Lexikon der Biologie: PDGF
PDGF, Abk. für platelet derived growth factor, Synonyme: sis-Oncogen (c-sis = PDGF-B), glioma derived growth factor (GDGF), macrophage derived growth factor (MDGF = PDGF A), osteosarcoma derived growth factor (ODGF), transformed cell growth factor (TCGF), u.a. von Thrombocyten, Endothelzellen, glatten Muskelzellen (glatte Muskulatur) der Gefäßwände (Blutgefäße, Endothel), Monocyten und einigen Tumorzellen (Krebs) gebildetes Cytokin, das als multifunktioneller Wachstumsfaktor wirkt. Die Bildung und Ausschüttung von PDGF kann durch eine Vielzahl von Faktoren moduliert werden (z.B. Aktivatoren der Adenylat-Cyclase [z.B. Forskolin]), TGFβ (TGF), TNFα (Tumor-Nekrosis-Faktor), Thrombin, Faktor X (Blutgerinnung [Tab.]), Il-1 und Il-6 (Interleukine). Der PDGF kann seine Expression selber autokrin oder parakrin stimulieren. Ihm wird eine wichtige Rolle bei der Gewebereparatur, der Wundheilung und bei Entzündungsreaktionen (Entzündung) zugeschrieben, da er chemotaktisch (Chemotaxis) auf Fibroblasten, glatte Muskelzellen, Monocyten und neutrophile Granulocyten wirkt, ein starkes Mitogen für Fibroblasten und Endothelzellen darstellt, den Prostaglandin-Stoffwechsel (Prostaglandine) intensiviert sowie Phospholipasen und Kollagenasen aktiviert. In der Medizin werden PDGF und PF4 zur Behandlung schlecht heilender Wunden (z.B. bei Diabetikern; Diabetes) eingesetzt. Der PDGF spielt wahrscheinlich auch eine Rolle in der Embryonalentwicklung und bei der Zelltransformation, die bei Arteriosklerose, Tumoren und Knochenmarksfibrosen auftreten. Außerdem ist der PDGF in der Lage, die Expression von c-myc und c-fos zu induzieren. Der PDGF ist ein Polypeptid mit einer relativen Molekülmasse von 28.000–30.000. Dieses aus 2 Untereinheiten (A und B bzw. I und II) bestehende Peptid enthält 16 Cystein-Reste, die für die biologische Aktivität des Moleküls und die Verknüpfung der beiden Untereinheiten wichtig sind. Meist liegt der PDGF als Heterodimer (AB) vor; es kommen aber auch Homodimere (AA, BB) vor. Die Untereinheiten A und B werden als Präkursorproteine gebildet. Etwa 4–7% der Molekülmasse des PDGF machen neutrale oder basische Zucker aus. Glykosylierungsstellen (Glykosylierung) konnten auf beiden Untereinheiten nachgewiesen werden. Das breite Spektrum verwandter Moleküle des PDGF in verschiedenen Zelltypen entsteht durch verschiedene Kombinationen der A- und B-Kette, durch unterschiedliche Glykosylierungsmuster sowie durch alternatives Spleißen der zugrundeliegenden mRNAs. Das für die A-Kette codierende Gen ist 22–24 kb lang und enthält mindestens 7 Exonen. Es ist auf Chromosom 7 lokalisiert. Das für die B-Kette codierende Gen entspricht dem c-sis-Protoonkogen. Es enthält ebenfalls 7 Exonen, ist 24 kb lang und ist auf Chromosom 22 lokalisiert. Beide Gene zeigen eine nahe Strukturverwandtschaft; wahrscheinlich stammen sie von einem gemeinsamen Urgen ab. Die Wirkungen von PDGF werden über spezifische Rezeptoren vermittelt, die eine Tyrosin-Kinase-Aktivität (Rezeptor-Tyrosin-Kinasen) besitzen und in einer Dichte von 300.000–400.000 Kopien pro Zelle vorliegen. Der PDGF-Rezeptor ähnelt in Größe und Art der intrazellulär ausgelösten Sekundärreaktionen dem EGF-Rezeptor (epidermal growth factor). Es handelt sich um ein integrales Membranprotein, das aus 2 Untereinheiten (α, β bzw. PDGF-RA und PDGF-RB) besteht. Die relative Molekülmasse der beiden Untereinheiten, die aus Präkursorproteinen gebildet werden, beträgt 170.000–190.000. In Abwesenheit des PDGF liegen die beiden Untereinheiten getrennt voneinander in der Membran vor. Bindet der PDGF an eine Untereinheit, so kommt es zu einer Dimerbildung (Hetero- oder Homodimer möglich), wobei jede Untereinheit des Rezeptors eine Untereinheit des PDGF bindet. Die α-Untereinheit des Rezeptors kann die PDGF-A- und die PDGF-B-Untereinheit von PDGF, die β-Untereinheit des Rezeptors kann nur die PDGF-B-Untereinheit von PDGF binden. Die PDGF-AA-Variante kann also nur an den homodimeren αα-Rezeptor, PDGF-AB an den αα- und den αβ-Rezeptor und PDGF-BB an alle 3 Rezeptortypen binden. Einzelne Untereinheiten zeigen eine geringe Affinität zu ihrem Liganden. Solche low-affinity Rezeptoren können, im Gegensatz zu den high-affinity-Rezeptoren (Dimere), nicht autophosphoryliert und internalisiert werden. Die Dissoziationskonstante des PDGF-Rezeptors liegt bei 10–9 bis 10–11 M. Der isoelektrische Punkt der beiden Untereinheiten liegt zwischen pH 4,2 und pH 5,3. Der PDGF-Rezeptor besitzt in seiner extrazellulären Domäne mehrere Glykosylierungsstellen (N- und O-Glykosylierung). Die Glykosylierung macht etwa 30% der Molekülmasse des Rezeptors aus. Die extrazelluläre Domäne des Rezeptors weist eine hohe Strukturhomologie zu Immunglobulinen auf. Der Rezeptor wird daher der Immunglobulin-Superfamilie zugeschrieben. Die cDNA-Sequenz des PDGF-Rezeptors ähnelt dem c-fms-(MCSF-Rezeptor) und dem c-kit-Onkogen. Das für die β-Untereinheit des Rezeptors codierende Gen ist auf dem Chromosom 5, das für die α-Untereinheit codierende Gen auf dem Chromosom 4 lokalisiert. Der Rezeptor ist mit der Phospholipase C, einem G-Protein und einer Phosphatidylinositol-3-Kinase assoziiert. Nach Aktivierung des Rezeptors wurden ein rascher turnover von Phosphoinositol, ein Anstieg der Arachidonsäurekonzentration und eine verstärkte Bildung von Eikosanoiden registriert. Außerdem wurden ein Anstieg der intrazellulären Calciumkonzentration und eine Alkalisierung des Cytoplasmas beobachtet. Auch eine Aktivierung der Proteinkinase C und eine damit einhergehende Phosphorylierung verschiedenster Proteine konnte nachgewiesen werden.
S.G./S.Kl.
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