Wandernde Tiere: Gefangene Monarchfalter verlieren ihren Kompass
Die großen orangefarbenen Monarchfalter (Danaus plexippus) sind die Könige der Langstreckenwanderung unter den Insekten. Seit vielen Jahren beobachten Wissenschaftler fasziniert, wie die Insekten im Herbst zum Überwintern massenhaft tausende Kilometer aus ihrem Sommerquartier in Nordamerika in das warme Zentralmexiko zurücklegen. Dabei hilft ihnen ein gut ausgebildeter, scheinbar robuster und mehrfach ausfallgesicherter Navigationssinn, um sich nicht zu verirren. Zuletzt jedoch scheint das lang geprobte System Risse zu bekommen: Spürbar weniger Tiere wandern jedes Jahr, womöglich weil das Ökosystem sich verändert oder weil sie auch in Orten wie Florida gut überwintern können. Tatsächlich ist das System der Falter aber vielleicht weniger robust verdrahtet als bisher vermutet und schaltet sich ab, wenn wichtige Reize fehlen, meint nun ein Wissenschaftlerteam um Ayse Tenger-Trolander von der University of Chicago im Fachblatt »PNAS«.
Die Forscher waren Indizien auf der Spur, die helfen zu verstehen, warum die Migration der Tiere sich in den letzten Jahren deutlich zu verändern scheint. Sie hatten begonnen, Falter in Gefangenschaft zu halten und zu untersuchen, welche Auswirkungen dies hat. Unter anderem starteten sie mit Routineversuchen, bei denen sie Tiere mit einem Faden an einen Pfosten banden, um zu ermitteln, in welche Richtung sie sich wenden: Wanderungsbereite Falter fliegen auch im Labor Richtung Süden, wenn der Herbst gekommen ist. Es stellte sich allerdings heraus, dass gefangene Tiere – egal an welchem Ort sie gesammelt oder ob sie im Handel gekauft worden waren – ihre Ortungsfähigkeiten nach und nach einbüßten, so die Forscher. Dies schlug sich auch im Erbgut der Stämme nieder. Anders als bei wilden veränderte sich das Genom von Insekten in Gefangenschaft in verschiedenen Genen.
Offenbar ist aber kein einzelnes Gen für die nachlassende Wanderlust und -fähigkeit zuständig. Vielmehr scheinen die Tiere einfach keine Veranlassung mehr zu sehen, eine Langstreckenwanderung anzutreten. Das könnte darauf zurückzuführen sein, dass wichtige externe Reize aus der Umwelt ausbleiben, die den Tieren in freier Wildbahn sonst den Start in einem bestimmten Zeitfenster empfehlen, spekulieren die Forscher. Tatsächlich kommt diese Veränderung von Monarchfaltern vielleicht nicht nur als Resultat der Gefangenschaft, sondern auch in der Natur typischerweise vor. Immerhin gibt es Monarchfalter nicht bloß in Form der Langstreckenwanderer Nordamerikas, sondern auch in Afrika, Australien und dem Süden Amerikas sowie auf Hawaii, wo das lokale Klima ihnen im Winter nicht unangenehm ist. Überall dort verzichten die Tiere auf Langstreckenwanderungen in den Süden. Es wäre durchaus denkbar, dass der weit wandernde Falter hier eine genetische und physiologische Ausnahme darstellt – und die ausgeprägte Navigationskompetenz zwar bei allen Tieren im Prinzip vorhanden, doch allein beim hier bekannten Monarchfalter auf Grund des Bedarfs nicht verschüttet ist.
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