Klimapolitik: Am Scheideweg
Kaum ein seriöser Wissenschaftler bezweifelt mehr den Klimawandel und seine menschengemachten Ursachen. Die Politiker gehen zunehmend darauf ein - zumindest in ihren Sonntagsreden. Praktisch ändert sich aber nur selten etwas, und so steigen die Emissionen fröhlich weiter, was uns bald teuer zu stehen kommen könnte.
Vielleicht gehen einmal die 1990er Jahre in die Chroniken der Erde als jene Zeit ein, in der die Menschheit dem Klima eine kurze Atempause bescherte. Während des vergangenen Jahrzehnts sanken weltweit die gesamten Emissionen von Kohlendioxid, Methan, FCKW und anderen treibhausrelevanten Gasen um 5,6 Prozent. Zu "verdanken" hatte dies der Planet und die Weltgemeinschaft allerdings nicht effektiven Sparmaßnahmen, sondern dem Zusammenbruch des Ostblocks, wie Zahlen des Klima-Rahmensekretariats der Vereinten Nationen (UNFCCC) darlegen [1]. Das Ende der sozialistischen Planwirtschaft ließ von Ostdeutschland bis Russland reihenweise ineffiziente Schwerindustrien Pleite gehen, die vorher wahre Dreckschleudern waren.
Ihr Verschwinden zusammen mit wirksameren Kraftwerksneubauten, verbesserter Wärmedämmung in Wohnhäusern und generell niedriger Industrieproduktion senkten den Ausstoß von Klimagasen beispielsweise in Russland um 32 Prozent, in Estland, der Ukraine und Lettland um mehr als 50 und in Litauen sogar um mehr als 60 Prozent. Auch Deutschland profitierte von dieser Art der Luftreinhaltung, denn die zwischen 1990 und 2004 um insgesamt 17,2 Prozent verminderten Emissionen gehen vor allem auf die Umwälzungen in Ostdeutschland zurück. Damit kommt die Bundesrepublik ihrem im Rahmen des Kyoto-Protokolls selbstgesteckten Ziel nahe, bis 2012 ihre Schadstofffrachten um mehr als ein Fünftel im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken. Ähnlich erfolgreich können sich unter den großen Industrienationen nur noch Großbritannien (minus 14,3 Prozent), Schweden (minus 3,5 Prozent) und mit deutlichen Abstrichen Frankreich (minus 0,8 Prozent) brüsten.
Wie das UNFCC jedoch weiter enthüllt, sind diese Tendenzen mitunter trügerisch. Denn seit dem Start des neuen Jahrtausends steigen die Emissionen wieder – und zwar weltweit zum Teil kräftig und nur mit sehr wenigen Ausnahmen. Im Zeitraum von 2000 bis 2004 nahmen die Luftschadstoffe in 41 Industrienationen wieder um 2,4 Prozent zu, ohne dass darin schon die aufstrebenden Schwellenländer China, Indien, Brasilien oder Südafrika berücksichtigt sind, deren boomende Wirtschaft und zunehmender Wohlstand breiterer Bevölkerungsschichten den Anstieg der Kohlendioxidwerte zusätzlich anschürt. Auch im Osten Europas nimmt die Ökonomie wieder Fahrt auf, was Rumänien, Bulgarien, Ungarn oder Russland seit der Jahrtausendwende wieder deutliche Emissionszuwächse beschert.
Nur kurze Atempause?
Während den meisten der ehemals sozialistischen Staaten dies jedoch vom Kyoto-Abkommen wegen des wirtschaftlichen Nachholbedarfs zugebilligt wird, sollten Länder wie Österreich, Japan oder Italien bestimmte Reduktionsziele erfüllen. Das Gegenteil ist der Fall: Während sich zum Beispiel in der Alpenrepublik bis 2012 acht Prozent weniger Treibhausgase in die Atmosphäre veflüchtigen sollten, standen Ende 2004 mehr als zwölf Prozent Plus auf dem Konto. Dennoch verlangsamten sich in den westlichen Industrieländern die Zuwachsraten im Vergleich zum letzten Jahrzehnt, sodass sich offenbar Wirtschafts- und Emissionenwachstum weiter entkoppeln. Besonders erfolgreich auf diesem Gebiet ist Island, das dank vorteilhafter geotektonischer Ausstattung die ohnehin geringen Werte um mehr als ein weiteres Zehntel senken konnte: Das Land setzt auf CO2-freie Energie aus Geothermalquellen.
Auch Deutschland (minus 0,7) und Großbritannien (minus 1 Prozent) werden laut den Daten weiterhin ihrer Musterknabenrolle gerecht, doch spiegeln auch hier die deutlich niedrigeren Rückgangsraten den wirtschaftlichen Aufschwung wider. Am meisten Sorge bereitet den Experten dabei der Verkehrssektor, der im Gegensatz zu Industrie und den verschiedenen Formen der Energieerzeugung weiter ungebremst expandiert. Speziell die Luftfahrt und der Autoverkehr legen überproportional stark zu und tragen in immer größerem Umfang zum Klimawandel bei. Alle Effizienzsteigerungen der Motoren werden vom Trend zu häufigeren Fahrten und größeren Limousinen aufgefressen – gerade in den USA, dem größtem Energieverbraucher weltweit, der sich ohnehin dem Kyoto-Protokoll verweigert und ein Viertel des globalen Schadtsoffausstoßes verantwortet.
Um aber den sich bereits in vollem Gange befindlichen Klimawandel – belegt durch unzählige Beispiele wie schmelzende Gletscher, steigende Temperaturen oder wandernde Tier- und Pflanzenarten – überhaupt noch in verträglichem Rahmen zu halten, müssten die Emissionen bis 2050 weltweit auf ein Viertel des heutigen Werts sinken. Ansonsten drohen bei Temperaturanstiegen von bis zu 5 Grad Celsius nicht nur große ökologische Schäden, sondern auch immense volkswirtschaftliche Kosten, wie eine Studie unter Leitung des früheren Weltbank-Chefökonomen und heutigen Beraters der britischen Regierung, Nicholas Stern, warnt [2]. Um bis zu zwanzig Prozent könnte die Wirtschaft weltweit schrumpfen, müssten alle Kosten und Risiken durch die klimatischen Veränderungen gedeckt werden – ein Verlust, der von Stern mit der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre verglichen wird. Der britische Premier Tony Blair bezeichnet den Bericht daher gegenüber der englischen Zeitung The Sun als "den wichtigsten Report, den ich je während meiner Amtszeit bekommen habe".
Weltwirtschaftskrise wie seit 1930 nicht mehr?
Werde nichts unternommen, so Stern, könnten bis zu 100 Millionen Menschen durch den steigenden Meeresspiegel aus ihrer Heimat vertrieben werden, sinkende Wasservorräte durch schmelzende Gletscher in den Anden oder im Himalaja beträfen ein Sechstel der Weltbevölkerung und häufigere Dürren bedrohten ebenfalls große Bevölkerungsgruppen etwa in Nordchina, Teilen Indiens, im Nordosten Brasiliens und sogar im Süden Europas. Zusätzlich stünden bis zu vierzig Prozent der Pflanzen- und Tierarten vor dem globalen Exitus, da sie mit den veränderten ökologischen Bedingungen und dem zusätzlichen Bevölkerungsdruck der Menschen nicht zurechtkämen.
Stern kalkuliert jedoch, dass bereits ein Prozent des jährlichen Bruttosozialprodukts der Weltgemeinschaft ausreichen würde, um geeignete Gegenmaßnahmen einzuleiten. Ziel müsse es jedoch vor allem sein, Staaten wie die USA, Indien oder China endlich in das Kyoto-Protokoll oder ähnlich geartete Abkommen zu bringen, denn ohne Mitarbeit dieser Länder seien alle Bemühungen zum Scheitern verurteilt. Neben technischen Lösungen gelte es zudem weltweit die Wälder zu schützen, da durch ihre Brandrodung CO2 freigesetzt wird und sie nach Umwandlung als entsprechende Kohlenstoff-Senke ausfallen – Nationen wie Brasilien, Costa Rica und Papua-Neuguinea wollen zumindest dazu demnächst auch für sie finanziell lukrative Vorschläge machen.
In den Vereinigten Staaten scheint sich dagegen wenigstens auf bundesstaatlicher Ebene ein Umdenken durchzusetzen, wie verschiedene, teils drastische gesetzliche Bestimmungen durch den kalifornischen Gouverneur Arnold Schwarzenegger andeuten. Bis spätestens 2020 sollen in Kalifornien die Emissionen auf den Stand von 1990 zurückgefahren worden sein. Gleichzeitig wird ein gemeinsamer Emissionshandel mit einigen Ostküstenstaaten angestrebt, der später mit jenem der Europäischen Union verknüpft werden könnte. An der Spitze des Landes ist dieser Prozess allerdings noch nicht angekommen: Gerade einmal drei Milliarden Dollar investiert Washington jährlich in die Energieforschung, wie die New York Times zu berichten weiß – vor 25 Jahren war es doppelt so viel.
Immerhin sicherte George W. Bush zu, dass diese Summe im nächsten Jahr auf 4,2 Milliarden Dollar steigen solle – im Vergleich dazu erhält die medizinische Forschung 28 Milliarden und die militärische 75 Milliarden Dollar, was einer Steigerung um 260 Prozent seit 1979 entspricht. Der amerikanische Präsident verteidigt übrigens seine zurückhaltende Politik gegenüber effizienten Energiesparmaßnahmen zudem stets mit dem Argument, da ließe sich nichts Einschneidendes unternehmen, denn es würde nur der amerikanischen Industrie schaden. Laut Nicholas Stern wiederum könnten gezielte Investitionen in den Klimaschutz der Weltwirtschaft sogar helfen: in Form eines Profits von 2,5 Billionen Dollar bis 2050.
Ihr Verschwinden zusammen mit wirksameren Kraftwerksneubauten, verbesserter Wärmedämmung in Wohnhäusern und generell niedriger Industrieproduktion senkten den Ausstoß von Klimagasen beispielsweise in Russland um 32 Prozent, in Estland, der Ukraine und Lettland um mehr als 50 und in Litauen sogar um mehr als 60 Prozent. Auch Deutschland profitierte von dieser Art der Luftreinhaltung, denn die zwischen 1990 und 2004 um insgesamt 17,2 Prozent verminderten Emissionen gehen vor allem auf die Umwälzungen in Ostdeutschland zurück. Damit kommt die Bundesrepublik ihrem im Rahmen des Kyoto-Protokolls selbstgesteckten Ziel nahe, bis 2012 ihre Schadstofffrachten um mehr als ein Fünftel im Vergleich zum Jahr 1990 zu senken. Ähnlich erfolgreich können sich unter den großen Industrienationen nur noch Großbritannien (minus 14,3 Prozent), Schweden (minus 3,5 Prozent) und mit deutlichen Abstrichen Frankreich (minus 0,8 Prozent) brüsten.
Wie das UNFCC jedoch weiter enthüllt, sind diese Tendenzen mitunter trügerisch. Denn seit dem Start des neuen Jahrtausends steigen die Emissionen wieder – und zwar weltweit zum Teil kräftig und nur mit sehr wenigen Ausnahmen. Im Zeitraum von 2000 bis 2004 nahmen die Luftschadstoffe in 41 Industrienationen wieder um 2,4 Prozent zu, ohne dass darin schon die aufstrebenden Schwellenländer China, Indien, Brasilien oder Südafrika berücksichtigt sind, deren boomende Wirtschaft und zunehmender Wohlstand breiterer Bevölkerungsschichten den Anstieg der Kohlendioxidwerte zusätzlich anschürt. Auch im Osten Europas nimmt die Ökonomie wieder Fahrt auf, was Rumänien, Bulgarien, Ungarn oder Russland seit der Jahrtausendwende wieder deutliche Emissionszuwächse beschert.
Nur kurze Atempause?
Während den meisten der ehemals sozialistischen Staaten dies jedoch vom Kyoto-Abkommen wegen des wirtschaftlichen Nachholbedarfs zugebilligt wird, sollten Länder wie Österreich, Japan oder Italien bestimmte Reduktionsziele erfüllen. Das Gegenteil ist der Fall: Während sich zum Beispiel in der Alpenrepublik bis 2012 acht Prozent weniger Treibhausgase in die Atmosphäre veflüchtigen sollten, standen Ende 2004 mehr als zwölf Prozent Plus auf dem Konto. Dennoch verlangsamten sich in den westlichen Industrieländern die Zuwachsraten im Vergleich zum letzten Jahrzehnt, sodass sich offenbar Wirtschafts- und Emissionenwachstum weiter entkoppeln. Besonders erfolgreich auf diesem Gebiet ist Island, das dank vorteilhafter geotektonischer Ausstattung die ohnehin geringen Werte um mehr als ein weiteres Zehntel senken konnte: Das Land setzt auf CO2-freie Energie aus Geothermalquellen.
Auch Deutschland (minus 0,7) und Großbritannien (minus 1 Prozent) werden laut den Daten weiterhin ihrer Musterknabenrolle gerecht, doch spiegeln auch hier die deutlich niedrigeren Rückgangsraten den wirtschaftlichen Aufschwung wider. Am meisten Sorge bereitet den Experten dabei der Verkehrssektor, der im Gegensatz zu Industrie und den verschiedenen Formen der Energieerzeugung weiter ungebremst expandiert. Speziell die Luftfahrt und der Autoverkehr legen überproportional stark zu und tragen in immer größerem Umfang zum Klimawandel bei. Alle Effizienzsteigerungen der Motoren werden vom Trend zu häufigeren Fahrten und größeren Limousinen aufgefressen – gerade in den USA, dem größtem Energieverbraucher weltweit, der sich ohnehin dem Kyoto-Protokoll verweigert und ein Viertel des globalen Schadtsoffausstoßes verantwortet.
Um aber den sich bereits in vollem Gange befindlichen Klimawandel – belegt durch unzählige Beispiele wie schmelzende Gletscher, steigende Temperaturen oder wandernde Tier- und Pflanzenarten – überhaupt noch in verträglichem Rahmen zu halten, müssten die Emissionen bis 2050 weltweit auf ein Viertel des heutigen Werts sinken. Ansonsten drohen bei Temperaturanstiegen von bis zu 5 Grad Celsius nicht nur große ökologische Schäden, sondern auch immense volkswirtschaftliche Kosten, wie eine Studie unter Leitung des früheren Weltbank-Chefökonomen und heutigen Beraters der britischen Regierung, Nicholas Stern, warnt [2]. Um bis zu zwanzig Prozent könnte die Wirtschaft weltweit schrumpfen, müssten alle Kosten und Risiken durch die klimatischen Veränderungen gedeckt werden – ein Verlust, der von Stern mit der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre verglichen wird. Der britische Premier Tony Blair bezeichnet den Bericht daher gegenüber der englischen Zeitung The Sun als "den wichtigsten Report, den ich je während meiner Amtszeit bekommen habe".
Weltwirtschaftskrise wie seit 1930 nicht mehr?
Werde nichts unternommen, so Stern, könnten bis zu 100 Millionen Menschen durch den steigenden Meeresspiegel aus ihrer Heimat vertrieben werden, sinkende Wasservorräte durch schmelzende Gletscher in den Anden oder im Himalaja beträfen ein Sechstel der Weltbevölkerung und häufigere Dürren bedrohten ebenfalls große Bevölkerungsgruppen etwa in Nordchina, Teilen Indiens, im Nordosten Brasiliens und sogar im Süden Europas. Zusätzlich stünden bis zu vierzig Prozent der Pflanzen- und Tierarten vor dem globalen Exitus, da sie mit den veränderten ökologischen Bedingungen und dem zusätzlichen Bevölkerungsdruck der Menschen nicht zurechtkämen.
Stern kalkuliert jedoch, dass bereits ein Prozent des jährlichen Bruttosozialprodukts der Weltgemeinschaft ausreichen würde, um geeignete Gegenmaßnahmen einzuleiten. Ziel müsse es jedoch vor allem sein, Staaten wie die USA, Indien oder China endlich in das Kyoto-Protokoll oder ähnlich geartete Abkommen zu bringen, denn ohne Mitarbeit dieser Länder seien alle Bemühungen zum Scheitern verurteilt. Neben technischen Lösungen gelte es zudem weltweit die Wälder zu schützen, da durch ihre Brandrodung CO2 freigesetzt wird und sie nach Umwandlung als entsprechende Kohlenstoff-Senke ausfallen – Nationen wie Brasilien, Costa Rica und Papua-Neuguinea wollen zumindest dazu demnächst auch für sie finanziell lukrative Vorschläge machen.
In den Vereinigten Staaten scheint sich dagegen wenigstens auf bundesstaatlicher Ebene ein Umdenken durchzusetzen, wie verschiedene, teils drastische gesetzliche Bestimmungen durch den kalifornischen Gouverneur Arnold Schwarzenegger andeuten. Bis spätestens 2020 sollen in Kalifornien die Emissionen auf den Stand von 1990 zurückgefahren worden sein. Gleichzeitig wird ein gemeinsamer Emissionshandel mit einigen Ostküstenstaaten angestrebt, der später mit jenem der Europäischen Union verknüpft werden könnte. An der Spitze des Landes ist dieser Prozess allerdings noch nicht angekommen: Gerade einmal drei Milliarden Dollar investiert Washington jährlich in die Energieforschung, wie die New York Times zu berichten weiß – vor 25 Jahren war es doppelt so viel.
Immerhin sicherte George W. Bush zu, dass diese Summe im nächsten Jahr auf 4,2 Milliarden Dollar steigen solle – im Vergleich dazu erhält die medizinische Forschung 28 Milliarden und die militärische 75 Milliarden Dollar, was einer Steigerung um 260 Prozent seit 1979 entspricht. Der amerikanische Präsident verteidigt übrigens seine zurückhaltende Politik gegenüber effizienten Energiesparmaßnahmen zudem stets mit dem Argument, da ließe sich nichts Einschneidendes unternehmen, denn es würde nur der amerikanischen Industrie schaden. Laut Nicholas Stern wiederum könnten gezielte Investitionen in den Klimaschutz der Weltwirtschaft sogar helfen: in Form eines Profits von 2,5 Billionen Dollar bis 2050.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.