Lexikon der Biologie: Palynologie
Palynologiew [von griech. palynein = streuen, logos = Kunde], i.e.S. das Studium fossiler und subfossiler Pollen und Sporen der Embryophyta in Böden (Boden), Sedimenten und Locker-Gesteinen. Diese sehr klare Abgrenzung aus botanischer Sicht ist vor allem durch Paläontologen erweitert worden, die alle fossil überlieferten Mikrofossilien aus resistenten organischen Wandungen (Palynomorphe), darunter auch Sporen von Fungi (Pilze) und Algen, diverse Cysten von Dinophyta und anderen Algen, Chitinozoa, Acritarchen, Arthropoden-Eier, aber auch mikroskopisch kleine Bruchstückchen von Landpflanzen- und Tierkörpern als Untersuchungsgegenstand der Palynologie betrachten. Die Palynologie ist eine wichtige Methode der relativen Altersbestimmung (geeignet zur Datierung von ordovizischen bis hin zu archäologischen Fundschichten; Geochronologie) und erlaubt ferner, insbesondere im europäischen Quartär, die Rekonstruktion der Ausbreitungs- und Entwicklungsgeschichte von Pflanzenarten sowie der Vegetationsgeschichte (Paläobotanik) und Klimageschichte (Paläoklimatologie). Darüber hinaus findet sie Anwendung bei der Untersuchung der Luft (Aeropalynologie), des Honigs(Melissopalynologie) und in der Kriminologie bei der Analyse von Bodenproben; große wirtschaftliche Bedeutung besitzt sie in der Kohle- (Kohle) und Erdölprospektion (Erdöl). – Nach verschiedenen Ansätzen im 19. Jahrhundert (z.B. durch H.R. Göppert, C.A. Weber) erfuhr die Palynologie ihre wissenschaftliche Begründung erst durch den schwedischen Geologen L. von Post zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Schwerpunkt war anfangs die Analyse quartärer Hochmoor-Torfe und Ablagerungen zur Erhellung der Vegetationsgeschichte. Dieser auch methodisch eigenständige Teilbereich der Palynologie wird als Pollenanalyse bezeichnet. Erst später erfolgte eine Ausdehnung der Palynologie auf alle Sedimentgesteine, wobei sie hier vor allem zur Altersbestimmung (Biostratigraphie) eingesetzt wird. – Grundlage der Palynologie ist die Tatsache, daß die Wand der Palynomorphen, welche die für die Bestimmung entscheidenden Merkmale trägt, chemisch sehr widerstandsfähig ist. Daher kann bei Einbettung der Pollen und Sporen unter weitgehendem Sauerstoffabschluß die äußere, aus Sporopollenin bestehende Wandung (Exine, Exospor) selbst über einige Hundert Millionen Jahre erhalten bleiben, während nur die innere Wand (Intine, Endospor) und der lebende Zellinhalt zugrundegehen. Wegen ihrer Widerstandsfähigkeit lassen sich die Palynomorphen auch gut aus Torf- und Sedimentproben anreichern und isolieren. Dazu wird die einbettende Matrix zunächst aufgelöst (durch Salzsäure bei kalkhaltigen, durch Flußsäure bei kieselsäurehaltigen Gesteinen und durch Kalilauge, Salpetersäure oder ähnliches bei humus- oder kohlereichen Proben) und die Palynomorphen durch Zentrifugation, feinmaschige Siebe oder Schweretrennung abgetrennt. Die Paläopalynologie oder Sporenpaläontologie befaßt sich mit der pollen- und sporenanalytischen Untersuchung präquartärer, insbesondere mesozoischer und paläozoischer Proben. Dabei bleibt die botanische Zugehörigkeit der Pollen- und Sporenformen in der Regel unklar. Hier wird daher meist auf eine quantitative Erfassung der Palynomorphen verzichtet und nur das Formenspektrum festgehalten, das, ausgehend von Leitformen und charakteristischen Vergesellschaftungen, zumindest eine zeitliche Einstufung der Proben erlaubt (Leitfossilien). Dagegen können bei der Analyse quartärer (in gewissem Umfang auch tertiärer) Schichten die Pollen und Sporen durch Vergleich unmittelbar rezenten Arten oder Gattungen zugeordnet werden, so daß eine wesentlich detailliertere Auswertung in Form eines Pollendiagramms möglich ist (Pollenanalyse). Die Palynomorphologie (Pollen- und Sporenmorphologie) befaßt sich mit der Morphologie und Anatomie rezenter und fossiler Pollen und Sporen. Im Gegensatz zur Vorgehensweise der üblichen Pollenanalyse können in der Palynomorphologie auch elektronenmikroskopische Methoden angewandt werden.
V.M./F.G.
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