Hemmer und Meßner erzählen: Kleine Geschichte über den letzten Kaiser in Rom
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Für den ersten militärischen Sieg im Namen der christlichen Religion mussten die himmlischen Mächte selbst noch Zeichen und Wunder geschehen lassen. So will es jedenfalls die Legende. »In hoc signo vinces« habe Jesus Christus dem schlafenden Kaiser Konstantin mitgeteilt: Durch dieses Zeichen siege. Gemeint war natürlich das Kreuz, und damit darüber auch kein Zweifel herrsche, erschien dem Herrscher, einstmals glühender Anhänger des Sonnengotts Sol, und seinen Soldaten das Kreuz als flammendes Lichtsymbol am Himmel.
Tief beeindruckt malten am Vorabend der berühmten Schlacht an der Milvischen Brücke die Soldaten Konstantins das Christusmonogramm auf ihre Schilde, und der Rest ist Geschichte: Nur einen Tag später steckte der Kopf von Konstantins Rivalen Maxentius auf einer Lanze. Der Sieger zog triumphal in der Ewigen Stadt ein.
Für die römische Geschichte hatte der Ausgang dieses seit Jahren schwelenden Machtkampfs weit reichende Folgen. Denn mit Maxentius starb in jenen Oktobertagen des Jahres 312 der letzte Kaiser, der in Rom residierte. Konstantin hingegen verlegte seine Hauptstadt in den Osten des Reichs, nach Konstantinopel, das heutige Istanbul. Er gilt er als zentraler Wegbereiter des Christentums, manchen gar als erster christlicher Kaiser, auch wenn nicht sicher ist, ob er sich überhaupt hat taufen lassen. In jedem Fall wurde er von der Nachwelt mit Ruhm überhäuft.
Anders Maxentius. Wie die Historiker Hartmut Leppin und Hauke Ziemssen in ihrem Buch »Maxentius, der letzte Kaiser in Rom« schreiben, verschwand er im Schatten seines großen Rivalen. An ihm blieb bis in die Neuzeit das Etikett des Usurpators und Tyrannen haften, der sich unrechtmäßig zum Augustus, also Kaiser, hatte ausrufen lassen. Das war damals kein ungewöhnlicher Vorgang – im Gegenteil. Zudem hatte Maxentius als einer der größten Baumeister Roms das Stadtbild massiv aufgewertet. Doch es nützte nichts. An Konstantins unglückseligem Gegner, der die Stadt am Tiber in den sechs Jahren seiner Herrschaft mit Bauwerken so prächtig hatte ausschmücken lassen, ließen die Chronisten kein gutes Haar.
Ein katastrophal missglücktes Manöver hatte sein Schicksal besiegelt. Als Konstantin auf Rom vorrückte, stellte sich ihm Maxentius jenseits des Tibers an der Milvischen Brücke entgegen. Mit Hilfe dieses Nadelöhrs auf dem Weg in die Stadt wollte er den Angreifer einkreisen. Am Ende aber saßen seine Truppen in genau der Falle, die sie Konstantin hatten stellen wollen. Zahllose Kämpfer versanken im Tiber. Auch Maxentius ertrank. Sein Tod läutete das Ende einer eigenartigen Regierungsform ein, die Kaiser Diokletian zwei Jahrzehnte zuvor eingeführt hatte: die Tetrarchie.
Jedes Heer einen eigenen Kaiser
Ende des 3., Anfang des 4. Jahrhunderts befand sich das Römische Reich in einem Zustand der Dauerkrise. Es war die Zeit der Soldatenkaiser, in der es üblich war, dass Soldaten siegreiche Feldherren zu Kaisern ausrufen. Diese galten so lange als Usurpatoren, bis sie sich gegen ihre Konkurrenten durchgesetzt hatten. So auch Diokletian, der im Jahr 284 durch Ausrufung seiner Soldaten an die Macht kam. Nachdem er seine Macht gefestigt hatte, stieß er zahlreiche Reformen an, um das Reich wieder zu stabilisieren. Insbesondere entwickelte er einen ungewöhnlichen Plan, mit dem er die Usurpatoren bekämpfte: Er entschloss sich, seine Macht mit anderen Kaisern zu teilen und zeitlich zu begrenzen. Nach je 20 Jahren sollten alle Posten an der Spitze des Reichs neu vergeben werden, wobei Vorgänger und Nachfolger nicht aus derselben Familie stammen sollten – auch das ein Bruch mit der Tradition. Bislang folgte die Kaiserwürde dem dynastischen Prinzip.
Der Name Tetrarchie, also »Viererherrschaft«, verrät den Kerngedanken: Die Führungsriege sollte fortan aus zwei Seniorkaisern (Augusti) und zwei Unterkaisern (Caesari) bestehen. Jeder würde sich um einen eigenen Reichsteil kümmern, Gesetze allerdings konnten nur im Namen des gesamten Kollegiums erlassen werden. Nach 20 Jahren Amtszeit oder beim Tod eines Augustus sollte sein Caesar aufrücken.
Wie die Väter, so die Söhne
Diokletian ernannte Maxentius' Vater Maximian zum Mitaugustus, und beide stellten sich ab 293 jeweils einen Caesaren zur Seite. Damit war die Tetrarchie komplett.
Auch Konstantins Vater wirkte an diesem Vierergespann mit: Der Mann mit dem Namen Constantius Chlorus fungierte als Diokletians Caesar. 305 traten die beiden Augusti nach 20 Jahren zurück. Maximian nicht ganz freiwillig, aber die Machtübergabe klappte. Sein Caesar Galerius rückte zum Augustus auf. Und Konstantins Vater Constantius Chlorus ebenfalls.
Nun waren die beiden Caesarenstellen neu zu vergeben. Gemäß der Abkehr von der dynastischen Nachfolgeregelung wurden die beiden Söhne, obgleich volljährig und durchaus an der Macht interessiert, nicht berücksichtigt. Somit war dem Streit der Boden bereitet.
Als bereits ein Jahr später, 306, Constantius Chlorus starb, stellte sich die Nachfolgefrage erneut. Statt den vorgesehenen Nachrücker zu akzeptieren, rief das Heer Constantius Chlorus' Sohn Konstantin zum neuen Augustus aus. Die übrigen Tetrarchen standen vor einem Problem. Sollten sie den Usurpator bekämpfen oder einen Kompromiss finden? Sie entschieden sich für einen Kompromiss: Konstantin wurde als Caesar in die Tetrarchie aufgenommen. Das rief nun Maxentius auf den Plan, der sich ebenfalls Hoffnungen machte, Kaiser zu werden.
Seine Gelegenheit kam im Oktober 306. Rom, die Weltmetropole am Tiber, hatte in den Jahrzehnten zuvor einen scheinbar ungebremsten Abstieg hingelegt, längst war sie keine Residenzstadt mehr und inzwischen bestenfalls noch ideelles Zentrum des Reichs. Die Tetrarchenkaiser machten einen großen Bogen um die Stadt, zumal die bedrohten Reichsgrenzen ihre Anwesenheit verlangten. Als das Tetrarchenkollegium schließlich auf die Idee verfiel, der Reichshauptstadt ihre Privilegien zu nehmen, begann es zu rumoren. Zunächst sollten Steuerprivilegien gestrichen werden, dann die kostenlose Versorgung mit Brot und Schweinefleisch. Schließlich stand im Raum, die Prätorianer zu entlassen, die kaiserliche Leibgarde vor Ort. Die römische Bevölkerung begehrte auf.
Maxentius nutzte die Gunst der Stunde und ließ sich von den Prätorianern am 28. Oktober 306 zum Kaiser ausrufen. Er war damit nach einem halben Jahrhundert der erste Kaiser, der sich überhaupt wieder für längere Zeit in Rom aufhielt. Anders als bei Konstantin kam es bei ihm aber zu keinem Kompromiss mit den anderen Kaisern. Sie bekämpften ihn als Usurpator. Doch den Tetrarchen gelang es nicht, Maxentius zu stürzen. Gleich zwei Kaiser, Severus und Galerius, scheiterten daran, weil ihre Truppen zu Maxentius überliefen, als sie Richtung Rom zogen.
Die Spannungen innerhalb der Tetrarchie nahmen immer mehr zu, und die Kaiser drängten darauf, die Alleinherrschaft über das Imperium Romanum zurückzugewinnen. Diokletians Herrschaftsmodell, das das Reich nach Jahrzehnten der Krise zumindest zeitweise stabilisiert hatte, war an seine Grenzen gekommen. Am Ende war es Konstantin, der 312 mit seinem Heer nach Rom zieht, um den Rivalen dort vom Thron zu stoßen.
Es gelang ihm, weil Maxentius eine Entscheidung traf, die bereits den Zeitgenossen unerklärlich war. Statt in der gut befestigten Stadt abzuwarten, suchte er die offene Feldschlacht. Wollte er beweisen, dass er ein ebenso erfolgreicher Befehlshaber wie Konstantin sein konnte? Zeigte sich hier gar erneut göttliches Wirken, wie manche zeitgenössischen Autoren spekulierten?
Über den Toten nix Gutes
Maxentius' Niederlage machte Konstantin zunächst zum alleinigen Herrscher im römischen Westreich. Zwölf Jahre später setzte er sich im Gesamtreich durch und regierte ab 324 als alleiniger Augustus.
Was blieb von Maxentius? Er war zwischen 306 und 312 als Kaiser in Rom an der Macht. Unter seinen Bauwerken sticht eines hervor, nämlich die Maxentius-Basilika auf dem Forum Romanum. Sie ist noch zu etwa einem Drittel erhalten. Der größte von Gewölben überdeckte Hallenbau der Antike beeindruckt noch heute seine Besucher. Wer zu den Decken in über 20 Meter Höhe heraufschaut, erhält eine Ahnung davon, zu welchen Leistungen die damalige Baukunst in der Lage war.
Maxentius' Wirken jedoch geriet alsbald in Vergessenheit, er taugte den Chronisten vor allem als fast schon klischeehafter Bösewicht, gegen dessen Niedertracht der christliche Kaiser Konstantin nur umso heller strahlte. Eusebius etwa schreibt über ihn, dass er in jeden Frevel verfiel und keine gottlose und freche Tat unverübt ließ. Dass solches aus der Feder eines Bischofs und Kirchenvaters stammt, ist im Unterschied zu den Geschehnissen an der Milvischen Brücke allerdings alles, nur kein Wunder.
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