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Lexikon der Geographie: Nebel

Nebel, Sonderform einer Wolke, die dem Erdboden aufliegt. Gemäß der international gültigen Norm der Weltorganisation für Meteorologie liegt nur dann Nebel vor, wenn die in Augenhöhe gemessene horizontale Sichtweite 1 km unterschreitet. Bei Sichtweiten ab 1 km spricht man von feuchtem Dunst. Im operationellen Wetterdienstbetrieb wird die Sichtweite anhand von festen Sichtzielen durch einen Beobachter geschätzt. Ein objektiveres Maß bildet die Normsichtweite, die an ausgewählten Klimastationen (z.B. Flughäfen) mit optischen Impulsmessgeräten bestimmt wird. Die Extinktion der Nebeltröpfchen wird mit zwei verschiedenen Typen von Instrumenten ermittelt. Entweder erfolgt die Messung direkt mithilfe eines Transmissometers oder durch die Erfassung des gestreuten Lichtanteils mit einem Scatterometer. Bei beiden Geräten wird von einem Sender (z.B. Blitzlicht, Laser) ein periodisches Lichtsignal ausgesendet und das auf dem Weg zum Empfänger (z.B. Photodiode) durch die Nebeltröpfchen veränderte Signal abgetastet.
Um verschiedene Nebelarten sinnvoll abgrenzen zu können, haben sich neben einer Einteilung nach der Sichtweite drei weitere Systeme der Nebelklassifikation etabliert: a) Die mikrophysikalische Nebelklassifikation unterscheidet 3 Nebelarten hinsichtlich ihrer Substrateigenschaft. Wassernebel ist die hauptsächlich vorkommende Nebelform und besteht aus schwebenden Wassertröpfchen. Eisnebel ist in der Regel ein hoch polares Phänomen, er besteht aus feinsten Eiskristallen, überwiegend in Form von Prismen und hexagonalen Plättchen, und bildet sich ab Temperaturen <-39°C durch Sublimation. Bei Temperaturen zwischen -5 °C und -10°C enthält der Nebel sowohl Wassertröpfchen als auch Eiskristalle, überwiegend in Form von Eisnadeln oder Eisprismen. Aerosolnebel sind meist anthropogenen Ursprungs und bestehen aus trockenem Dunst, Staub oder Rauch. b) Bei der räumlichen Nebelklassifikation ist der Bezug zur Topographie entscheidend. Im Gegensatz zum Bodennebel bleiben bei Hochnebel sowie Hang- oder Wolkennebel die Tieflagen grundsätzlich nebelfrei. Bei Wolkennebel tauchen höhere Gebirge in vorüberziehende Wolken ein. c) Bei der genetischen Nebelklassifikation werden die Nebelarten nach ihrer Entstehung differenziert. Grundsätzlich unterscheidet man Nebel, die nur durch Abkühlung der Luft (z.B. Strahlungsnebel, orographischer Nebel) oder durch Abkühlung und Feuchtezufuhr (z.B. Seerauch, Meernebel) gebildet werden. Zusätzlich werden Industrienebel (z.B. künstliche Zuführung von Wasserdampf aus Kühltürmen) und Smog als anthropogene Sonderformen berücksichtigt.
Die Nebelbildung unterliegt grundsätzlich den gleichen Gesetzmäßigkeiten wie die Wolkenbildung. Neben Abkühlung der Luft und/oder Feuchtezufuhr bis zum Erreichen der für die Kondensation notwendigen Übersättigung muss eine ausreichende Verfügbarkeit von aktiven Kondensationskernen gewährleistet sein. Darüber hinaus können windschwache Wettersituationen für die Ausbildung einiger Nebelarten vorteilhaft sein. Bei nächtlicher Abkühlung der Luft durch langwellige Ausstrahlung bildet sich Strahlungsnebel. Bei Windstille und stark ausgekühltem Boden ergeben sich nur geringmächtige Bodennebelfelder mit einer Mächtigkeit von wenigen Metern, die typischerweise mit einer Bodeninversion gekoppelt sind ( Abb. 1). Erst durch zusätzliche Turbulenz (z.B. infolge von leichtem Wind) wird die Nebeldecke mächtiger. Die Abkühlung der Luft durch das Überströmen einer kalten Unterlage führt zu Advektionsnebel. Hier unterscheidet man die Arten a) Warmluftnebel, wenn warme Luft über kalten Boden streicht (in den Mittelbreiten, z.B. als Folge einer winterlichen Warmfront), b) Meernebel, wenn warme maritime Luft auf kalte Meeresströmungen trifft (im Bereich der subtropischen Westküsten, wo kaltes Auftriebswasser wirksam wird, z.B. der Humboldt-Strom an der Westküste Südamerikas mit der als Garua bezeichneten Nebeldecke) und c) Küstennebel, wenn warme maritime Luft über ausgekühlte Küstenregionen strömt (ein verbreitetes Phänomen an Küsten, die durch einen starken jahreszeitlichen Temperaturgradienten zwischen Land und Meer gekennzeichnet sind, z.B. Nordseeküste im Winter). Seerauch ist eine Sonderform des Advektionsnebels. Nebelbildung kann auch in Folge adiabatischer Abkühlung beim Aufsteigen an einem Berghang (orographischer Nebel), durch Luftversetzung gegen den tieferen Druck (isobarischer Nebel) sowie durch starken Druckabfall (isallobarischer Nebel) auftreten. Bei Abkühlung der Luft und gleichzeitiger Feuchtezufuhr bilden sich Seenebel, Flussnebel, Moornebel und Mischungsnebel.
Wenn sich ausgedehnte Nebelfelder bilden, sind häufig mehrere Klimafaktoren und Prozesse beteiligt. Ein typisches Beispiel für die komplexe Interaktion von Advektion, langwelliger Ausstrahlung und Topographie ist die Bildung von Talnebeln in den deutschen Mittelgebirgen, die bevorzugt in den Übergangsjahreszeiten während windschwacher Hochdruckwetterlagen zu beobachten ist ( Abb. 2). Im Berg- und Talwind-System kommt es in der Nacht im Bereich der Talachse zu einer Durchmischung der bodennahen Kaltluft mit der darüber liegenden wärmeren Talluft. Aufgrund der Mischungsvorgänge setzt im mittleren Talbereich Kondensation ein, sodass sich im oberen Bereich einer ausgeprägten Bodeninversion zuerst eine Dunstschicht ausbildet. In der Folge verlagert sich die Ausstrahlungsfläche vom Erdboden zur Dunstobergrenze, die sich im weiteren Verlauf der Nacht immer weiter abkühlt. Die Konsequenz ist eine kontinuierliche Verdichtung im oberen Bereich bis hin zur Nebelbildung sowie ein zum Talgrund gerichtetes Nebelwachstum. Neben den reinen Talnebeln bilden sich im Winterhalbjahr unter bestimmten Bedingungen ausgedehnte Nebelmeere in den Tieflagen ( Abb. 3). Grundlage bildet meist ein stabiles Hochdruckgebiet mit einer kräftigen Absinkinversion, die bis in die Grundschicht hinein wirksam ist. In der einstrahlungsarmen Jahreszeit können ausgedehnte Nebelmeere häufig nicht mehr thermisch aufgelöst werden und bleiben dann über mehrere Tage stabil.
Die Nebelauflösung wird durch drei Faktoren begünstigt: a) Erwärmung der Nebelschicht aufgrund Einstrahlung durch die Sonne, Warmluftadvektion oder Überströmen einer warmen Unterlage. Mit der Erwärmung der Nebelluft und der damit verbundenen Erhöhung des Sättigungsdampfdrucks geht die Verdunstung der Nebeltröpfchen einher. b) Entzug von Wasserdampf, z.B. durch Advektion trockenerer Luft, sowie c) hohe Windgeschwindigkeiten bei bestimmten Nebelarten wie z.B. Strahlungsnebel. Die Albedo des Nebels steigt mit zunehmender Schichtdicke und ansteigendem Flüssigwassergehalt, wodurch ein immer größerer Teil der potenziell verfügbaren Solarstrahlung reflektiert wird und die Nebelauflösung daher entsprechend länger dauert. Bei ausreichender Sonneneinstrahlung dominiert in den meisten Fällen die thermische Nebelauflösung. Für die Nebelauflösung spielen auch thermische Ausgleichszirkulationen (Ausgleichsströmung) eine bedeutende Rolle. Die nebelfreie Umgebung erwärmt sich am Tag stärker als die Nebelschicht, sodass sich ein Druckgefälle zwischen kalter Nebelluft (hoher Druck) und warmer Umgebung (tiefer Druck) aufbaut. Ab einem bestimmten Temperaturgradienten kommt es zum Ausfließen des Nebels in Form von sog. Nebelwellen.
Neuere Untersuchungen haben überdies ergeben, dass sich Nebel in größeren Agglomerationsräumen bevorzugt auflöst bzw. die Nebelbildung als solche bereits deutlich reduziert ist. Die Gründe sind eine verminderte Verfügbarkeit von Wasserdampf durch Bodenversiegelung sowie die winterlichen Wärmeinseln vor allem aufgrund von anthropogener Wärmeemission.
Nebel ist lufthygienisch oft kritisch zu bewerten. Besonders ausgedehnte Nebelmeere sind häufig durch eine stabile Inversion und damit einen erheblich reduzierten Luftaustausch in der Grundschicht gekennzeichnet. Löst sich der Nebel über Tage nicht mehr auf, können sich emittierte Luftschadstoffe über einen längeren Zeitraum innerhalb der Inversionsschicht konzentrieren, es bildet sich Wintersmog. Einige der Schadstoffe lösen sich im Nebelwasser und bilden dort aggressive Säuren. Steht das teils extrem saure Nebelwasser über längere Zeit in direktem Kontakt mit benetzten Oberflächen (feuchte Deposition), werden diese durch Korrosion nachhaltig geschädigt. Betroffen sind gleichermaßen Bauwerke, die Vegetation, aber auch die menschlichen Atmungsorgane.

JB

Lit: [1] BENDIX, J. (1998): Ein neuer Methodenverbund zur Erfassung der klimatologisch-lufthygienischen Situation von NRW. – Bonner Geogr. Abh. 98. [2] SACHWEH, M. (1992): Klimatologie winterlicher autochthoner Witterung im nördlichen Alpenvorland.- Münchener Geogr. Abh. A 45. [3] WANNER, H. (1979): Zur Bildung, Verteilung und Vorhersage winterlicher Nebel im Querschnitt Jura-Alpen. – Geographica Bernensia, G7.


Nebel 1: Nebel 1: Typisches Vertikalprofil von Temperatur und relativer Feuchte bei ausstrahlungsbedingtem Bodennebel.

Nebel 2: Nebel 2: Aufnahme des NOAA-12-Satelliten (AVHRR) vom 12.10.1994 (7:59 Uhr). Die Mittelgebirgstäler (z.B. Lahn und Mosel) sind mit Talnebeln gefüllt, während die Buchtlagen (z.B. Niederrheinische Bucht) weitgehend nebelfrei sind. Im Bereich von Frankfurt und dem Beginn des Oberrheingrabens finden sich vermehrt Dunstfelder.

Nebel 3: Nebel 3: Aufnahme des NOAA-14 Satelliten (AVHRR) vom 19.1.1996 (14:39 Uhr). Ausgedehnte Nebelmeere bedecken die meisten Tieflagen Mitteleuropas. Nur die Hochlagen überragen die Nebeldecke (A= Alpen, B=Böhmerwald, E=Erzgebirge, H= Harz, J = Schweizer Jura, P = Poebene, S = Schwarzwald, V = Vogesen).
  • Die Autoren

Redaktion:
Dipl.-Geogr. Christiane Martin (Leitung)
Dipl.-Geogr. Dorothee Bürkle
Dipl.-Geol. Manfred Eiblmaier

Fachkoordinatoren und Herausgeber:
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Grafik:
Mathias Niemeyer (Leitung)
Ulrike Lohoff-Erlenbach
Stephan Meyer

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