Lexikon der Chemie: Gensynthese
Gensynthese, die chem.-enzymatische Synthese biologisch aktiver Gene. Am Beginn der Syntheseplanung für ein synthetisches Gen stehen Überlegungen, die später die Klonierung in einem Klonierungsvektor und die Expression in einem entsprechenden Wirtsorganismus erleichtern. Von besonderer Bedeutung ist hierbei auch die Einplanung brauchbarer Schnittstellen für Restriktionsendonucleasen, die die spätere Klonierung erleichtern. Gleichermaßen wichtig sind Überlegungen zur möglichen Ausbildung von Sekundärstrukturen innerhalb oder auch zwischen den Oligonucleotiden, da diese die spätere Reassoziation der einzelnen Oligonucleotide zu größeren Genfragmenten erschweren können. Für die Synthese von DNA-Abschnitten bekannter Basensequenz, die die Information für andere Nucleinsäuren bzw. für Polypeptide und Proteine tragen, reichen die gegenwärtig bekannten rein chem. Verfahren der Oligonucleotidsynthese nicht aus. Erst durch die Einbeziehung verschiedener Enzyme für die Kettenverlängerung chem. dargestellter Oligo- und Polynucleotide gelang der synthetische Vorstoß in den Bereich der Strukturgene. Prinzipiell zeichnen sich zwei unterschiedliche Synthesestrategien ab:
1) DNA-Ligase-Verfahren. Grundlage dieser strategischen Variante ist die enzymkatalysierte Verknüpfung relativ kurzer chem. dargestellter Oligonucleotide (10 bis 15 Nucleotide) zu doppelsträngigen DNA-Segmenten. Die Nucleotidsequenzen der synthetischen Oligonucleotide müssen so konzipiert sein, daß sie der Gesamtheit der beiden zu synthetisierenden DNA-Stränge entsprechen. Ferner ist für die Doppelstranganordnung komplementärer Oligonucleotide eine Überlappung um jeweils 4 bis 5 Nucleotide erforderlich. Nach der enzymkatalysierten Phosphorylierung der 5'-Hydroxyfunktionen der Oligonucleotidsegmente durch die Oligonucleotidkinase erfolgt die Verknüpfung der 5'-Phosphatgruppe eines Segmentes mit der 3'-Hydroxygruppe eines zweiten Segmentes durch die DNA-T4-Ligase. Diese Strategie wurde bereits 1970 von Khorana und Mitarbeitern für die Synthese des Gens für die Alanin-tRNA aus Hefe angewandt, wobei die DNA-Sequenz, die sie synthetisierten, aus der Primärstruktur der Alanin-tRNA abgeleitet wurde. Diese G. stimulierte andere Arbeitsgruppen, sich mit der Synthese von Genen zu beschäftigen, die eine Gewinnung eukaryotischer Proteine ermöglichen. Als Beispiele sollen die Synthesen der Gene für Somatostatin, Angiotensin II, der beiden Insulinketten sowie des Interferons erwähnt werden. So wurde das Gen für das humane Leukocyten-Interferon ausgehend von 67 chem. synthetisierten Oligonucleotiden nach der beschriebenen Verfahrensweise aufgebaut. Das aus 517 Basenpaaren bestehende Produkt wies nur einen geringen Reinheitsgrad auf. Es konnte aber durch Klonierung angereichert und isoliert werden. Hier erkennt man sehr deutlich den Vorteil der Oligonucleotidsynthese gegenüber der Peptidsynthese, da selbst aus einem für einen Chemiker absolut unbrauchbaren Gemisch das sequentiell richtige Gensegment durch gentechnische Operationen selektioniert und durch Klonierung vermehrt werden kann.
2) DNA-Polymerase-Verfahren. Mit der zunehmenden Effektivität der Synthesetechniken von Oligo- und Polynucleotiden an polymeren Trägern (Oligonucleotidsynthese) lassen sich solche mit 30 bis 40 Nucleotiden (unter besten Bedingungen bis etwa 200 Basen) aufbauen, die dann in Form von 4 Segmenten durch komplementäre Basenpaarung so aneinandergelegt werden können, daß sich etwa 10 basenumfassende DNA-Duplexe ausbilden. Die DNA-Polymerase I (Klenow-Enzym) akzeptiert diese Oligonucleotidanordnung als Substrat und katalysiert in Anwesenheit der vier 5'-Nucleosidtriphosphate (dATP, dGTP, dCTP und dTTP) die Anheftung von Desoxyribonucleotid-Resten entsprechend der im synthetischen Matrizenstrang enthaltenen Information. Bei der als Autopriming bezeichneten Strategie werden längere Oligonucleotide eingesetzt, die an ihrem 3'-Ende stabile Haarnadelstrukturen ausbilden können. Diese dienen als Primer für die DNA-Polymerase-Reaktionen. Die für die Ligation mehrerer DNA-Fragmente benötigten Enden werden nach der Polymerisation durch Spaltung mit entsprechenden Restriktionsendonucleasen erzeugt. Es bedarf keiner weiteren Erläuterung, daß durch die enzymkatalysierte Auffüllreaktion diese Strategie ökonomischer ist als das DNA-Ligase-Verfahren und daß mit der weiteren Verbesserung der chem. Trägersynthese von Polynucleotiden gute Voraussetzungen für die Synthese längerer Gene, die für entsprechende Proteine codieren oder maßgeschneiderte Operatoren und Promotoren für den Regelteil eines Operons darstellen, bestehen. Die kombinierte biochem.-organische Synthesestrategie wird dazu beitragen, daß der zunehmende Bedarf an synthetischer DNA für die nähere Zukunft abgesichert werden kann.
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