Gute Nacht – die Kolumne für besseren Schlaf: Schlaflos im Doppelbett
Starr liegen, flach atmen – und immer der Gedanke: Hoffentlich wecke ich niemanden. In Partnerschaften wird Schlaflosigkeit als belastend erlebt, weil die Bewegungsfreiheit fehlt. Eine Person schläft, die andere liegt wach. Und mit der Sorge steigt die innere Aufregung. Der Körper ist in Alarmbereitschaft und bleibt wach, um sich einer Bedrohung zu stellen. Nur gibt es keine Bedrohung. Es gibt nur eine weitere schlaflose Nacht.
Singles und Männer schlafen am besten, das berichtet die Techniker Krankenkasse in ihrer Schlafstudie. Sie fühlen sich morgens erholter. Frauen berichteten dagegen häufiger von Einschlafschwierigkeiten oder unterbrochenem Schlaf.
Frauen verbringen im Schnitt etwa elf Minuten mehr Zeit im Bett als Männer. Auf die Schlafzeit kann davon nicht geschlossen werden, sie wird in Befragungsstudien nicht erhoben. Der Unterschied scheint gering, aber Studien deuten auch darauf hin, dass Männer in der Regel schneller einschlafen.
Frauen schlafen leichter? Von wegen
Ein Mythos ist der so genannte Ammenschlaf: Früher glaubte man, Frauen schliefen in den Monaten nach der Geburt eines Kindes leichter, um sich um den Säugling kümmern zu können. Dies scheint jedoch nicht auf einem biologischen Unterschied zu beruhen. Im Gegenteil: Männer verbringen mehr Zeit in leichteren Schlafphasen (NREM 1 und 2), wohingegen Frauen im Vergleich länger im Tiefschlaf liegen.
Nachts aufmerksam sein können sowohl Mütter als auch Väter – wobei es Vätern, biologisch betrachtet, leichter fällt. Bei Kindern, die nicht oder nicht mehr gestillt werden, lohnt sich also auch ein Blick auf die Belastung: Geht es dem Vater mit nächtlichen Störungen besser als der Mutter? Dann sollte den Ruf nach »Maaamaaa!« öfter mal der Paaapaaa beantworten.
Schlaflos im gemeinsamen Bett: Gehen oder bleiben?
Die Partnerschaft birgt also ein gewisses Risiko für den Schlaf. Dabei kann die Sorge, andere Familienmitglieder zu wecken, verhindern, dass Frauen wieder einschlafen – das gilt natürlich auch für betroffene Männer. Um diesen Druck erst einmal rauszunehmen, sind getrennte Schlafplätze ein guter Startpunkt.
Getrennte Schlafzimmer werden als Versagen in der Beziehung betrachtet. Selbst in der Schlafberatung ist das Thema umstritten. Verfechter des Akzeptanz- und Commitment-Ansatzes empfehlen, bei Schlaflosigkeit liegen zu bleiben, um keine neue Gewohnheit zu schaffen. So beschreibt es der Schlafphysiologe Guy Meadows in seinem Buch »Schlaf gut«. Die Idee: Wer außerhalb des gemeinsamen Betts besser schläft, der schade damit dem Schlaf im gemeinsamen Bett. Wer dagegen seine Schlaflosigkeit akzeptiere, der finde Ruhe.
Dieser Ansatz kann funktionieren, hat aber seine Tücken. Viele Menschen finden nämlich keine Ruhe, wenn sie liegen bleiben. Sie finden eher Wut und Verzweiflung. Wütend und verzweifelt schläft es sich wirklich schlecht. Deshalb eignet sich diese Vorgehensweise für die meisten Menschen nicht ohne professionelle Begleitung.
Pragmatismus zuerst, Perfektion später
Wer dagegen verhaltensorientiert arbeitet, der rät dazu, bei Schlafstörungen das Bett zu verlassen. Ziel ist es, die Verknüpfung von Bett, Sorgen und Grübelei zu lösen. Diese Herangehensweise kann auch ohne Begleitung ausprobiert werden. Grundidee: Die wache Zeit im Bett wird auf ein Minimum reduziert. Das macht müde.
Meine Haltung wäre, pragmatisch an das Problem heranzugehen: Zuallererst müssen Betroffene erleben, dass sie
- in der Partnerschaft unterstützt werden und
- grundsätzlich schlafen können.
Und dafür sind so einige Mittel recht. Schläft ein Partner gut und der andere schlecht, dann kann der gute Schläfer seine Nacht vielleicht auch auf dem Sofa verbringen oder auf einer Matratze im Wohn- oder Kinderzimmer. Sehen Sie das nicht als Versagen, sondern als gemeinsame Aktion gegen die Schlafstörung. Auch allein auf dem Sofa schlafen kann ein Akt der Liebe sein.
Und der Glaubenssatz, zu einer guten Beziehung gehöre ein gemeinsames Bett, ist erst einmal wirklich nur das: ein Glaubenssatz. Wenn Sie im gemeinsamen Bett nicht gut schlafen, dann dient das der Beziehung nicht. Stattdessen wird die Schlaflosigkeit bald die Beziehung belasten. Wer schlecht schläft, dessen Immunsystem reagiert eher mit Entzündungsprozessen auf Streit in der Beziehung, berichten Forschende in der Fachzeitschrift »Psychoneuroendocrinology«. Es treffen sich Erschöpfung, Reizbarkeit und das Gefühl: Wieso schläfst du eigentlich, während ich wieder wach liegen muss? Das Problem verschärft sich, wenn der vermeintlich gute Schläfer schnarcht und dies nicht behandelt wird.
Zusammenhalt ist wichtiger als Glaubenssätze
Zu einer guten Beziehung gehört aber immer der Zusammenhalt. Also halten Sie zusammen. Betrachten Sie die Schlafstörung wie einen gebrochenen Mittelhandknochen: Auch der ist in einigen Wochen heilbar, aber Sie sind jetzt als Paar noch einmal ganz anders gefordert, damit der oder die Betroffene gesund werden kann.
Sie würden einen Partner mit gebrochener Hand nicht den Koffer tragen lassen. Dann haben Sie auch keinen Grund, auf einem gemeinsamen Bett zu bestehen, wenn dies dem Schlaf schadet. Halten Sie zusammen. Das lohnt sich, denn wenn das Vertrauen in den Schlaf wiederhergestellt ist, dann kann auch der Schlaf im gemeinsamen Bett wieder erholsam sein. Dafür muss der Druck raus – und das Vertrauen rein: Mein Partner ist auf meiner Seite. Wir arbeiten daran und wir kriegen das hin.
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