Direkt zum Inhalt

Lexikon der Mathematik: parabolische Zylinderfunktion

Lösung der Differentialgleichung in z\begin{eqnarray}\frac{{d}^{2}w}{d{z}^{2}}+(A{z}^{2}+Bz+C)w=0\end{eqnarray} mit beliebigen komplexen Parametern A, B und C.

Durch elementare Substitution kann man diese Differentialgleichung immer in eine der folgenden Normalformen bringen: \begin{eqnarray}\begin{array}{ll}\displaystyle\frac{{d}^{2}w}{d{z}^{2}}-\left(\frac{1}{4}{z}^{2}+a\right)w=0\end{array}\end{eqnarray}\begin{eqnarray}\begin{array}{ll}\displaystyle\frac{{d}^{2}w}{d{z}^{2}}+\left(\frac{1}{4}{z}^{2}-a\right)w=0\end{array}\end{eqnarray}

Eine Lösung w(a, z) der obigen Differentialgleichung wird zusätzlich durch die Substitution \begin{eqnarray}z\to z{e}^{i\pi /4},\,\,\,\,a\to -ia\end{eqnarray} in eine Lösung der zweiten Differentialgleichung überführt, d. h. w(−ia, ze/4) ist damit schon eine Lösung der zweiten Gleichung. Man würde also auch mit einer Normalform auskommen, sucht jedoch in der Praxis häufig reelle Lösungen einer reellen Variablen und vermeidet es, die Lösungen in der ganzen komplexen Ebene zu betrachten.

Die Symmetrie der Parabel drückt sich auch in den Eigenschaften der Lösungen von (1) und (2) aus. Ist nämlich w(a, z) Lösung einer dieser Differentialgleichung, so sind auch \begin{eqnarray}w(a,-z),\,\,\,\,w(-a,iz)\,\,\,\,w(-a,-iz)\end{eqnarray}

Lösungen derselben Differentialgleichung. Man erhält auf diese Weise für fast alle Werte von a zwei linear unabhängige Lösungen durch Punktspiegelung am Ursprung.

Die parabolische Differentialgleichung ist auch in der theoretischen Physik von Interesse. Sie stellt gerade die stationäre Schrödingergleichung eines Quantenteilchens in einem parabolischen Potential dar, ist also die quantenmechanische Version des harmonischen Oszillators. Fordert man von den Lösungen – aus physikalischen Gründen – L2(ℝ)-Integrierbarkeit, so schränkt dies die Wahl des Parameters a auf die Werte \begin{eqnarray}a=-n-\frac{1}{2},\,\,\,n\in {{\mathbb{N}}}_{0},\end{eqnarray} ein, und die parabolischen Zylinderfunktionen degenerieren bis auf einen Vorfaktor \({e}^{-{z}^{2}/4}\) zu Polynomen in z, den Hermite-Polynomen. Nur in diesem Falle kann man die zweite linear unabhängige Lösung nicht einfach durch Spiegelung gewinnen, da die Hermite-Polynome entweder gerade oder ungerade Funktionen von z sind.

Für den Fall eines beliebigen Parameters a stellen sich die parabolischen Zylinderfunktionen in der konfluenten hypergeometrischen FunktionM = 1F1 dar. Zwei linear unabhängige Lösungen der Normalform (1) sind gegeben durch \begin{eqnarray}\begin{array}{lll}{w}_{1}(a,z) & = & {e}^{-{z}^{2}/4}M\left(\displaystyle\frac{a}{2}+\frac{1}{4},\frac{1}{2},\frac{{z}^{2}}{2}\right)\\ & = & {e}^{{z}^{2}/4}M\left(\displaystyle-\frac{a}{2}+\frac{1}{4},\frac{1}{2},-\frac{{z}^{2}}{2}\right)\\ {w}_{2}(a,z) & = & {e}^{-{z}^{2}/4}M\left(\displaystyle\frac{a}{2}+\frac{3}{4},\frac{3}{2},\frac{{z}^{2}}{2}\right)\\ & = & {e}^{{z}^{2}/4}M\left(\displaystyle-\frac{a}{2}+\frac{3}{4},\frac{3}{2},-\frac{{z}^{2}}{2}\right)\end{array}\end{eqnarray}

Lösungen der Normalform (2) erhält man dann durch die Substitution a → −ia und zze/4.

Unter Verwendung der Differentialgleichung kann man nun die folgenden Rekursionsformeln beweisen: begin{eqnarray}\begin{array}{lll}{w}_{1}^{\prime}(a,z)+\displaystyle\frac{z}{2}{w}_{1}(a,z) & = & \left(a+ \displaystyle\frac{1}{2}\right){w}_{2}(a+1,z)\\ {w}_{1}^{\prime}(a,z)-\displaystyle\frac{z}{2}{w}_{1}(a,z) & = & \left(a-\displaystyle\frac{1}{2}\right){w}_{2}(a-1,z)\\ {w}_{2}^{\prime}(a,z)+\displaystyle\frac{z}{2}{w}_{2}(a,z) & = & {w}_{1}(a+1,z)\\ {w}_{2}^{\prime}(a,z)-\displaystyle\frac{z}{2}{w}_{2}(a,z) & = & {w}_{1}(a-1,z)\end{array}\end{eqnarray}

Mitunter wählt man statt w1 und w2 auch einen anderen Satz linear unabhängiger Lösungen, nämlich die Funktionen U und V, gegeben durch \begin{eqnarray}\begin{array}{l}\left(\begin{array}{c}U(a,z)\\ {\rm{\Gamma }}(\frac{1}{2}-a)V(a,z)\end{array}\right)=\\ \frac{1}{\sqrt{\pi }}\left(\begin{array}{ll}\cos \vartheta & -\sin \vartheta \\ \sin \vartheta & \cos \vartheta \end{array}\right)\left(\begin{array}{l}\frac{{\rm{\Gamma }}(\frac{1}{4}-\frac{a}{2})}{{2}^{\frac{a}{2}+\frac{1}{4}}}{w}_{1}(a,z)\\ \frac{{\rm{\Gamma }}(\frac{3}{4}-\frac{a}{2})}{{2}^{\frac{a}{2}-\frac{1}{4}}}{w}_{2}(a,z)\end{array}\right),\\ \text{wobei}\,\vartheta =\pi \left(\frac{1}{4}+\frac{a}{2}\right).\end{array}\end{eqnarray}

Die Funktion U ist auch unter dem Namen Whittaker-Funktion geläufig. Man verwendet für sie unter diesem Namen noch die Notation \begin{eqnarray}{D}_{-a-1/2}(z):=U(a,z).\end{eqnarray}

Für den Fall \(a+\frac{1}{2}\notin -{{\mathbb{N}}}_{0}\) erhält man V sogar einfach durch eine Linearkombination der Funktion U und der gespiegelten Funktion: \begin{eqnarray}V(a,z)=\frac{{\rm{\Gamma }}(\frac{1}{2}+a)}{\pi }(U(a,z)\,\sin (\pi a)+U(a,-z)).\end{eqnarray}

Im Falle \(a+\frac{1}{2}=-n\in -{{\mathbb{N}}}_{0}\) ist U gerade eine Hermitefunktion \begin{eqnarray}\begin{array}{rll}U(-n-\displaystyle\frac{1}{2},z) & = & {2}^{-n/2}{e}^{-{x}^{2}/4}{H}_{n}(x/\sqrt{2}),\\ V(n+\displaystyle\frac{1}{2},z) & = & {2}^{-n/2}{e}^{{x}^{2}/4}{(-i)}^{n}{H}_{n}(ix/\sqrt{2}),\end{array}\end{eqnarray} die entweder gerade oder ungerade ist, sodaß sich auf diese Weise keine linear unabhängige Funktion gewinnen läßt. Die Gamma-Funktion im Vorfaktor divergiert gerade an diesen Stellen.

Die Werte von U, V und deren Ableitung am Ursprung sind: \begin{eqnarray}\begin{array}{rll}U(a,0) & = & \displaystyle{\frac{\sqrt{\pi }}{{2}^{\frac{a}{2}+\frac{1}{4}}{\rm{\Gamma }}\left(\frac{1}{4}+\frac{a}{2}\right)}}\\ {U}^{\prime}(a,0) & = & -\displaystyle\frac{\sqrt{\pi }}{{2}^{\frac{a}{2}-\frac{1}{2}}{\rm{\Gamma }}\left(\frac{1}{4}+\frac{a}{2}\right)}\\ V(a,0) & = & \displaystyle \frac{{2}^{\frac{a}{2}+\frac{1}{4}}\sin \pi \left(\frac{3}{4}-\frac{a}{2}\right)}{{\rm{\Gamma }}\left(\frac{3}{4}-\frac{a}{2}\right)}\\ {V}^{\prime}(a,0) & = & \displaystyle\frac{{2}^{\frac{a}{2}+\frac{3}{4}}\sin \pi \left(\frac{1}{4}-\frac{a}{2}\right)}{{\rm{\Gamma }}\left(\frac{1}{4}-\frac{a}{2}\right)}\end{array}\end{eqnarray}

Die Wronski-Determinante der Lösungen U und V ist gegeben durch \begin{eqnarray}{\mathcal{W}}(U(a,\cdot ),\,V(a,\cdot ))=\sqrt{\frac{2}{\pi }}.\end{eqnarray}

Die Lösungen U und V sind so definiert, daß für z = x ∈ ℝ, z >> |a| die folgenden asymptotischen Reihen gelten: \begin{eqnarray}U(a,x)\sim {e}^{-{x}^{2}/4}{x}^{-a-1/2}\left(1-\frac{\left(a+\frac{1}{2}\right)\left(a+\frac{3}{2}\right)}{2{x}^{2}}+\\ +\frac{\left(a+\frac{1}{2}\right)\left(a+\frac{3}{2}\right)\left(a+\frac{5}{2}\right)\left(a+\frac{7}{2}\right)}{2\cdot 4{x}^{2}}+\ldots \right)\\ V(a,x)\sim \sqrt{\frac{2}{\pi }}{e}^{-{x}^{2}/4}{x}^{-a-1/2}\left(1+\frac{\left(a-\frac{1}{2}\right)\left(a-\frac{3}{2}\right)}{2{x}^{2}}+\\ +\frac{\left(a-\frac{1}{2}\right)\left(a-\frac{3}{2}\right)\left(a-\frac{5}{2}\right)\left(a-\frac{7}{2}\right)}{2\cdot 4{x}^{2}}+\ldots \right)\end{eqnarray}

Insbesondere ist also immer UL2(ℝ+).

Es gilt ferner die folgende Integraldarstellung für U als ein Hankelsches Schleifenintegral, vorausgesetzt, daß \(a+\frac{1}{2}\) nicht in ℕ ist: \begin{eqnarray}U(a,z)=\frac{{\rm{\Gamma }}(\frac{1}{2}-a)}{2\pi i}{e}^{-{z}^{2}/4}\displaystyle \underset{-\infty }{\overset{(0+)}{\int }}{e}^{zs-{s}^{2}/2}{s}^{a-1/2}ds\end{eqnarray}

Der Integrationspfad startet dabei bei −∞ auf der negativen reellen Achse, umrundet den Ursprung im mathematisch positiven Sinne und kehrt auf gleichem Wege nach −∞ zurück.

Für die zweite Normalform ist ein anderer Satz von linear unabhängiger Lösungen gebräuchlich, nämlich die Funktionen \begin{eqnarray}\begin{array}{l}W(a,\pm z):=\displaystyle\frac{{(\cosh \pi a)}^{1/4}}{2\sqrt{\pi }}\\ |{\rm{\Gamma }}\left(\frac{1}{4}+\frac{i}{2}a\right)|{w}_{1}(a,z)\mp |{\rm{\Gamma }}\left(\frac{3}{4}+\frac{i}{2}a\right)|{w}_{2}(a,z),\end{array}\end{eqnarray} wobei schon W(a, z) und W(a, −z) linear unabhängig sind, es ist nämlich durch die Wahl der Vorfaktoren \({\mathcal{W}}\text{(}W(a,\,z),\,W(a,\,-z)\text{)}\,\text{=}\,\text{1}\), sowie die (selbst für reelle z komplexen) Lösungen E und E*, definiert durch \begin{eqnarray}\begin{array}{rll}E(a,z) & := & {k}^{-1/2}W(a,z)+i{k}^{1/2}W(a,-z)\\ {E}^{* }(a,z) & := & {k}^{-1/2}W(a,z)-i{k}^{1/2}W(a,-z)\\ \text{mit} & & k:=\sqrt{1+{e}^{2\pi a}}-{e}^{\pi a},\end{array}\end{eqnarray} womit dann \({\mathcal{W}}\text{(}E(a,\,\,\cdot ),\,E^*(a,\,\,\cdot )\text{)}\,\text{=}\,-2i\).

[1] Abramowitz, M.; Stegun, I.A.: Handbook of Mathematical Functions. Dover Publications, 1972.
[2] Buchholz, H.: Die konfluente hypergeometrische Funktion. Springer-Verlag, 1953.

  • Die Autoren
- Prof. Dr. Guido Walz

Schreiben Sie uns!

Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

Partnerinhalte

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.