, was zu einem renalen Diabetes führt. Auch für Aminosäuren gibt es (mindestens 5 verschiedene) Transportsysteme mit unterschiedlicher Gruppenspezifität. Für Lactat, Glycerin und Ketonkörper sind die Transportmechanismen nicht genau bekannt; die Natrium-motorische Kraft dürfte aber auch hier wirksam sein. Weiterhin ist der Transport sehr wahrscheinlich an eine Metabolisierung der Substanzen gebunden; zumindest wird die unter normalen Ernährungsbedingungen filtrierte Menge an Ketonkörpern vollständig in den Tubuluszellen oxidiert. Offenbar gibt es keine der Glucosetoleranz vergleichbare "Ketonkörperschwelle". Eine Hemmung der Gluconeogenese führt zu erhöhter Lactatausscheidung, was auf eine entsprechende Metabolisierung des Lactats und Rückresorption über das Zuckertransportsystem hinweist. Die Gluconeogenese verläuft nur im proximalen Tubulus und ist damit vom Glucoseabbau im distalen Tubulus und im Nierenmark getrennt (metabolische Zonierung). Die stickstoffhaltigen Endprodukte Harnstoff, Harnsäure und Kreatinin unterliegen unterschiedlichen Ausscheidungsmodi. Harnstoff folgt in der Regel dem osmotischen Gradienten im Nierenmark ("solvent drag") und wird auf diese Weise zu etwa 50% rückresorbiert. Die Ausscheidungsrate ist – ebenso wie die von Harnsäure – von der aufgenommenen Nahrung (Anstieg bei hohem Protein- bzw. Puringehalt) abhängig ( vgl. Infobox 2 ). Harnsäure wird teilweise sezerniert, größtenteils aber rückresorbiert. Diese Balance muß sehr sorgfältig eingehalten werden, da es bei ernährungsbedingt vermehrter Ausscheidung wegen der schweren Wasserlöslichkeit zu Harnsäuresteinen kommen kann. Kreatinin passiert die Tubuli unverändert und wird vollständig ausgeschieden (Clearance). Auch die Ionen von Natrium, Kalium, Calcium, Phosphat und Sulfat werden sehr unterschiedlich behandelt. Das Verhältnis der Ausscheidung oder Rückresorption von Kalium und Natrium im distalen Tubulus wird durch Aldosteron reguliert; hohe Aldosteronwerte erhöhen die K+-Ausscheidung auf Kosten einer Natrium-(und damit H2O-)Reabsorption. Im übrigen wird K+ im proximalen Tubulus über einen nicht im einzelnen bekannten Mechanismus weitestgehend rückresorbiert. Für die Regulation der Ausscheidungsrate von nicht proteingebundenem Calcium sorgen Parathormon (verstärkte Rückresorption mittels einer Ca2+-ATPase) und Calcitonin (vermehrte Ausscheidung). Der Gefahr einer Bildung von unlöslichem Calciumphosphat in der Niere wird dadurch begegnet, daß im Gegensatz zu Phosphat nur sehr wenig Ca2+ den Körper über die Niere, das meiste dagegen über den Darm verläßt. Für Phosphat und Sulfat gilt, daß die normale Toleranzschwelle der Rückresorption dieser beiden Ionen (im Gegensatz zu Glucose) im Bereich ihrer Plasmakonzentrationen liegt. Parathormon wirkt für Phosphat schwellenerniedrigend. – Die Niere ist neben dem Atmungssystem (Atmung, Blutgase) der zweite Ort der Regulation des Säure-Base-Gleichgewichts ( vgl. Abb. 3 ). Hierfür ist die Regulation der Ausscheidung und Resorption von Hydrogencarbonat (HCO3–) als Antwort auf eine metabolische Acidose (Übersäuerung) oder Alkalose (vermehrter Anfall von Basen) im Organismus von zentraler Bedeutung. An der Ausscheidung, Reabsorption und zusätzlichen Bereitstellung von Hydrogencarbonat sind Ionenaustauschprozesse und die Bildung von Ammoniak beteiligt. Wird viel Hydrogencarbonat filtriert, so daß es wieder reabsorbiert werden muß, kommt es zu aktiver Sekretion von H+ (intrazellulärer Kohlensäure entstammend) in das (proximale) Tubuluslumen. Na+ diffundiert im Ionenaustausch in die Tubuluszelle und wird aktiv in die umgebenden Kapillaren gepumpt. Damit kann im Lumen aus dem vorhandenen Hydrogencarbonat und H+ Kohlensäure (H2CO3) gebildet werden, die sogleich in H2O und CO2 (Kohlendioxid) zerfällt. Das CO2 diffundiert in die Tubuluszelle und wird dort unter Katalyse einer Carboanhydrase wieder zu Kohlensäure umgewandelt (Blutgase [Abb.]). Durch deren Zerfall in H+ und Hydrogencarbonat steht zum einen neues H+ zum Transport ins Lumen und zum anderen Hydrogencarbonat zum Rücktransport ins Blut zur Verfügung. Überschüssiges H+ kann in Form von monobasischem Phosphat (H2PO4–) ausgeschieden werden. Hierzu verbindet sich sezerniertes H+ im Tubuluslumen mit abfiltrierten HPO42–-Ionen, das Phosphat wirkt ebenso wie das Hydrogencarbonat als Puffer. Eine Stabilisierung des Säure-Base-Gleichgewichts wird schließlich durch die Produktion von Ammoniak (NH3) in den Nierentubuli erreicht – insbesondere dann, wenn bei metabolischer Acidose keine Hydrogencarbonat- oder Phosphatpuffer im Tubuluslumen zur Verfügung stehen. NH3 wird aus Glutamin gebildet (unter Abspaltung von α-Ketoglutarat [α-Ketoglutarsäure]). Andere Aminosäuren können in diesen Weg eingespeist werden. NH3 diffundiert ins Tubuluslumen und fängt dort die H+-Ionen ab, die somit als Ammoniumionen (NH4+; Ammonium) mit dem Harn ausgeschieden werden. Für die Osmoregulation und Volumenregulation der Niere sind im wesentlichen Hormone verantwortlich, die einerseits die Tubulus-Permeabilität (im distalen Tubulus und Sammelrohr) verändern bzw. auf die Natriumrückresorption Einfluß nehmen (Adiuretin, Aldosteron), andererseits vasoaktive (gefäßverengende) Substanzen (Renin-Angiotensin-Aldosteron-System), deren Ausschüttung (Renin) von Chemorezeptoren (Na+-sensitiv) und Druckrezeptoren gesteuert wird. – Bei der Komplexität der Reabsorptionsmechanismen ist es nicht verwunderlich, daß eine Reihe von pathobiochemischen Veränderungen in der Sekretion und Rückresorption beschrieben wurden. Experimentell erzeugte oder schon vorhandene diabetische Zustände zeigen sich in einer Erniedrigung der Ausscheidungsschwelle für Glucose. Dafür können eine zu geringe Tubulusoberfläche, eine verminderte Permeabilität der Zell-Membran (Membranpermeabilität) oder eine Störung des Transportsystems verantwortlich sein. Ähnliches gilt für Aminosäuren. Treten durch metabolische Defekte einzelne Aminosäuren vermehrt im Blut auf, so wird die Kapazität der Rückresorption überschritten, und sie werden ausgeschieden (Phenylketonurie, Ahornsirup-Krankheit bei zu hohen Werten von Valin, Leucin, Isoleucin). Störungen des Transportsystems kennt man ebenfalls (z.B. Cystinurie oder Hartnup-Krankheit bei Tryptophanurie). Schließlich stören krankhaft veränderte Hormonwerte die Rückresorption (Adiuretinmangel: zentraler Diabetes insipidus; verminderte Ansprechbarkeit der Rezeptoren auf Adiuretin: renaler Diabetes insipidus; Aldosteronüberschuß: Hypernatriämie, Hypokaliämie [Elektrolythaushalt]; Conn-Syndrom und gegenteilige Effekte bei Aldosteronmangel, Addisonsche Krankheit). Bellini (L.), Blutdruckregulation (Abb.), Bowman (W.), harnpflichtige Substanzen, Heidenhain (R.P.H.), Henle (F.G.J.), Krebs, Murray (J.E.), Nierenentwicklung, Niereninsuffizienz, Nierenpfortader-Kreislauf, Nierensteine, Nierenversagen, Perfusion, Urogenitalsystem; Niere , Exkretionsorgane , Mensch I .
K.-G.C./K.M.
Niere
Abb. 1:Harnbereitung: In Proben, die mit Mikrokapillaren aus den verschiedenen tubulären Abschnitten gewonnen werden, lassen sich der osmotische Druck pOs und die Inulinkonzentration (cI) messen und mit den entsprechenden Blutplasmawerten (pOsB und cIB) vergleichen. Inulin ist ein Polysaccharid, das filtriert, aber nicht reabsorbiert wird. Seine Konzentrationszunahme ist daher ein Maß für die Harnkonzentrierung. Das Hormon Adiuretin (ADH) verändert die Membranpermeabilität der distalen Tubuli und der Sammelrohre und regelt damit die Menge und Konzentration des ausgeschiedenen Harns. Nach neuen Untersuchungen ist es zweifelhaft geworden, ob Na+-Ionen aktiv transportiert werden und Cl–-Ionen nur passiv folgen. Für das Prinzip der Harnbereitung spielt dies jedoch keine Rolle.
Niere
Abb. 2:Gegenstrommultiplikation: In den Henleschen Schleifen wird der Harn im Gegenstrom konzentriert (Gegenstromprinzip). Der kontinuierliche Konzentrationsvorgang ist in der Abb. in die beiden Teilvorgänge "Harnfluß" (1,3,5,7) und "Konzentrierung" infolge des aktiven Natriumtransports aus dem wasserimpermeablen aufsteigenden Ast der Schleifen in das Interstitium und den absteigenden Ast (2,4,6,8) aufgegliedert, wobei die Zahlen für osmotische Werte stehen.
Niere
Abb. 3: Regulation des Säuren-Basen-Gleichgewichts in der Niere:
1 Reabsorption von Hydrogencarbonat (Bicarbonat, HCO3–) bei vermehrter Filtration. H+ wird in das proximale Tubuluslumen sezerniert und bildet mit Hydrogencarbonationen Kohlensäure (H2CO3). Das aus ihrem spontanen Zerfall resultierende CO2 diffundiert in die Tubuluszelle und wird wiederum, hier aber mittels einer Carboanhydrase (CA), in Hydrogencarbonat überführt; H+ wird nicht ausgeschieden. 2 Im Überschuß anfallendes H+ wird in das Tubuluslumen sezerniert und nach Bindung an HPO42–-Ionen als monobasisches Phosphat ausgeschieden. 3 In das Tubuluslumen sezerniertes H+ kann auch als solches ausgeschieden werden; aus 2 und 3 setzt sich die titrierfähige Säure im Endharn zusammen 4 Eine erhöhte Ammoniakbildung (NH3) in der Tubuluszelle fördert ebenfalls die H+-Ausscheidung (bei ungenügend vorhandenem Hydrogencarbonat oder Phosphat) über die Bildung von NH4+-Ionen.
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