Biomechanik: Gürteltier mit Baseballschläger
So behäbig die gepanzerten Riesen aus der Eiszeit waren - sie hatten eine bemerkenswerte Waffe in petto: Ihr baumdicker Keulenschwanz lehrt jeden das Fürchten. Oder doch nicht?
Den Schrecken kann man sich vorstellen: Da durchstreifen die eben erst nach Südamerika vorgedrungenen Menschen ihr neues Gebiet, als es plötzlich im Unterholz raschelt und knackt. Herausgeschaukelt kommt schließlich ein mannshohes, kugelförmiges Etwas, das erst wittert, dann träge in die Runde schaut, um auf einmal den verdutzten Jägern drohend eine beachtliche Keule zu präsentieren. Der wuchtige Körper hatte das Mordinstrument am Schwanzende vor den Blicken der Jäger verborgen.
Eine massive, knöcherne Panzerplatte bedeckt seinen Rücken, selbst auf dem Schädeldach sitzt ein beinerner Schutz, und Knochenringe bilden Glieder, die der Schwanzwurzel ihre Beweglichkeit lassen. All das verblasst jedoch gegenüber dem mit Dornen besetzten Knochenstück an der Schwanzspitze. An den Anblick von meterhohen Riesenfaultieren haben sich die Neuankömmlinge schon gewöhnt; auch an die Gefahr der hier herumstreifenden, besonders schweren Säbelzahnkatzen. Wie überall ist die Tierwelt während der letzten Eiszeit auch auf diesem Kontinent zu bemerkenswerter Größe herangewachsen. Und nun taucht auch noch ein Gürteltier auf: eines, das an seinem Schwanzende einen Baumstamm spazieren führt.
Worauf müssen sie sich einstellen? Würde der Koloss wie ein schnellfüßiger Schwergewichtsboxer nach allen Seiten Schläge austeilen? Oder gelingt das nur seinen kleineren Verwandten, den anderen Glyptodonten, die ihm an Statur unterlegen sind, aber über einen nicht minder Furcht einflößenden Prügel verfügen? Am Ende dient das brachiale Endstück nur dem Liebesspiel und soll bei Weibchen Eindruck schinden oder Drohgebärden den richtigen Nachdruck verleihen? Auch ein Forscherteam um Ernesto Blanco von der Universidad de la Republica in Montevideo aus der einstigen Heimat von Doedicurus, dem heutigen Uruguay, hat sich jetzt die alles entscheidende Frage gestellt: Wie setzten die Glyptodonten ihre Keule ein?
Dazu stellten sie folgende Überlegung an: Die größte Verletzungsgefahr für einen Glyptodonten-Schwanz bestand am Übergang zwischen dem starren Endstück und dem biegsamen Teil. Nutzte Doedicurus seine Keule tatsächlich zum Zuschlagen, musste die Natur eine Lösung für die hier auftretenden Knick- und Dehnbelastungen gefunden haben.
Wie Entwicklerfirmen und Sportler wissen, hat jedes dieser Geräte einen bevorzugten Trefferpunkt, an dem die Belastung des Handgelenks am geringsten ausfällt. Trifft man den Ball genau in diesem Perkussionszentrum, heben sich die durch den Aufprall ausgelösten Kräfte und Gegenkräfte am Handgelenk auf. Gerade für besonders kräftige Athleten ist dieser ideale Punkt von Bedeutung, um sich nicht bei einem Schmetterschlag selbst zu schaden. Gleiches dürfte, so die Forscher, auch für Glyptodonten gelten.
Die Wissenschaftler sammelten also Daten über die Schwanzkeulengeometrie verschiedener ausgestorbener Arten aus der Familie der Glyptodontidae, die wie heutige Gürteltiere zoologisch zu den gepanzerten Nebengelenktieren (Xenarthra) zählen. Die Längen- und Gewichtsverhältnisse setzten sie dann in die aus der Tennisschlägerforschung bekannten Gleichungen ein. Für insgesamt fünf Arten unterschiedlicher Körpergröße, deren Schwanz über ein starres Endstück verfügen musste, errechneten sie so das Perkussionszentrum.
Bei Giganten wie dem Doedicurus zeigte sich ein völlig anderes Bild. Hier befanden sich die hornigen Auswüchse immer in verdächtiger Nähe zum Perkussionszentrum. Allerdings tauchten sie nur auf den beiden Seiten auf und auch der Querschnitt des Keulenkopfs deutet daraufhin, dass Doedicurus die Keule ausschließlich in Seitwärtsbewegung schwang.
Für Ernesto Blanco und seine Kollegen passen alle diese Indizien nur zu einem Szenario: Auch Glyptodonten dieser Größe schlugen tatsächlich mit der Keule zu – und das wohl nicht eben zimperlich, wie es die genaue Ausrichtung der Dornen auf das Perkussionszentrum nahelegt. Eine flinke Raubkatze hätten sie damit wohl dennoch kaum abwehren können. Denn im Handgemenge waren sie zu schwerfällig, um den Schwanz mit der Präzision einzusetzen, die ihnen ein verletzungsfreies Zuschlagen ermöglichte.
Bei Gefahr mag Doedicurus statt auf seine Paradewaffe eher auf seine Panzerung vertraut haben. Es genügte abzuwarten, bis sich der Gegner daran die Zähne ausgebissen hatte. Außer Smilodon, der Säbelzahnkatze, konnte ihm ohnehin kaum ein Räuber gefährlich werden. Dass Doedicurus letztlich dennoch, wie andere Vertreter der eiszeitlichen Megafauna vor rund 11 000 Jahren von der Bildfläche verschwand, könnte einen anderen Grund haben: Gegen die raffinierten Jagdtechniken der damals neu eingewanderten, aufrecht gehenden Art aus dem Norden war seine Igel-Strategie vielleicht schlicht nutzlos geworden.
Eine massive, knöcherne Panzerplatte bedeckt seinen Rücken, selbst auf dem Schädeldach sitzt ein beinerner Schutz, und Knochenringe bilden Glieder, die der Schwanzwurzel ihre Beweglichkeit lassen. All das verblasst jedoch gegenüber dem mit Dornen besetzten Knochenstück an der Schwanzspitze. An den Anblick von meterhohen Riesenfaultieren haben sich die Neuankömmlinge schon gewöhnt; auch an die Gefahr der hier herumstreifenden, besonders schweren Säbelzahnkatzen. Wie überall ist die Tierwelt während der letzten Eiszeit auch auf diesem Kontinent zu bemerkenswerter Größe herangewachsen. Und nun taucht auch noch ein Gürteltier auf: eines, das an seinem Schwanzende einen Baumstamm spazieren führt.
Der Wink mit diesem Zaunpfahl zeigt jedenfalls die beabsichtigte Wirkung – auf Zehenspitzen treten die Zweibeiner den Rückzug an, Doedicurus hat sich bereits grasend dem frischen Grün zugewandt. Doch vielleicht schon bei der nächsten Begegnung dürften die Menschen besser vorbereitet sein. Es sollte doch mit dem Teufel zugehen, wenn man nicht irgendwo in diesen behäbigen Fleischklops seinen Speer bohren könnte!
Worauf müssen sie sich einstellen? Würde der Koloss wie ein schnellfüßiger Schwergewichtsboxer nach allen Seiten Schläge austeilen? Oder gelingt das nur seinen kleineren Verwandten, den anderen Glyptodonten, die ihm an Statur unterlegen sind, aber über einen nicht minder Furcht einflößenden Prügel verfügen? Am Ende dient das brachiale Endstück nur dem Liebesspiel und soll bei Weibchen Eindruck schinden oder Drohgebärden den richtigen Nachdruck verleihen? Auch ein Forscherteam um Ernesto Blanco von der Universidad de la Republica in Montevideo aus der einstigen Heimat von Doedicurus, dem heutigen Uruguay, hat sich jetzt die alles entscheidende Frage gestellt: Wie setzten die Glyptodonten ihre Keule ein?
Dazu stellten sie folgende Überlegung an: Die größte Verletzungsgefahr für einen Glyptodonten-Schwanz bestand am Übergang zwischen dem starren Endstück und dem biegsamen Teil. Nutzte Doedicurus seine Keule tatsächlich zum Zuschlagen, musste die Natur eine Lösung für die hier auftretenden Knick- und Dehnbelastungen gefunden haben.
Das Problem kannten Blanco und Co von einer ganz anderen Sorte Keule: Tennis-, Golf- oder Baseballschlägern. Auch hier hängt nämlich ein unflexibler Stab an einer biegsamen Halterung – eben dem Handgelenk –, und weil es auch hier gilt, Verletzungen zu vermeiden, sei die Mechanik dieses Systems bestens untersucht.
Wie Entwicklerfirmen und Sportler wissen, hat jedes dieser Geräte einen bevorzugten Trefferpunkt, an dem die Belastung des Handgelenks am geringsten ausfällt. Trifft man den Ball genau in diesem Perkussionszentrum, heben sich die durch den Aufprall ausgelösten Kräfte und Gegenkräfte am Handgelenk auf. Gerade für besonders kräftige Athleten ist dieser ideale Punkt von Bedeutung, um sich nicht bei einem Schmetterschlag selbst zu schaden. Gleiches dürfte, so die Forscher, auch für Glyptodonten gelten.
Die Wissenschaftler sammelten also Daten über die Schwanzkeulengeometrie verschiedener ausgestorbener Arten aus der Familie der Glyptodontidae, die wie heutige Gürteltiere zoologisch zu den gepanzerten Nebengelenktieren (Xenarthra) zählen. Die Längen- und Gewichtsverhältnisse setzten sie dann in die aus der Tennisschlägerforschung bekannten Gleichungen ein. Für insgesamt fünf Arten unterschiedlicher Körpergröße, deren Schwanz über ein starres Endstück verfügen musste, errechneten sie so das Perkussionszentrum.
Insbesondere bei den zwei kleinsten Glyptodonten schien sich die Evolution nicht sonderlich um das Perkussionszentrum gekümmert zu haben: Die Dornen oder Beulen aus Horn, die ihren Schwanz zierten, lagen über dessen gesamte Länge verstreut. Obendrein war ihr Querschnitt so ausgelegt, dass auch Schläge nach oben möglich waren, ohne sofort die Keule selbst zu zertrümmern. Die Forscher sind deshalb überzeugt, dass diese Arten mit wenig Präzision und daher gezwungenermaßen wenig Wucht zuschlugen. Anscheinend haben sie ihren Schwanz tatsächlich als Waffe eingesetzt, schließen die Wissenschaftler. Es genügte, sich in eine leidlich gute Position zu manövrieren. Dann ließen sie ihren körpereigenen Baseballschläger sprechen.
Bei Giganten wie dem Doedicurus zeigte sich ein völlig anderes Bild. Hier befanden sich die hornigen Auswüchse immer in verdächtiger Nähe zum Perkussionszentrum. Allerdings tauchten sie nur auf den beiden Seiten auf und auch der Querschnitt des Keulenkopfs deutet daraufhin, dass Doedicurus die Keule ausschließlich in Seitwärtsbewegung schwang.
Für Ernesto Blanco und seine Kollegen passen alle diese Indizien nur zu einem Szenario: Auch Glyptodonten dieser Größe schlugen tatsächlich mit der Keule zu – und das wohl nicht eben zimperlich, wie es die genaue Ausrichtung der Dornen auf das Perkussionszentrum nahelegt. Eine flinke Raubkatze hätten sie damit wohl dennoch kaum abwehren können. Denn im Handgemenge waren sie zu schwerfällig, um den Schwanz mit der Präzision einzusetzen, die ihnen ein verletzungsfreies Zuschlagen ermöglichte.
Wo der Hammer hängt, zeigten Doedicurus und seine ähnlich großen Verwandten demnach wohl ausschließlich ihren eigenen Artgenossen: Nur wenn die Auseinandersetzung sehr langsam und statisch ablief, konnten sie zielgenau zuschlagen. Und dafür kämen laut den Forscher eben nur ritualisierte Kämpfe um Weibchen in Frage. Vermutlich bauten die Männchen sich nebeneinander auf und schlugen sich mit aller Kraft auf den Panzer.
Bei Gefahr mag Doedicurus statt auf seine Paradewaffe eher auf seine Panzerung vertraut haben. Es genügte abzuwarten, bis sich der Gegner daran die Zähne ausgebissen hatte. Außer Smilodon, der Säbelzahnkatze, konnte ihm ohnehin kaum ein Räuber gefährlich werden. Dass Doedicurus letztlich dennoch, wie andere Vertreter der eiszeitlichen Megafauna vor rund 11 000 Jahren von der Bildfläche verschwand, könnte einen anderen Grund haben: Gegen die raffinierten Jagdtechniken der damals neu eingewanderten, aufrecht gehenden Art aus dem Norden war seine Igel-Strategie vielleicht schlicht nutzlos geworden.
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