Lexikon der Neurowissenschaft: Chiasma opticum
Chiasma opticum s [von griech. chiasma = Überkreuzstellung, optikos = das Sehen betreffend], Sehnervkreuzung, E optic chiasm, an der Basis des Diencephalons vor der Hypophyse liegende vollständige oder teilweise Kreuzung der beiden von den Augen kommenden Sehbahnen; bildet den Übergang vom Sehnerv (Opticus) zum Sehstrang. Im Chiasma opticum kreuzt der aus der nasalen Netzhaut stammende Teil der Fasern aus jedem Sehnerv, so daß im Sehstrang jeweils die nasalen Fasern des gegenüberliegenden Auges und die temporalen Fasern des gleichseitigen Auges verlaufen ( siehe Abb. ). Das führt dazu, daß auf einer Seite des Gehirns (Großhirnhemisphäre) die jeweils gegenüberliegenden Hälften des Gesichtsfelds aus beiden Augen gemeinsam repräsentiert sind. So können die beidäugigen Bilder derselben Sehobjekte lokal verrechnet werden (binokulares Sehen, Entfernungssehen). Bei niederen Wirbeltieren kreuzen alle Fasern zur Gegenseite, beim Menschen ist es nur rund die Hälfte der Fasern aus jedem Sehnerv ( siehe Zusatzinfo ). Nach dem Chiasma opticum innervieren die optischen Fasern das subcorticale Sehsystem, vor allem das Corpus geniculatum laterale auf dem Weg zum primären visuellen Cortex, die prätectale Region (Prätectum) und die Colliculi superiores.
Chiasma opticum
Sehnervenkreuzung (schematisch)
Chiasma opticum
Bei den niederen Wirbeltieren wie z.B. dem Frosch ist die Sehnervkreuzung vollständig, und die kompletten, monokularen Gesichtsfelder jedes einzelnen Auges werden in der gegenüberliegenden Gehirnhälfte weiterverarbeitet. Bei den Säugetieren kreuzt dagegen nur noch ein Teil der Nervenfasern. Dies hat wohl damit zu tun, daß die Augen dieser Spezies unterschiedlich weit nach vorne gerichtet sind, so daß jedes Auge auch visuelle Reize jenseits der Mittelachse des Kopfes auffangen kann, und folglich ein zunehmender Teil visueller Ereignisse über beide Augen gleichzeitig wahrgenommen wird. In dem Maße nun, wie sich die Gesichtsfelder der beiden Augen überlappen, bleiben im Chiasma opticum die Axone der temporal gelegenen Ganglienzellen der Netzhaut ungekreuzt, während die nasal liegenden Ganglienzellen kreuzen. Bei der Ratte kreuzen im Chiasma opticum 90% der Axone, bei der Katze 60%, beim Menschen, der ein fast vollständig binokulares Gesichtsfeld hat, nur noch gut 50%.
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