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Klimawandel: Kosmische Unschuld

Scheint sie zu stark, stöhnen alle über die Hitze. Taucht sie hinter einer dunklen Wolkendecke ab, schimpfen wiederum alle über das schlechte Wetter: Was die Sonne auch macht, auf Dauer macht sie es keinem recht. Als Sündenbock der Erderwärmung scheidet sie jetzt aber wohl endgültig aus.
Sonnenfleck
Der Mensch vergisst einfach zu gerne und zu schnell: So tilgte der verregnete und zu kühle August bereits die Erinnerungen an den rekordverdächtigen Juli 2006, dessen Hitzewellen seit Beginn der hiesigen Wetteraufzeichnungen ihresgleichen suchten. Ein etwas besseres Gedächtnis hat in diesem Fall eine deutliche Mehrheit der Klimatologen: Ihnen gilt die beschleunigte Abfolge so genannter Jahrhundertsommer – der letzte liegt ja auch erst drei Jahre zurück – zwar noch nicht als eindeutiger Beweis, aber wenigstens als ein ernstzunehmender Beleg für den globalen Klimawandel.

Sonnenflecken | Sonnenflecken beeinflussen die Helligkeit der Sonne, aber kaum den Temperaturanstieg auf der Erde der letzten Jahrzehnte.
Ohnehin gibt es so gut wie keinen Wissenschaftler mehr, der überhaupt anzweifelt, dass die Temperaturen seit einigen Jahrzehnten ansteigen. Ein Teil der Opposition jedoch, die der Menschheit die Fähigkeit zur Beeinflussung der Atmosphäre abspricht, fokussiert sich auf die Kraft der Sonne, die ihrer Meinung nach durch erhöhte Aktivitätsphasen die Erde in den Schwitzkasten nimmt. Demnach treibt sie die Temperaturen schon seit dem 17. Jahrhundert relativ stetig nach oben, weil sie seit dieser Zeit ihre Beleuchtungsstärke und damit ihre Strahlungsleistung stetig erhöht.

Gleiches gilt für die Helligkeit des Sterns. Sie hängt davon ab, wie viel Fläche die Sonnenflecken bedecken und welchen Anteil die so genannten Faculae einnehmen. Die dunklen, relativ kühleren, Flecken mindern die Helligkeit der Sonne und leiten Energie von ihrer Oberfläche ins Innere ab, während die Faculae Ausfallstore für Hitzeströme bieten und aufhellend wirken. Beide kommen parallel zueinander vor und können in Ausmaß wie Dauer jeweils gleichermaßen zunehmen, doch behalten dabei die Faculae leicht die Überhand – selbst bei maximaler Anzahl der Sonnenflecken innerhalb ihrer elfjährigen Aktivitätszyklen.

Eine der größten je dokumentierte Versammlungen von Sonnenflecken | Eine der größten je dokumentierte Versammlungen von Sonnenflecken – aufgenommen im April 1947
Trotz des Energieschubs durch gehäufte Faculae kann die Sonne aber wohl dennoch nichts für die zunehmende Aufheizung des Planeten, wie Tom Wigley vom National Center for Atmospheric Research in Boulder nun zusammen mit Kollegen analysierte [1]. Radiometrische Satellitenmessungen der Sonnenhelligkeit seit 1978 etwa belegen, dass die Sonne während eines Zyklus selbst bei höchster Strahlungsleistung (wie im Jahr 2000) nur um 0,07 Prozent heller scheint als während sonnenfleckenarmer Zeiten (gegenwärtig). Mit diesem Kleckerbetrag scheide der Stern zumindest als Auslöser des seit Mitte der 1970er Jahre beobachteten beschleunigten Temperaturanstiegs aus, so die Wissenschaftler.

Auch für die Erwärmung der Jahrhunderte zuvor konnte Wigleys Team die Sonne als direkte Verursacherin verneinen. Hierzu glichen sie historische Aufzeichnungen der Sonnenfleckaktivität mit den Gehalten von 14C- und 10Be-Isotopen aus arktischen und antarktischen Eisbohrkernen ab. Beide Isotope bilden sich in der Atmosphäre, wenn energiereiche Teilchen der kosmischen Strahlung in die Erdatmosphäre eindringen – Beryllium-10 etwa durch die Zerschlagung der Atomkerne von Stickstoff und Sauerstoff. Während starker Aktivitätsphasen der Sonne sinkt ihre Entstehungsrate, da der gleichzeitig wehende intensivere Sonnenwind die Erde abschirmt und die Isotopenbildung damit verlangsamt.

Mit diesen Daten ließen sie mehrere Computermodelle die Temperaturentwicklung auf der Nordhalbkugel während der letzten tausend Jahre rekonstruieren und verglichen sie dann mit dem tatsächlichen Verlauf der Kurven, wie sie mittels paläoklimatischer Erhebungen erstellt wurden. Den übereinstimmenden vergangenen Beobachtungen und Isotopen-Verhältnissen zufolge nahmen Flecken und Faculae zwar während der letzten 400 Jahre zu, aber sie allein konnten in dieser Zeit trotzdem nur einen sehr kleinen Anteil der steigenden Temperaturen verantwortet haben – zu sehr wichen die Ergebnisse von der Realität ab. Veränderungen der Erdumlaufbahn, der Erdachse oder in der Atmosphäre prägen also das Klima überaus stärker als die reine Helligkeit der Sonne.

Verschiebung von Europas Klimazonen | Der Klimawandel verschiebt Europas Klimazonen: Ende des Jahrhunderts herrschen in Mittel- und Osteuropa Bedingungen wie heute noch am Mittelmeer.
Wigleys Team möchte nicht ausschließen, dass es weitere solare Einflüsse auf das Klima gibt, beispielsweise kosmische oder ultraviolette Strahlungen, doch sind entsprechende physikalische Modelle noch unterentwickelt. Die Hitzewellen 2003 und 2006 hat die Sonnenaktivität damit nicht zu verantworten, sondern wohl schon eher der von Menschenhand verstärkte Treibhauseffekt. Und was heute noch eine Ausnahme ist, könnte bis zum Ende des Jahrhunderts normal werden; auch, weil sich die positiven Rückkoppelungen zwischen Atmosphäre und der Landoberfläche Europas zukünftig verstärken werden, wie Sonia Seneviratne und ihre Kollegen von der ETH Zürich berechneten [2].

In ihren Klimamodellen berücksichtigen sie die Wechselwirkungen zwischen Boden, Vegetation und Luft: Mit den steigenden Temperaturen verdunstet ebenso zunehmend Feuchtigkeit aus der Erde und der Pflanzenwelt, was die Aufheizung zeitweilig abmildert. Ist der Feuchtevorrat dann aufgebraucht, erwärmt sich die betroffene Region noch stärker. Beides zusammen wirkt letztlich auf die Vegetation ein, in der feuchteliebende Arten zunehmend durch trockenheitsresistente Formen ausgetauscht werden. Zusammengefasst verschieben sich deshalb in Mittel- und Osteuropa die Klimazonen nordwärts. Mittelfristig bildet sich hier ein Übergangsraum zwischen trockeneren und feuchteren Gebieten – dem heutigen nördlichen Mittelmeergebiet vergleichbar und sommerliche Dauerhitze inklusive. Zumindest für die Toskana-Fraktion bietet dieses Szenario eventuell auch einen kleinen Trost: Der Bodensee-Region schreiben die Experten schon in zwanzig bis dreißig Jahren Chianti-Charakter zu.

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