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Koevolution: Wettrüsten bringt neue Kuckucksarten hervor

Bei einer Koevolution beeinflussen sich etwa Wirt und Parasit durch gegenseitige evolutionäre Anpassungen – im Extremfall entstehen dabei neue Arten. Dass die Koevolution die Artenvielfalt erhöht, konnte jedoch bislang nicht belegt werden. Nun wurde der erste überzeugende Beweis bei Kuckucken geliefert.
Glänzender Bronzekuckuck, Kuckuck
Glanzbronzekuckucke gehören zu den obligaten Brutschmarotzern, die ihre Eier ausschließlich in die Nester von Wirtsvögeln legen.

Bei einer Koevolution beeinflussen sich zwei Arten durch gegenseitige evolutionäre Anpassungen. Das kann zum Beispiel zwischen einem Raubtier und seiner Beute, einem Bestäuber und der Blütenpflanze oder einem Parasiten und seinem Wirt erfolgen. Ist der Selektionsdruck hoch, gehen die Beteiligten ein Wettrüsten miteinander ein: Jede evolutionäre Veränderung bei der einen Art ruft eine Gegenreaktion in der anderen hervor. Das kann so weit gehen, bis schließlich ganz neue Arten entstehen. Bislang konnte jedoch nicht bewiesen werden, dass die Koevolution die Artenvielfalt erhöht.

Oliver Krüger, Professor für Verhaltensforschung an der Universität Bielefeld erklärt das so: »Echte Beweise für die Rolle der Koevolution in der Biodiversität sind rar, da der evolutionäre Zeitrahmen für solche Studien oft zu lang ist.« Die Beweise sind entweder mikroevolutionärer Natur und dokumentieren kleine Verhaltensänderungen, aus denen sich schließen lässt, dass sie über lange Zeiträume zu einer Artbildung führen könnten. Oder die Daten sind makroevolutionärer Natur und zeigen die Rolle der Koevolution über viele Millionen Jahre hinweg. Laut Krüger sagen solche Analysen jedoch nichts über den genauen, mikroevolutionären Verhaltensmechanismus.

Eine kürzlich in »Science« veröffentlichte Arbeit eines internationalen Teams hat es nun geschafft, überzeugende Beweise sowohl auf mikro- als auch auf makroevolutionärer Ebene zu liefern. Die Forscherinnen und Forscher um Naomi Langmore von der Australian National University in Canberra zeigten, dass sich bei brutparasitären Kuckucken durch Wettrüsten mit ihren Wirten neue Arten bilden. »Wir haben diese Vögel gewählt, weil fast alle ihre Interaktionen und Anpassungen am Wirtsnest stattfinden. So können wir sie leicht in Experimenten untersuchen«, erklärt Langmore.

Etwa ein Prozent aller Vogelarten sind Brutparasiten, die ihre Eier in das Nest einer fremden Art legen. Das Ausmaß der Kosten, die sie ihren Wirten auferlegen, hängt von dem Grad ihrer »Virulenz« ab. Bei einigen Kuckucksarten vertreiben die Küken die Wirtsjungen aus dem Nest, während bei anderen Kuckucken die Jungen zusammen mit dem Wirtsküken aufgezogen werden. Jene Wirtsarten, deren Nachwuchs von dem Parasiten getötet werden, entwickeln in der Regel starke Abwehrmechanismen. Hierzu gehören Gene, die es ihnen ermöglichen, fremde Eier zu erkennen und abzustoßen. Der Brutparasit reagiert entsprechend darauf, indem er die Eier oder Küken des Wirts immer besser nachahmt. Daher ist eine Koevolution bei bestimmten brutparasitären Kuckucken wahrscheinlich, was möglicherweise zu einer stärkeren Artenbildung führt.

»Echte Beweise für die Rolle der Koevolution in der Biodiversität sind rar, da der evolutionäre Zeitrahmen für solche Studien oft zu lang ist«Oliver Krüger, Biologe

Um diese Theorie zu beweisen, untersuchte das Team mit Hilfe eines Modells, ob die Artbildungsrate bei hochvirulenten Kuckucken höher ist als bei nicht vertreibenden oder nicht parasitären Kuckucken. Ihre Ergebnisse belegen: Virulentere Brutparasiten weisen eine höhere Artbildungsrate auf. Kuckuckslinien, die ihren Wirten erhebliche Kosten auferlegen, bringen also schneller neue Arten hervor. »Dadurch, dass sie immer neue Strategien entwickeln, um ihre Wirte zu täuschen, spalten sie sich ständig in verschiedene Linien auf«, sagt Langmore.

Das Team untersuchte dann, wie bereits kleine Verhaltensänderungen solche bedeutenden evolutionären Schritte beeinflussen. Es nutzte dazu Verhaltens-, phänotypische und genetische Daten von Bronzekuckucken, die ihre Eier in die Nester mehrerer Singvogelarten aus der Gattung der Gerygonen legen. Die Fachleute fanden heraus, dass die Eier und Küken des Bronzekuckucks in den Nestern von Elfengerygonen genetisch von jenen in den Nestern der Großschnabel-Gerygonen abweichen. »Obwohl es sich also um dieselbe Art und dasselbe Brutgebiet handelt, unterscheiden sie sich genetisch voneinander«, so Langmore. »Männchen und Weibchen, die von Elfengerygonen aufgezogen werden, verpaaren sich bevorzugt miteinander und nicht mit Individuen, die bei Großschnabel-Gerygonen aufwachsen.«

»Wir wissen aber noch nicht, ob die Interaktionen mit Kuckucksküken die Artbildung in den Wirten ebenfalls vorantreiben«Naomi Langmore, Biologin

»Langfristig kann eine solche Trennung dazu führen, dass sie sich immer weiter voneinander entfernen und schließlich spezifizieren«, sagt Dieter Ebert, Zoologe an der Universität Basel. »Das führt zu einer hohen Artenbildungsrate in Linien mit virulenteren Brutparasiten, und mehr Speziation führt zu höherer Biodiversität«, fügt er hinzu. »Wir wissen aber noch nicht, ob die Interaktionen mit Kuckucksküken die Artbildung in den Wirten ebenfalls vorantreiben«, so Langmore. Möglicherweise entwickeln sich die Wirtsküken in dem Maß vom Kuckuck weg, wie sich die Kuckucksküken an den Wirt anpassen.

»Ein interessantes Indiz dafür ist, dass die verschiedenen Arten der Gerygonen unterschiedliche Farben (Schwarz, Gelb oder Rosa) und Daunenfedermuster haben, so dass sich die Küken der einzelnen Spezies deutlich voneinander unterscheiden«, sagt Langmore. Hingegen sind die Jungen der meisten Singvogelarten typischerweise »einheitlich eintönig«. Obwohl nur eine kleine Anzahl von Kuckucksarten als Erklärung für die globale Artenvielfalt verwendet wurde, hält Ebert dies für einen spannenden ersten Schritt. Es sei nun an der Zeit, die hier entwickelten Konzepte zu nutzen und sie auf andere Systeme übertragen.

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