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Lexikon der Mathematik: orthogonale Polynome

ein System von polynomialen, u. U. noch nicht normierten Elementen eines vollständigen Orthonormalsystems eines Funktionen-Hilbertraumes.

Genauer gilt: Eine Familie von Polynomen {pn}n∈ℕ vom Grade grad pn = n heißt eine Familie von orthogonalen Polynomen auf dem Intervall [a, b] ⊂ ℝ bezüglich des Gewichtes w, w(x) ≥ 0, wenn \begin{eqnarray}\displaystyle \underset{a}{\overset{b}{\int }}\overline{{p}_{n}(x)}{p}_{m}(x)\,w(x)dx=0\,\,\,\text{f}\mathrm{\ddot{u}}\text{r}\,\,n\ne m.\end{eqnarray}

Das Gewicht sowie das Intervall bestimmen die Polynome bereits eindeutig bis auf einen konstanten Faktor.

Derartige Polynome bilden im Hilbertraum L2([a, b], w(x) dx), definiert durch das Skalarprodukt\begin{eqnarray}\langle f,g\rangle :=\displaystyle \underset{a}{\overset{b}{\int }}\overline{f(x)}g(x)\,w(x)dx,\end{eqnarray} ein vollständiges Orthogonalsystem, d.h., ein Element f dieses Raumes läßt sich durch diese Polynome beliebig gut in der Norm ‖f2 ≔ ⟨f,f⟩ approximieren.

Führt man die Bezeichnungen \begin{eqnarray}\begin{array}{rcl}{h}_{n} & := & {\Vert {p}_{n}\Vert }^{2}=\displaystyle \underset{a}{\overset{b}{\int }}\overline{{p}_{n}(x)}{p}_{n}(x)w(x)dx\\ {p}_{n}(x) & = & {k}_{n}{x}^{n}+{k}_{n}^{\prime}{x}^{n-1}+\cdots \end{array}\end{eqnarray} ein, so gelten für diese Polynome eine Reihe elementarer Relationen. Die Polynome erfüllen eine Differentialgleichung der Art \begin{eqnarray}{g}_{2}(x){p}_{n}^{\prime\prime}(x)+{g}_{1}(x){p}_{n}^{\prime}(x)+{a}_{n}{p}_{n}(x)=0,\end{eqnarray} wobei g2 und g1 von n unabhängige Funktionen und an eine von n abhängige Konstante ist. Es gelten ferner Rekursionsformeln der Art \begin{eqnarray}{p}_{n+1}(x)=({a}_{n}+x{b}_{n}){p}_{n}(x)-{c}_{n}{p}_{n-1}(x),\end{eqnarray} wobei die Konstanten an, bn und cn durch \begin{eqnarray}\begin{array}{lll}{b}_{n} & = & \displaystyle\frac{{k}_{n+1}}{{k}_{n}},\,\,{a}_{n}={b}_{n}\left(\displaystyle\frac{{k}_{n+1}^{\prime}}{{k}_{n+1}}-\displaystyle\frac{{k}_{n}^{\prime}}{{k}_{n}}\right),\\ {c}_{n} & = & \displaystyle\frac{{k}_{n+1}{k}_{n-1}{h}_{n}}{{k}_{n}^{2}{h}_{n-1}}\end{array}\end{eqnarray} gegeben sind.

Die Polynome lassen sich auch vermöge der Rodrigues-Formel \begin{eqnarray}{p}_{n}(x)=\frac{1}{{e}_{n}\cdot w(x)}\frac{{d}^{n}}{d{x}^{n}}(w(x)g{(x)}^{n})\end{eqnarray} durch eine geeignete erzeugende Funktion g berechnen, wobei dann der Normierungsfaktor en geeignet gewählt werden muß.

Betrachtet man z. B. den Hilbertraum L2([−1, +1], dx) mit dem Skalarprodukt\begin{eqnarray}\langle f,g\rangle :=\displaystyle \underset{-1}{\overset{+1}{\int }}\overline{f(x)}g(x)dx,\end{eqnarray} so sind die Legendre-PolynomePn bezüglich dieses Skalarproduktes orthogonale Polynome; es gilt \begin{eqnarray}\langle {P}_{n},{P}_{m}\rangle =\frac{2}{2m+1}{\delta }_{n,m}.\end{eqnarray}

Auf dem Hilbertraum \({L}^{2}({\mathbb{R}},{e}^{-{x}^{2}}dx)\) bilden die Hermite-Polynome orthogonale Polynome, sie werden u. a. in der Quantenmechanik zur Lösung des harmonischen Oszillators benutzt und sind Spezialfälle der parabolischen Zylinderfunktionen. Andere Anwendungen finden sich in der Statistik.

Abbildung 1 zum Lexikonartikel orthogonale Polynome
© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2017
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Tabelle 1: Orthogonale Polynome

Abbildung 2 zum Lexikonartikel orthogonale Polynome
© Springer-Verlag GmbH Deutschland 2017
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Tabelle 2: Explizite Darstellungen orthogonaler Polynome

Die Tschebyschew-Polynome \begin{eqnarray}{T}_{n}(x)=\cos (n\arccos (x))\end{eqnarray} sind definiert auf dem Intervall [−1, 1] durch die Gewichtsfunktion w(x) = (1 − x2)−1/2; sie spielen unter anderem bei bester punktweiser Approximation einer Funktion durch Polynome eine entscheidende Rolle.

Die Laguerre-Polynome auf [0, ∞) mit den Gewichten w(x) = e−x bzw. w(x) = xαe−x finden sich z. B. wieder in der Quantenmechanik zur Konstruktion von Lösungen des Wasserstoff-Atoms, ferner zur Beschreibung der Geschwindigkeitsverteilung in der kinetischen Gastheorie.

Für weitere Information über diese orthogonalen Polynome vergleiche man auch die jeweiligen Stichworteinträge. Weitere orthogonale Polynome findet man in Tabelle 1, explizite Entwicklungen in der Form \begin{eqnarray}{p}_{n}(x)={d}_{n}\displaystyle \sum _{m=0}^{N}{c}_{m}{g}_{m}(x)\end{eqnarray} in Tabelle 2.

[1] Abramowitz, M.; Stegun, I.A.: Handbook of Mathematical Functions. Dover Publications, 1972.
[2] Olver, F.W.J.: Asymptotics and Special Functions. Academic Press, 1974.

  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

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