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Lexikon der Chemie: oszillierende Reaktion

oszillierende Reaktion, eine Form des Ablaufs sehr komplexer chem. Reaktionen, bei denen die Reaktionsgeschwindigkeit periodische Schwankungen aufweist. Es handelt sich um einen Sonderfall dissipativer Strukturen. Voraussetzung für das Auftreten von Oszillationen ist eine große Entfernung vom Gleichgewicht und die Gültigkeit stark nichtlinearer Differentialgleichungen für die Kinetik der o. R. Die Nichtlinearität kann z. B. verursacht werden durch autokatalytische Teilschritte (Katalyse) oder rhythmische Passivierung der Elektroden bei elektrochem. Prozessen. Die Resultate von bestimmten Teilschritten (z. B. Änderungen von Zwischenproduktkonzentrationen) wirken zurück auf die Geschwindigkeitskonstanten oder Konzentrationen der dafür zuständigen kinetischen Zeitgesetze und beschleunigen oder verzögern dadurch den Reaktionsablauf (Rückkopplungseffekt).

Das am intensivsten untersuchte Beispiel einer o. R. in homogener Lösung ist die Bjelousow-Shabotinski-Reaktion (1958), d. i. die Oxidation von Malonsäure, Citronensäure oder ähnlichen organischen Verbindungen durch Bromat in schwefelsaurer Lösung und in Gegenwart von Cerium(IV)-Ionen:

2 BrO3- + 3 CH2(COOH)2 + 2 H+

2 BrCH(COOH)2 + 3 CO2 + 4 H2O.

Nach einer gewissen Induktionsperiode im Anschluß an die Herstellung der Reaktionsmischung treten regelmäßige Oszillationen auf, die mit Ferroin als Indikator am Farbwechsel (rot/blau) sichtbar gemacht werden können. Die Schwingungszeiten liegen je nach Temperatur und Zusammensetzung der Mischung im Sekunden- und Minutenbereich. Auch räumliche Strukturen können beobachtet werden.

Die Mechanismen der o. R. sind in der Regel bis heute nicht aufgeklärt, so daß man sich mit Modellen behelfen muß. Das einfachste Modell für eine Reaktion A → B stammt von Lotka (Lotka-Modell):

A + X → 2 X (1)

X + Y → 2 Y (2)

Y → B (3)

X und Y sind Zwischenstoffe, die Teilschritte (1) und (2) sind autokatalytische Reaktionen. Sie verursachen die Rückkopplung. In bestimmten Fällen ist es nicht möglich, die Zusammensetzung des Systems zu einem beliebigen Zeitpunkt mit Hilfe des Zeitgesetzes aus seinem Anfangszustand vorherzusagen. Anstelle periodischer Oszillationen variieren die Konzentrationen in solchen Systemen scheinbar zufällig; man spricht vom chemischen Chaos.

Neben Oszillationen treten in derartigen Systemen oft auch Bistabilitäten auf. Man versteht darunter die Existenz von zwei stabilen Reaktionszuständen (einer mit hoher, der andere mit niedriger Reaktionsgeschwindigkeit bzw. Intermediatkonzentration), die das System wahlweise annehmen kann. Durch eine Störung von außen (einen Reiz) kann der Übergang aus dem einen in den anderen Zustand ausgelöst werden. Bistabilitäten sind auch von technischen Reaktoren bekannt. Eine starke Analogie besteht zur Erregung von Nerven- und Muskelzellen.

  • Die Autoren
Dr. Andrea Acker, Leipzig
Prof. Dr. Heinrich Bremer, Berlin
Prof. Dr. Walter Dannecker, Hamburg
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Dr. Claus-Stefan Dreier, Hamburg
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Dr. Günter Kraus, Halle
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Prof. Dr. Rudolf Taube, Merseburg
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Dr. Martina Venschott, Hannover
Prof. Dr. Rainer Vulpius, Freiberg
Prof. Dr. Günther Wagner, Leipzig
Prof. Dr. Manfred Weißenfels, Dresden
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Prof. Dr. Otto Wienhaus, Tharandt

Fachkoordination:
Hans-Dieter Jakubke, Ruth Karcher

Redaktion:
Sabine Bartels, Ruth Karcher, Sonja Nagel


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