Lexikon der Neurowissenschaft: Wille
Wille,Ewill, der bewußte mentale Akt, im Gegensatz zu Trieb, Drang, Reaktion und Reflex, durch den ein Ziel, ein (als solcher erkannter oder gesetzter) Wert oder eine beabsichtigte Aktion bejaht oder erstrebt wird. Ob der Wille sich durchsetzt, hängt nicht nur von widerstrebenden bzw. gegenläufigen Motiven und Antrieben ab (Bereitschaft), sondern auch von den äußeren Umständen. Der Wille kann sich auch auf etwas beziehen, das nicht anwesend ist, wobei der Möglichkeitsspielraum durch die Vergegenwärtigungsfunktion der Sprache enorm gesteigert wird. Ein Willensakt schließt ein: eine Situationsinterpretation (Berücksichtigung von Bedürfnissen, Interessen, Tatsachen, Normen, Werten, möglichen Handlungsfolgen), das Abwägen der Handlungsalternativen, das Wählen des Handlungsziels und des zweckmäßigen Vorgehens und den Entschluß zum Handlungsbeginn. Ein Willensakt ist eine aktive Absicht (Intention), die im Regelfall vor der Handlungsauslösung und mit dieser vorkommt bzw. diese mit auslöst und die Bewegungen repräsentiert, während inaktive Absichten den Handlungen im Regelfall vorausgehen und mit anderen Überzeugungen einhergehen als eine aktive Absicht. – Der Wille ist ein Grundbegriff der Handlungstheorie und Ethik (Ethische Probleme in der Neurowissenschaft). Im übertragenen Sinn wird auch vom Willen von Gruppen, Gesellschaften oder der ganzen Menschheit gesprochen; z.B. unterscheidet J.J. Rousseau zwischen dem empirisch feststellbaren Willen aller ("Volonté de tous") und dem als verallgemeinerungsfähig verstandenen allgemeinen Willen ("Volonté générale"). Umstritten sind in der Philosophie seit langem das Problem der Willensfreiheit sowie die Bestimmung des Verhältnisses von Vernunft und dem häufig als irrationale psychische Instanz vergegenständlicht gedachten Willen (Affekt, Emotionen). Wird der Vernunft die Vorherrschaft eingeräumt, spricht man von Intellektualismus (z.B. bei Sokrates, T. von Aquin, I. Kant, G.W.F. Hegel), im umgekehrten Fall von Voluntarismus (z.B. bei J.D. Scotus, A. Schopenhauer, F. Nietzsche). Im Behaviorismus wurde der Willensbegriff als nicht sinnvoll oder empirisch unbestimmbar vermieden, auch in der kognitiven Psychologie meist ignoriert, hat aber jüngst unter dem Begriff der Motivation wieder eine wachsende Bedeutung erlangt.
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