Direkt zum Inhalt

Wissenschaft im Alltag: Die Kartoffel

Auch wenn es das Supermarktregal kaum glauben lässt – Kartoffeln gibt es in hunderten Varianten.
Kartoffelpflanze
Was der Bauer nicht kennt, das isst er nicht! Als Preußenkönig Friedrich II. 1744/45 Saatkartoffeln verteilen ließ, um einer Hungersnot vorzubeugen, landeten viele später auf dem Müll – die Bauern hatten aus Unkenntnis die giftigen Beeren verzehrt. Trotz des königlichen "Kartoffelbefehls" von 1756 kam der Anbau schleppend in Gang. Doch der Alte Fritz ließ angeblich Soldaten an den Feldern postieren und demonstrierte damit: Diese Knollen sind wertvoll.

Heute gehört Solanum tuberosum, so der fachliche Name, zum festen Repertoire deutscher Küche. Bundesbürger verzehren im Durchschnitt jährlich rund siebzig Kilogramm. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt den Erdapfel als Teil der Nahrungsbasis, denn die stärkehaltigen Knollen machen nicht nur satt und sind auf vielfältige Art zuzubereiten. Sie liefern auch wichtige Mineralien und Spurenelemente, vor allem Kalium, aber auch Kalzium, Magnesium, Phosphor, Eisen und Zink. Außerdem birgt die Knolle verschiedene B-Vitamine wie Thiamin (B1), Riboflavin (B2), Pantothensäure (B3), Niacin (B5) und Pyridoxin (B6), ohne die fast kein biochemischer Prozess im Körper ablaufen kann. Zwar liegt sie mit einem Vitamin- C-Gehalt von rund 17 Milligramm (mg) pro 100 Gramm deutlich hinter Kiwi (100 mg) oder Zitrone (53 mg), kann aber mit Apfel (12 mg) und Birne (5 mg) locker mithalten.

Die Kartoffelpflanze | Die Beere einer Kartoffel (im Ausschnitt links vergrößert) enthält rund 100 Samen, aber auch wie bei anderen Nachtschattengewächsen giftiges Solanin. Blühende Pflanzen sind durchaus nicht einheitlich: Die Farbe junger Blütenkelche (rechts) schwankt je nach Kartoffelsorte zwischen Weiß und Rosa. Alles oberirdische der Pflanze nennen Landwirte Kraut. Färbt es sich grüngelb, sind die Knollen reif zur Ernte.
Die rötliche bis blauschwarze Färbung einiger Erdäpfel rührt überdies von Anthocyanen her, Pflanzenfarbstoffen aus der Gruppe der Flavonoide, die sehr eff ektiv freie Radikale eliminieren. Einige Anthocyane verbessern zudem das Sehvermögen, hemmen Entzündungen, verlangsamen die Blutgerinnung oder schützen Gefäße, etwa indem sie die Durchlässigkeit der Venenwand verringern oder für Entspannung der Arterien und Herzkranzgefäße sorgen und dadurch den Blutdruck senken. Die Kartoffel, die auf unserem Teller landet, ist weder Frucht noch Wurzel, sondern das verdickte Ende eines unterirdischen Sprosses. Botaniker sprechen von einer Sprossknolle. Diese dient der Pflanze zur vegetativen – also ungeschlechtlichen – Vermehrung. Sobald kein Frost mehr droht, steckt der Bauer sie in die Erde. Auf dem Acker treibt die Kartoffel aus kleinen Vertiefungen aus, den so genannten Augen. Diese bilden neue ober- und unterirdische Sprosse und bis zur Ernte – bei uns je nach Sorte im Mai bis Oktober – auch neue Knollen.

Weil sie nur unterhalb der Oberfläche gedeihen, wird der Boden um die Pflanze meist angehäufelt. Auch gilt es, das Erdreich regelmäßig zu hacken und so zu durchlüften. Um die Übertragung von Kartoffelkrankheiten zu vermeiden, empfiehlt sich ein Abstand von rund 62,6 bis 75 Zentimetern zwischen und 30 bis 40 Zentimetern innerhalb der Reihen. Aus demselben Grund sollten keine Kartoffelreste vom Vorjahr auf dem Feld bleiben und Werkzeuge zum Beschneiden der Pflanzen grundsätzlich desinfiziert werden. Davon, dass viele Bauern inzwischen auf harte Insektizide verzichten, profitiert leider der schon verschwunden geglaubte Kartoffelkäfer.

Übrigens: Sieglinde und Co kommen in weit größerer Varianz daher, als es das Gemüseregal im Supermarkt erahnen lässt: Beim Bundessortenamt – einer Art "TÜV-Prüfstelle" für Nutzpflanzen – sind derzeit 206 Sorten für den Handel von Saatgut und Pflanzenteilen zugelassen und nach Kriterien wie Erregerresistenz, Reifezeit, Ertrag, Blütenfarbe, Knollenform und Kochtyp gelistet.

Vielfalt sorgt aber nicht nur für ein abwechslungsreiches Geschmackserlebnis. Sie spielt auch eine große Rolle für das Sicherstellen der Ernteerträge. Werden nur wenige Sorten angebaut, so steigt das Risiko für Epidemien wie Mitte des 19. Jahrhunderts: Ein Pilzkrankheit, die Krautfäule, vernichtete einen Großteil der Ernte, denn auch damals hatten sich die Landwirte auf wenige Sorten festgelegt. Je größer die Anbauvielfalt und damit der Genpool, desto eher werden sich manche Sorten als resistent erweisen. Deshalb lagern in der Kartoffelgenbank in Groß Lüsewitz bei Rostock, einer Außenstelle des Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung Gatersleben, 2834 Kultursorten und Zuchtstämme. Dazu kommen 150 wilde und kultivierte Arten aus Südamerika, von denen die Genbank mehr als 3000 verschiedene genetische Varianzen – fachlich Genotypen – registriert.

Wussten Sie schon?

  • Spanische Truppen brachten die Kartoffel im 16. Jahrhundert aus den Anden mit in ihre Heimat. Während dieses Gemüse – wie die Tomate – zu den Nachtschattengewächsen zählt, gehört die Süßkartoffel (Batate) zu den Winden, Topinambur ist ein Korbblüter aus der Gattung der Sonnenblumen.

  • Die Salatkartoffel Linda steht vor dem Aus. Kurz vor Ablauf des dreißigjährigen Sortenschutzes – eine Art Patent auf Saatgut – hat Vermarkter Europlant die Zulassung zurückgezogen. Das Bundessortenamt in Hannover beschloss eine Gnadenfrist bis 30. Juni 2007, doch das Unternehmen hat dagegen Einspruch erhoben. Nun will der niedersächsische Biobauer Karsten Ellenberg die Neuzulassung beantragen. Dann würde Linda aber wie eine Neuzüchtung behandelt und zwei Jahre lang erneut auf ihre Tauglichkeit getestet.

  • Hundert Gramm Pellkartoffeln haben nur 57,1 Kilokalorien. Die gleiche Menge an Pommes Frites schlägt mit 124 Kilokalorien zu Buche, bei Chips sind es sogar 535. Denn Frittieren bildet kleine Poren, durch die Wasserdampf austritt. Nimmt man die "Fritten" aus dem heißen Fett, kühlen die Kanälchen ab und es entsteht Unterdruck, der Fett einsaugt.

  • Wer sich im Anbau außergewöhnlicher Kartoffeln versuchen möchte und keine kommerziellen Absichten hegt, kann bei der Kartoffelgenbank in Groß Lüsewitz kostenlose Proben bestellen
  • Schreiben Sie uns!

    Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.

    Partnerinhalte

    Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.