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Evolution des Pesterregers : Was machte den Schwarzen Tod zum Killer?

Es ist nicht lange her, dass aus einem recht harmlosen Keim der tödliche Pesterreger wurde. Dafür musste nur ein Gen ausfallen und der Floh als Überträgerwirt erobert werden.
Yersinia pestis – auch Pestbakterium genannt.

Die Pest tötet Menschen noch nicht allzu lange – denn ihr Erreger, das Bakterium Yersinia pestis, existiert überhaupt erst seit wenigen Jahrtausenden, wie Erbgutanalysen zeigen. Sie legen nahe, dass die Spezies vor allerhöchstens 6400 Jahren aus einer Vorläuferart entstanden ist, die damals wohl noch ziemlich ungefährlich für den Menschen gewesen sein dürfte. Denn auch die heute noch genetisch sehr ähnlichen nächsten Verwandten des Pestbakteriums, Yersinia pseudotuberculosis und Y. enterocolica, sind eher auf Haustiere spezialisiert; beim Menschen rufen sie höchstens einmal unangenehme, aber kaum tödliche Darmentzündungen hervor. Forscher rätselten, was ausgerechnet den Pesterreger so gefährlich machte.

Gefahr durch neuen Transportwirt

Iman Chounikha und Joseph Hinnebusch haben eine mögliche Antwort gefunden. Bei ihrem Vergleich der Gene und routinemäßig produzierter Proteine von Y. pestis und seinen Verwandten fiel ihnen ein bestimmtes Gen ins Auge: ureD, die Bauanleitung für eine Urease, also ein Harnstoff zerlegendes Enzym. Nur beim Pesterreger sorgt eine Mutation in diesem Gen dafür, die Urease funktionslos zu machen. Und dies erlaubte Y. pestis, seinen Wirkungskreis drastisch zu erweitern: Anders als die Verwandtschaft war der Keim nun plötzlich nicht mehr tödlich, sondern harmlos für Flöhe.

Der Überträger | Floh nach Mahlzeit an einem pestkranken Tier: Die Insekten fungieren als Bakterienfähre zwischen dem natürlichen Wirt des Pesterregers und den Menschen. Träger und Überträger gedeihen in Zentralasien besonders gut, wenn die Frühjahre mild und die Sommer feuchtwarm sind.

Die Blut saugenden Flöhe nehmen häufig verschiedene Bakterien wie die Yersinia-Arten auf, oft bekommt das den Insekten aber nicht: Mindestens ein Drittel stirbt mit akuten Vergiftungserscheinungen, sobald sie Y. enterocolica oder Y. pseudotuberculosis verschlucken. Und dafür ist offenbar die in der Zellwand der Keime eingebaute Urease verantwortlich. Denn im Verdauungstrakt der Blutsauger produziert ihre Tätigkeit massenhaft toxische Ammoniumionen als Stoffwechselabfallprodukte. Anders dagegen bei Y. pestis mit seiner defekten Urease: Hier überleben Flöhe die Bakterien – und damit auch Bakterien in den Flöhen. Und diese können nun Keime etwa von einer zuerst gebissenen Ratte ins Blut eines danach gebissenen Menschen transportieren. Alle anderen Yersinia-Arten müssen dagegen vom Menschen verschluckt werden – und finden sich dann erst im Magen-Darm-Trakt, wo sie weniger gefährlich sind.

Weitere Tests von Chounikha und Hinnebusch belegten, dass tatsächlich nur die einzelne Ureasemutation im Pestkeim entscheidend für die Besiedlung des Flohs ist: Denn ein funktionierendes, gentechnisch in Y. pestis eingebautes Ureasegen sorgte im Gegenteil dafür, dass Flöhe auch den Pesterreger nicht mehr vertrugen. Dagegen überlebten aber Y. enterocolica oder Y. pseudotuberculosis mit gezielt von den Forschern mutierten, defekten ureD-Enzymen in Flöhen sehr wohl.

Der Pesterreger | Der Pesterreger Yersinia pestis, hier fotografiert im Proventriculus seines Flohwirts. Seine Fähigkeit, in Blut saugenden Insekten zu überleben, machte die Bakterien erst wirklich gefährlich für den Menschen.

Im weiteren Verlauf seiner noch kurzen Evolution machte Y. pestis nun offenbar das Beste aus seinen neuen Möglichkeiten, im Floh zu siedeln und zu gedeihen. So spezialisierten sich die Keime allmählich auf die Besiedlung eines bestimmten Bereichs: Sie wachsen als Biofilmrasen im Proventriculus des Flohverdauungstrakts, einem muskulären Vormagenabschnitt, der die vordere Speiseröhre vom Mitteldarm trennt. Hier verhindert ein massiver Bakterienbewuchs, dass der Floh beim Stechen eines Säugetiers genug Blut in einem Happen aufnehmen kann: Stattdessen ist der Blutsauger gezwungen, mehrfach zuzubeißen und länger am Wirt hängen zu bleiben, um satt zu werden. Das kann nun für flohgeplagte Menschen fatale Folgen haben: Längere Saugdauer und wiederholte Attacken erhöhen die Chance für einzelne Keime, aus dem Biofilm im Floh auf und in den Menschen zu gelangen. So steigt die Gefahr der Pestinfektion.

Pesterreger gelangen direkt ins Blut

Die neuen Erkenntnisse ergänzen ältere Forschungsergebnisse, die nach den Ursachen für die besondere Gefährlichkeit des Pesterregers gesucht hatten. Dabei war man auf zwei für Y. pestis charakteristische Plasmide gestoßen – ringförmige Erbgutmoleküle, die ihrem Träger eine genetische Zusatzausstattung verschaffen. Diese Plasmide, pMT1 und pPCP1, die etwa bei Y. pseudotuberculosis fehlen, erleichtern eine Besiedlung des Insektendarms beziehungsweise die Ausbreitung der Keime in die Bisswunde. Allerdings haben sie sicherlich erst später als die Mutation des Ureasegens Bedeutung gewonnen, darüber sind sich Chounikha und Hinnebusch sicher: Denn schließlich hätten die Flöhe vor dieser Mutation den Kontakt mit Yersinia-Keimen schlicht zu selten überlebt. Erst danach konnten Flöhe zum Zwischenwirt der Keime werden – eine fatale Entwicklung, die am Ende vor allem die Übertragung der Pest vom Reservoirwirt Ratte auf den Menschen möglich und häufig gemacht hat.

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