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Wasserknappheit: Zu lange Leitungen

Ein Drittel der Weltbevölkerung durstet - eine Zahl, die erst für 2025 vorhergesagt war -, während andernorts noch mit Saus und Braus verschwendet wird. Zugang zu sauberem Trinkwasser sei ein Menschenrecht, monieren Politiker, und doch müssen 1,2 Milliarden Menschen ohne auskommen.
Bis zum letzten Tropfen
Mit jedem verspeisten Kilogramm Rindersteak könnte ein Mensch knapp 18 Jahre lang seinen normalen Durst stillen, sofern er sich an die empfohlenen zwei Liter Trinken pro Tag hält. Denn es braucht tatsächlich 13 000 Liter Wasser, um diese Menge Fleisch zu erzeugen – als Trinkwasser für die Kuh, als Bewässerung für ihr Gras oder Soja, als Brauchwasser zur Reinigung ihres Stalls. Im Gegensatz zum Nass, das aus der Dusche kommt, das Essen kocht oder den Garten grün hält, ist dieses Wasser mehr oder weniger unsichtbar, und doch trägt es zum Trinkwassernotstand in vielen Gebieten der Welt bei.

Verschwendung... | Bewässerungsfeldbau geht oft mit Verschwendung wertvoller Wasserressourcen einher – sei es durch marode Zuleitungen oder sei es wegen der falschen Feldfrüchte am falschen Ort: Die Erzeugung von Weizen in der Wüste benötigt jedenfalls tausende Liter Wasser mehr als jene in Mitteleuropa.
Ob im Nahen Osten, im Mittleren Westen der USA, im europäischen Süden oder selbst im regenreichen Amazonasbecken – immer wieder und immer häufiger kommt es zu Krisen in der Trink- wie Brauchwasserversorgung und müssen Tanklastzüge mit dem kostbaren Lebenselixier anrücken, um zumindest die schlimmsten Engpässe zu überbrücken. Weite Bereiche Vorder- und Zentralasiens, Nordafrikas, Nordchinas und Südindiens, aber auch der Westen der Vereinigten Staaten oder Ostaustraliens leiten heute schon mehr als 75 Prozent des örtlich vorhandenen Flusswassers auf ihre Felder und in ihre Industrieanlagen. Entsprechend erreichen Flüsse wie der Colorado oder der Huangho zeitweilig nicht mehr das Meer: Der exzessive Durst lässt sie schlicht trockenfallen.

Die Wasserhausse am Oberlauf führt deshalb bei grenzüberschreitenden Fließgewässern bisweilen zu politischen Kalamitäten zwischen den Anrainern, wie sie mittlerweile zwischen den USA und Mexiko häufiger auftreten. Streitpunkte sind die jeweiligen Zuweisungen aus den Grenzflüssen Colorado und Rio Bravo, die sich die beiden Nationen teilen. In Trockenjahren kann es passieren, dass die Quoten zum Schaden des jeweiligen Vertragspartners überschritten werden und sich dadurch die Dürren dort verschärfen. Ein ähnlicher Konfliktherd wächst derweil an Euphrat und Tigris heran, die beide in der Türkei entspringen und anschließend als wichtige Lebensadern durch Syrien und den Irak fließen. Im Rahmen seines Südostanatolien-Projekts will die Türkei bis 2010 mehr als zwanzig Staudämme am Oberlauf der Flüsse errichten und damit deren Abfluss kontrollieren – sehr zum Widerwillen der flussabwärts gelegenen Staaten.

Ebenfalls verschwenderisch geht die Weltgemeinschaft mit ihren Grundwasserreserven um, die teilweise in feuchteren prähistorischen Zeiten entstanden sind. Die wasserarme Wüstennation Libyen etwa möchte nach Fertigstellung ihres ambitionierten Great-Man-Made-River-Projekts täglich 6,5 Millionen Kubikmeter Wasser aus Quellen in der Sahara an die Küste pumpen, wo es Städte und neues Ackerland tränken soll – Wasser, das bis zu 40 000 Jahre alt ist. Auch Millionenstädte wie Peking oder Mexico D.F. saugen ihren Untergrund rasend schnell leer, mit dem Nebeneffekt, dass der Untergrund absackt und die örtliche Bausubstanz erschüttert.

...und Mangel | Traditionelle Landwirtschaft ist dagegen meist schonender und weniger verschwenderisch: Terrassenfeldbau wie hier im Jemen etwa sichert den Boden vor Erosion und hält zudem das begehrte Nass länger im Boden – die Erträge hinken allerdings meist hinter dem bewässerten Feldbau hinterher.
Wasserknappheit kann allerdings ebenso in Regionen herrschen, in denen es eigentlich genügend regnet, wie in großen Teilen Afrikas oder Indiens und sogar in Großbritannien. Hier ist sie eher ein Leitungs-, Verteilungs- oder Reinigungsproblem, da viele Menschen mangels Infrastruktur nicht auf sauberes Trinkwasser zurückgreifen können. Zudem dienen die Fließgewässer dieser Gebiete meist als kostengünstige Deponie für industrielle wie private Abwässer und scheiden damit als Durstlöscher aus. Deshalb greifen viele Landbewohner auf ihre eigenen Brunnen zurück, die jedoch – wie im Falle von Bangladesch – mitunter gefährlich mit Schwermetallen oder Pestiziden kontaminiert sein können. Schlagzeilen machte vor kurzem auch die Nachricht, dass ausgerechnet zwei Getränkehersteller private indische Brunnen versiegen ließen, weil sie für ihre Produktion überdurchschnittlich hohe Mengen Trinkwasser aus dem Untergrund holten: Jeder Liter Cola basiert letztendlich auf neun Litern Grundwasser. Und in London versickern täglich ungefähr 900 Millionen Liter ungenutzt durch marode Rohre im Untergrund.

Hauptverbraucher sind dennoch nicht Privathaushalte direkt oder Industrie, sondern die Landwirtschaft, die täglich siebzig Mal so viel Wasser benötigt wie Menschen beim Trinken, Kochen oder Waschen nutzen. Nach Angaben von Frank Rijsberman vom Internationalen Wassermanagement-Institut in Battaramulla auf Sri Lanka werden in Italien pro Kopf jeden Tag 3300 Liter Wasser zur Nahrungsmittelproduktion aufgewendet – die Hälfte davon für Schinken und Käse, ein weiteres Drittel für Nudeln und Brot –, in Thailand immerhin noch 2800 Liter. Und hätte die ganze Welt ähnliche Konsumgewohnheiten beim Essen wie die Bürger der Vereinigten Staaten, bräuchte die Menschheit 75 Prozent mehr H2O für die Nahrungsmittelproduktion als heute ohnehin schon üblich, warnt Daniel Zimmer, Leiter des Unesco-Instituts in den Niederlanden.

Wegen der wachsenden Erdbevölkerung und veränderter Ernährungsansprüche rechnen die Wissenschaftler bis zum Jahr 2050 mit einer knappen Verdoppelung des gegenwärtigen Bedarfs von 7200 Kubikkilometern Wasser in Ackerbau und Viehzucht. Die Ausweitung von Bewässerungslandwirtschaft halten sie allerdings finanziell und ökologisch nicht mehr für tragbar, stattdessen schlagen sie verstärkte Forschung und Investitionen in den Regenfeldbau vor, von dem gerade die ärmsten Menschen in Afrika oder Asien abhängig sind – etwa durch neue Getreidesorten oder einfache Wasserspeichersysteme.

Der Klimawandel könnte diesem Vorhaben allerdings einen Strich durch die Rechnung machen, denn nach einhelliger Meinung der Klimatologen wird er für häufigere Wetterextreme sorgen: Dürren im einen Jahr folgen auf Überflutungen des Vorjahres. Die extreme Trockenheit am Amazonas letztes Jahr gab darauf einen Vorgeschmack – manche Zuflüsse dieser sonst so wasserreichen Gegend wurden zu Staubbetten, und das Militär musste die Anwohner per Hubschrauber mit Wasser versorgen.

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