Gedächtnis: Pfoten-Metronom
Gut haben sie's, die Katzen im Labor von Keir Pearson: Sie bekommen Auslauf, Ablenkung und Futter. Und manchmal bekommen sie sogar alles gleichzeitig - was spannende Dinge über ihr Erinnerungsvermögen enthüllen kann.
Eigensinnige Katzen aus dem Konzept zu bringen, ist nicht die allereinfachste Sache der Welt, wie schon die britischen Komiker von Monty Python in den 1960er Jahren gewusst haben. In einem ihrer abgedrehteren TV-Sketche retten die Spezialisten der Firma Verwirre eine Katze Ltd. den geliebten, aber etwas zu saturierten Stubentiger eines alternden Vorstadtehepaares. Das Tier hatte artuntypisch über geraume Zeit vollständig bewegungslos (nicht aber tot) auf dem Vorgarten-Rasen verharrt und konnte aus seiner veterinärfachmännisch diagnostizierten Agonie nur mit extremen Mitteln gerissen werden, die aufzuzählen hier allerdings zu weit ginge. Sicher ist aber eines: Keir Pearson und Kollegen von der Universität von Alberta in Edmonton sind froh, dass sie in ihren aktuellen, wirklichkeitsnäheren Experimenten nicht zu ähnlichen Methoden greifen mussten.
Die kanadischen Wissenschaftler standen dabei allerdings ebenso vor der Herausforderung, eine Katze punktgenau aus ihrer eingeschliffenen Routine zu reißen. Gefragt war, genauer gesagt, ein gerade über ein niedriges Hindernis steigendes Tier so abzulenken, dass es sein Vorwärtsgehen von einem zum nächsten Augenblick vergisst und stattdessen angewurzelt stehen bleibt. Das funktioniert am Besten mit einem Futternapf: taucht einer plötzlich und unerwartet in Reichweite vor der Nase auf, so bleibt ein Durchschnitts-Stubentiger verlässlich stehen – vor, hinter oder halb über einer Gehhürde, jedenfalls aber prompt.
Erwartungsgemäß sollten derartige situationsbezogenen Umweltinformationen über die unmittelbar vorausliegende Wegstrecke nicht gerade im Langzeitgedächtnis verankert werden und dort unnütz Speicherplatz blockieren. Wie schnell aber vergessen die Tiere Wegmarkierungen wirklich? Das Ablenkungsexperiment lieferte die Antwort: Die Forscher präsentierten den Futternapf in dem Augenblick, nachdem die Vorderbeine, aber bevor die Hinterbeine das verinnerlichte Hindernis überstiegen hatten – sich die Katze also genau über der für sie in dieser Lage nicht länger sichtbaren Hürde befand.
In dieser Stellung beschäftigten sich die Tiere dann mal kurz, mal länger mit der Ablenkung, bis diese wieder entfernt wurde, worauf der Stubentiger weiterlief. Dabei überstieg er dann mit den Hinterbeinen die Hürde, als wäre nichts gewesen, wenn er sich an sie erinnerte – oder versuchte das gar nicht erst, falls er sie zwischenzeitlich vergessen hatte. Letzteres passierte den drei getesteten Katzen tatsächlich ab und an – aber nur dann, wenn unterdessen mindestens zehn Minuten vergangen waren, ermittelten die Forscher. Das motorische Gedächtnis der Tiere ist damit deutlich weniger flüchtig als vermutet.
Diese verblüffende Gedächtnisleistung scheint durch einen bisher unentdeckten Mechanismus konsolidiert zu sein, fanden Pearson und Co weiter heraus. Sie hatten ihre Katzen in einem zweiten Versuch per Futternapfpräsentation genau in dem Augenblick gestoppt, in dem eine Hürde unter dem Hals der vorwärts gehenden Katze von ihr nicht mehr zu sehen war, aber kurz bevor das Tier sein Vorderbein tatsächlich hob, um sie zu übersteigen. Anders als zuvor erinnerten sich nun aber die Tiere meist nur noch sekundenlang an das Hindernis unter ihnen und vergaßen es dann prompt.
Wie dies im neuronalen Detail ablaufen könnte, bleibt noch spekulativ. Pearsons Team hält zweierlei für denkbar: Vielleicht existiert eine Art Rückkopplung durch Dehnungs- oder ähnliche Sensoren in den Gelenken oder Muskeln, die ihren Input – aus dem die Position der Beine zu errechnen ist – laufend an das Gehirn zurückmelden. Noch wahrscheinlicher sei aber, dass der Output der motorischen Areale im Gehirn, die den Befehl zur Vorderbeinaktivität geben, gleichzeitig auch ein Signal zum längerfristigen Abspeichern dieser Aktion gibt. Letztere Hypothese passt ganz gut in die gängige Theorie der Bewegungskontrollmechanismen im Gehirn von Säugetieren. Auch das neuronale Abbild unserer Umwelt und ihrer Hindernisse wird jedenfalls durch reale Bewegungen laufend aktualisiert, meinen Pearson und Kollegen jedenfalls. In der Tat: Was man nicht alles mit abgelenkten kanadischen Katzen überzeugend belegen kann.
Die kanadischen Wissenschaftler standen dabei allerdings ebenso vor der Herausforderung, eine Katze punktgenau aus ihrer eingeschliffenen Routine zu reißen. Gefragt war, genauer gesagt, ein gerade über ein niedriges Hindernis steigendes Tier so abzulenken, dass es sein Vorwärtsgehen von einem zum nächsten Augenblick vergisst und stattdessen angewurzelt stehen bleibt. Das funktioniert am Besten mit einem Futternapf: taucht einer plötzlich und unerwartet in Reichweite vor der Nase auf, so bleibt ein Durchschnitts-Stubentiger verlässlich stehen – vor, hinter oder halb über einer Gehhürde, jedenfalls aber prompt.
So weit, so logisch – nur was sollte dieses Experiment beweisen? Den Wissenschaftlern ging es um das kurzzeitige motorische Erinnerungsvermögen einer laufenden Katze. Bekanntermaßen registrieren die Tiere beim Vorwärtsgehen routinemäßig alle Stolperfallen im Abstand von etwa zwei bis vier Schritten und merken sich diese, bis sie sie übersteigen: Auch wenn die visuelle Kontrolle danach kurzzeitig ausfällt – etwa wegen wechselnder Lichtverhältnisse – nehmen die Katzen bereits verinnerlichte Hindernisse deswegen problemlos. Dies gelingt ihnen zudem mit einem angemessenen Minimum an Aufwand; so heben sie etwa ihre Pfoten im richtigen Moment nur genau so hoch wie sie müssen, um die zuvor abgespeicherte Hürdenhöhe zu überwinden, hatten Wissenschaftler zuvor herausgefunden.
Erwartungsgemäß sollten derartige situationsbezogenen Umweltinformationen über die unmittelbar vorausliegende Wegstrecke nicht gerade im Langzeitgedächtnis verankert werden und dort unnütz Speicherplatz blockieren. Wie schnell aber vergessen die Tiere Wegmarkierungen wirklich? Das Ablenkungsexperiment lieferte die Antwort: Die Forscher präsentierten den Futternapf in dem Augenblick, nachdem die Vorderbeine, aber bevor die Hinterbeine das verinnerlichte Hindernis überstiegen hatten – sich die Katze also genau über der für sie in dieser Lage nicht länger sichtbaren Hürde befand.
In dieser Stellung beschäftigten sich die Tiere dann mal kurz, mal länger mit der Ablenkung, bis diese wieder entfernt wurde, worauf der Stubentiger weiterlief. Dabei überstieg er dann mit den Hinterbeinen die Hürde, als wäre nichts gewesen, wenn er sich an sie erinnerte – oder versuchte das gar nicht erst, falls er sie zwischenzeitlich vergessen hatte. Letzteres passierte den drei getesteten Katzen tatsächlich ab und an – aber nur dann, wenn unterdessen mindestens zehn Minuten vergangen waren, ermittelten die Forscher. Das motorische Gedächtnis der Tiere ist damit deutlich weniger flüchtig als vermutet.
Diese verblüffende Gedächtnisleistung scheint durch einen bisher unentdeckten Mechanismus konsolidiert zu sein, fanden Pearson und Co weiter heraus. Sie hatten ihre Katzen in einem zweiten Versuch per Futternapfpräsentation genau in dem Augenblick gestoppt, in dem eine Hürde unter dem Hals der vorwärts gehenden Katze von ihr nicht mehr zu sehen war, aber kurz bevor das Tier sein Vorderbein tatsächlich hob, um sie zu übersteigen. Anders als zuvor erinnerten sich nun aber die Tiere meist nur noch sekundenlang an das Hindernis unter ihnen und vergaßen es dann prompt.
"Ein überzeugend Beispiel dafür, wie Bewegungen die neuronale Vorstellung unserer Umwelt auf dem laufenden halten"
(Keir Perarson)
Warum dieser Unterschied? Offenbar existieren mindestens zwei unterschiedliche motorische Gedächtnisse bei Katzen, schlussfolgern die Forscher. Ihre Theorie: Die unmittelbar vorausliegende Wegstrecke wird zunächst in einem sehr flüchtigen Kurzzeitspeicher für die kommenden paar Sekunden abgelegt, dann aber regelmäßig gelöscht. Um ein Hindernis mittelfristig, also etwa über zehn Minuten lang abzuspeichern, ist aber die tatsächliche Bewegung der Vorderbeine beim Übersteigen dieser Hürde unabdingbar – erst diese lokomotorische Erfahrung sorgt per Feedback für den Informationsspeicher, auf dessen Erfahrungsschatz die Hinterbeine dann beim Überwinden des gleichen Hindernisses etwas länger zurückgreifen können. (Keir Perarson)
Wie dies im neuronalen Detail ablaufen könnte, bleibt noch spekulativ. Pearsons Team hält zweierlei für denkbar: Vielleicht existiert eine Art Rückkopplung durch Dehnungs- oder ähnliche Sensoren in den Gelenken oder Muskeln, die ihren Input – aus dem die Position der Beine zu errechnen ist – laufend an das Gehirn zurückmelden. Noch wahrscheinlicher sei aber, dass der Output der motorischen Areale im Gehirn, die den Befehl zur Vorderbeinaktivität geben, gleichzeitig auch ein Signal zum längerfristigen Abspeichern dieser Aktion gibt. Letztere Hypothese passt ganz gut in die gängige Theorie der Bewegungskontrollmechanismen im Gehirn von Säugetieren. Auch das neuronale Abbild unserer Umwelt und ihrer Hindernisse wird jedenfalls durch reale Bewegungen laufend aktualisiert, meinen Pearson und Kollegen jedenfalls. In der Tat: Was man nicht alles mit abgelenkten kanadischen Katzen überzeugend belegen kann.
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