Hirnforschung: Eine Zahl ist eine Zahl ist eine Zahl
Zahlen in der Welt begegnen uns immer in einer konkreten Form - haben aber eine von dieser Form unabhängige Bedeutung: die Ziffer "2" und das Wort "zwei" meinen die gleiche Zahl. Wie spiegelt sich dies bei der Verarbeitung im Gehirn wider?
In der Grundschule lernen wir die Essenz der Mathematik: drei Äpfel, drei Punkte und das Symbol "3" haben eine Gemeinsamkeit. Die Bedeutung einer Zahl ist jedoch unabhängig von ihrer symbolischen Darstellung. Ob es eine neuronale Repräsentation für diese abstrakte Bedeutung einer Zahl gibt, versuchen Forscher auf verschiedenen Wegen zu ergründen. Erste Hinweise zur Zahlenverarbeitung machten Läsionen in bestimmten Hirnregionen deutlich, die zu Defiziten in mathematischen Fähigkeiten führten. Inzwischen stehen Techniken wie die funktionale Magnetresonanz- Tomografie (fMRT) zur Verfügung, die über die Messung des Blutflusses auf die Aktivität von Neuronen in einem Hirnvolumen schließen lässt.
Zwei neue Studien umschiffen dieses Manko elegant durch Verwendung des Adaptationseffektes: Bei der Wiederholung eines bestimmten Stimulus nimmt die neuronale Aktivierung allmählich ab. Wenn ein neuer Stimulus gezeigt wird, der in bestimmten Aspekten vom alten abweicht, dann steigt die Aktivität genau der Regionen wieder an, die diese veränderten Aspekte verarbeiten. Der Effekt kann physiologisch als abklingende Feuerrate von wiederholt aktivierten, gleichsam erschöpften, Neuronen, interpretiert werden. Bei einem veränderten Stimulus werden andere, noch frische, Neuronen aktiv, die wieder stärker feuern.
Eine Forschungsgruppe um Manuela Piazza am INSERM in Orsay präsentierte Versuchspersonen verschiedene Zahlen als Punktmuster und arabische Ziffern [1]. Bei einer abrupten Änderung des Zahlenwertes konnten sie den Adaptationseffekt im IPS beobachten. Die Aktivierung hing davon ab, wie weit der neue Wert vom alten abwich. In der rechten Hirnhälfte war der Effekt zudem unabhängig davon, ob das Zahlenformat wechselte.
Um den Widerspruch zwischen beiden Ergebnissen aufzuklären, dürfen experimentelle Unterschiede nicht übersehen werden: Cohen Kadosh benutzte nur kulturell angeeignete Symbole ("3", "drei") und kleine Werte (2-9), während Piazza kulturelle mit "natürlichen" Zahlenrepräsentationen kombinierte ("3", "...") und zudem wesentlich größere Zahlenwerte (17-49) verwendete.
Grob vereinfacht lässt sich aus beiden Ergebnissen und älteren Studien schließen, was die Neuropsychologie bereits vermutet hatte: Die linke Hemisphäre spezialisiert sich auf kulturell angeeignete Zahlensymbole, sie unterscheidet nicht zwischen "3" und "drei". Die rechte Hemisphäre dagegen ist für nicht-symbolische Schätzungen zuständig, für sie sind eine "17" und (ungefähr) siebzehn Punkte gleichwertig.
Im parietalen Kortex existiert also eine Format-unabhängige Zahlenrepräsentation. Der abstrakte mathematische Begriff Zahl ist also nicht nur ein Hirngespinst, das Gehirn hantiert durchaus direkt mit abstrakten Zahlenwerten.
Heute sind sich die Wissenschaftler einig, dass der intraparietale Sulcus (IPS), die Furche zwischen den Hirnhälften im Scheitellappen, eine wichtige Rolle spielt bei der Repräsentation und Verarbeitung von numerischen Informationen. Welchen Einfluss dabei das Format hat, in der eine Zahl wahrgenommen wird, zum Beispiel als Wort ("drei"), Ziffer ("3") oder Punktmuster ("..."), konnte bislang nicht eindeutig geklärt werden. Ein Grund dafür ist die schlechte Auflösung von fMRT-Messungen (im Millimeterbereich) im Vergleich zur Größe von Neuronen (im Mikrometerbereich).
Zwei neue Studien umschiffen dieses Manko elegant durch Verwendung des Adaptationseffektes: Bei der Wiederholung eines bestimmten Stimulus nimmt die neuronale Aktivierung allmählich ab. Wenn ein neuer Stimulus gezeigt wird, der in bestimmten Aspekten vom alten abweicht, dann steigt die Aktivität genau der Regionen wieder an, die diese veränderten Aspekte verarbeiten. Der Effekt kann physiologisch als abklingende Feuerrate von wiederholt aktivierten, gleichsam erschöpften, Neuronen, interpretiert werden. Bei einem veränderten Stimulus werden andere, noch frische, Neuronen aktiv, die wieder stärker feuern.
Eine Forschungsgruppe um Manuela Piazza am INSERM in Orsay präsentierte Versuchspersonen verschiedene Zahlen als Punktmuster und arabische Ziffern [1]. Bei einer abrupten Änderung des Zahlenwertes konnten sie den Adaptationseffekt im IPS beobachten. Die Aktivierung hing davon ab, wie weit der neue Wert vom alten abwich. In der rechten Hirnhälfte war der Effekt zudem unabhängig davon, ob das Zahlenformat wechselte.
Roi Cohen Kadosh an der israelischen Ben-Gurion-Universität und seine Kollegen verwendeten in einem ähnlichen Experiment Zahlen in Form von Worten (statt Punkten) und arabischen Ziffern [2]. Sie kamen zu einem anderen Ergebnis: Der Adaptationseffekt war in der linken Hemisphäre unabhängig vom Zahlenformat.
Um den Widerspruch zwischen beiden Ergebnissen aufzuklären, dürfen experimentelle Unterschiede nicht übersehen werden: Cohen Kadosh benutzte nur kulturell angeeignete Symbole ("3", "drei") und kleine Werte (2-9), während Piazza kulturelle mit "natürlichen" Zahlenrepräsentationen kombinierte ("3", "...") und zudem wesentlich größere Zahlenwerte (17-49) verwendete.
Grob vereinfacht lässt sich aus beiden Ergebnissen und älteren Studien schließen, was die Neuropsychologie bereits vermutet hatte: Die linke Hemisphäre spezialisiert sich auf kulturell angeeignete Zahlensymbole, sie unterscheidet nicht zwischen "3" und "drei". Die rechte Hemisphäre dagegen ist für nicht-symbolische Schätzungen zuständig, für sie sind eine "17" und (ungefähr) siebzehn Punkte gleichwertig.
Im parietalen Kortex existiert also eine Format-unabhängige Zahlenrepräsentation. Der abstrakte mathematische Begriff Zahl ist also nicht nur ein Hirngespinst, das Gehirn hantiert durchaus direkt mit abstrakten Zahlenwerten.
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