Lexikon der Biologie: Watt
Watt, 1) Geographie, Biologie: ein Begriff (Plural Watten), der sich vom Niederdeutschen wat = Untiefe, Furt, durchwatbare Stelle ableitet und definitionsgemäß den Meeresboden des Wattenmeeres bezeichnet, der zwischen der Ebbe- und der Flutlinie – und somit im Wechsel der Gezeiten – von Wasser bedeckt ist und trockenfällt. Der Wechsel von Wasserbedeckung und Trockenfallen ist das Kennzeichen des Watts schlechthin und bedingt in der Nordsee eine auf der Welt einzigartige Naturlandschaft, deren Anteile je nach mariner oder limnischer Überflutung als Normwatt, Brackwatt oder Flußwatt unterschieden werden, in jedem Fall geologisch einen dynamischen Ablagerungsraum, biologisch einen extremen Lebensraum, zumal in nordisch-kühlem Klima, darstellen. Der Wattboden ( vgl. Infobox ) besteht aus Sedimenten, die seit der Eiszeit (Pleistozän) durch die Gezeitenströme abgelagert wurden und ständig ergänzt und verändert werden. In den landnahen Flachwasserbereichen werden Feinmaterialien (Schlick, Korngröße weniger als 0,05 mm Durchmesser), in den landfernen Regionen gröbere Sedimente (Sand, Korngröße über 1 mm Durchmesser; Bodenarten [Tab.], Gefügeformen) küstenparallel abgesetzt. Entsprechend werden Schlickwatt, Sandwatt und Mischwatt unterschieden, denen sich landwärts Queller- (Queller, Thero-Salicornietea), Seegras- (Seegrasgewächse, Zosteretea) und/oder Salzwiesen (Schwingel- und Andelzone; Asteretea tripolii) anschließen (Küstenvegetation). Die gröberen Sedimente (Sand) sind im wesentlichen mariner Herkunft (Meeresablagerungen), stammen aus dem Küstenvorfeld des Watts, die feineren Schweb- oder Sinkstoffe häufig aus den Flüssen (Elbe, Weser, Jade). Zu diesen mineralischen Sedimenten kommen noch organische, wie Plankton, Detritus und größere Anteile abgestorbener Pflanzen und Tiere. Nach ihrer Lage zur See lassen sich Offene Watten (liegen hinter Strandwällen oder Sandbänken) von Ästuarwatten und Buchtenwatten (liegen im Bereich der Flußmündungen und Meeresbuchten; Ästuar) sowie von Rückseitenwatten (liegen hinter Düneninseln) trennen. – Der Wechsel von Ebbe und Flut, von Hoch- und Niedrigwasser, stellt an die Wattbewohner besondere Anforderungen. Bei starker Sonneneinstrahlung (Strahlungsbilanz) im Sommer kann der Boden in kurzer Zeit brottrocken werden, wie die Wattoberfläche durch Überflutung ebenso schnell von 30 °C auf 17 °C abgekühlt werden kann. Im Winter kann der Wattboden ausfrieren. An der Wattoberfläche kann durch Wasserbewegungen (Limnokinetik) wie auch durch die Photosynthese der in Mengen vorhandenen Algen der Sauerstoff beträchtlich zunehmen, während er in wenigen cm Tiefe nahezu vollständig fehlt. Die Verdunstung kann in heißen Sommern die Salzkonzentration (Salinität [Abb.]) ebenso stark erhöhen, wie heftige Regenfälle (Niederschlag) zu einer Aussüßung führen können. Hinzu kommt, daß die Zahl der Freßfeinde, wie Fische und Krebstiere als Flutgäste und Vögel als Ebbegäste, einen hohen Feinddruck (Feindfaktor) erzeugt. Solch harten Lebensbedingungen aber steht ein beträchtliches Nahrungsangebot gegenüber, was einerseits auf die pflanzliche Eigen-Produktion der Unmengen von Kieselalgen (Diatomeen), welche die gesamte Wattoberfläche bräunlich färben (Besiedlungsdichte bis zu 1 Million Zellen pro cm2), wie auch auf die Zufuhr von Plankton und Detritus aus der Nordsee durch den Gezeitenstrom zurückzuführen ist. Diese extremen Bedingungen führten zu einer harten Auslese auf der Basis besonderer Anpassungen und ließen nur wenige Arten zu typischen Wattbewohnern werden. Die aber finden hier reichlich Nahrung und sorgen für einen bemerkenswerten Individuenreichtum. Nur wenige Arten (Strandschnecke, Miesmuschel) besiedeln die Oberfläche der Wattböden (Epibionten; Epibios). Die meisten Wattbewohner (Polychaeta, Muscheln, unter den Krebstieren z.B. der Wattkrebs) leben eingegraben (Graben) im Sediment (Endobionten; Endobios; vgl. Abb. 1 ) und häufig an einen bestimmen Watt-Typ (Schlick-, Misch-, oder Sandwatt) angepaßt, kommen, wie z.B. der Wattwurm (Arenicolidae), als Jungtiere eher im Schlickwatt vor, während sie als Adulti vor allem Sandwattbewohner sind. – Die Böden von Schlick-, Misch- und Sandwatt sind durch die Gezeitenströme ständigen Umlagerungen ausgesetzt. Folglich faßt man sie auch als Schwemmwatt zusammen und stellt dieses den als Felswatt bezeichneten felsigen Küstenregionen (Felsküste) gegenüber, in denen die Lebensräume mehr oder minder vertikal angeordnet sind und die gegenüber den ständig umgeschichteten Sedimenten des Schwemmwatts eine für Pflanzen- (Algen-)bewuchs feste Unterlage und für eine tierliche Besiedlung mannigfachere Biotope bzw. Habitate bieten. Einziges Felswatt der Deutschen Bucht ist die Abrasionsterrasse des Felssockels der Insel Helgoland. An tropischen Küsten sind die Wattflächen meist Mangroven. – Das Watt ( vgl. Abb. 2 ) zählt zu den einzigartigen Lebensräumen der Erde (Biodiversität). Bedroht ist es heute einmal durch die Anreicherung von Schadstoffen (Schwermetalle, Pestizide und anderem; Umweltbelastung), die mit den Flüssen (Fließgewässer) eingeleitet oder von Schiffen abgelassen werden (Ölpest, Verklappung, Wasserverschmutzung), zum zweiten durch große Eindeichungsprojekte, welche die Wattfläche verringern. Anaerobiose, Biosphärenreservat (Tab.), Brackwasser, Europa (Tab.), Marschböden, Meeresbiologie, Naturschutz, Spülsaum; Nationalparke I . 2) Physik: Kurzzeichen W, nach J. Watt benannte SI-Einheit für die Leistung: 1 W =1 J/s (J = Joule = Einheit der Energie).
D.Z.
Lit.:Kock, K.: Das Watt. Rendsburg 61991. Maywald, A., Heers, K.-E.: Das Watt. Ravensburg 1991. Reineck, H.-E. (Hrsg.): Das Watt: Ablagerungs- und Lebensraum. Frankfurt a.M. 31982.
Watt
Bewohner und/oder ihre Spuren im Wattboden: 1 Wattwurm (Köderwurm), 2 Pygospiowurm, 3 Wattkrebs (Schlickkrebs), 4 Wattschnecke, 5 Pfeffermuschel, 6 Kotpillenwurm, 7 Herzmuschel, 8 Sandklaffmuschel, 9 Plattmuschel, 10 Seeringelwurm, 11 Bäumchenröhrenwurm, 12 Miesmuschel, 13 Strandschnecke
Watt
Abb. 2: Watten der schleswig-holsteinischen Nordseeküste
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