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Verhaltensforschung: Piraterie im Tümpel

Gewöhnlich ist die Fortpflanzung beim Grasfrosch eine unspektakuläre Angelegenheit: Das Weibchen entlässt die Eier ins Wasser, wo sie vom Partner befruchtet werden. Doch wenn das Paar den Laichballen seinem Schicksal überlassen hat, können Rivalen mit Ambitionen auf eine eigene Kinderschar ins Spiel kommen.
Paarung von <i>Rana temporaria</i>
Das Geschlechtsleben des Grasfrosches (Rana temporaria) klingt wenig aufregend – zumindest bei den bislang beobachteten Vertretern. Er schwört auf äußere Befruchtung: Unmittelbar nach dem Schmelzen der Eisdecke ihrer Tümpel umklammert das Männchen ein Weibchen in der Achselregion und stimuliert es zum Laichen, während es gleichzeitig seinen Samen über die Eier ergießt. Das innige Zusammenleben währt indes nur kurz, denn nach der Paarung gehen die Partner wieder getrennte Wege – zurück bleibt allein ein einziges kugelförmiges Gelege.

Piraten-Männchen | Ein "Piraten"-Männchen umklammert das frische Gelege eines Froschpaares, während es die Eier ein weiteres Mal besamt.
Doch bei einer Population, die in einem mittelgroßen Teich in den zentralen Pyrenäen auf etwa 2200 Metern über dem Meeresspiegel lebt und infolge der niedrigen Nachttemperaturen ausschließlich tagsüber brütet, enthüllten Forscher um David Vieites von der Universidade de Vigo und der Universität Konstanz ein Fortpflanzungsverhalten nach "Seeräubermanier": Gezielt beschatteten häufig ein oder mehrere "Piraten"-Männchen jene Paare, die gerade nach einem angemessenen Laichplatz suchten. Hatten die Eltern das Gelege an einer ruhigen Stelle deponiert und verlassen, umfasste der Verfolger die Eier – und besamte sie ein weiteres Mal.

Einmal schnappte sich gar ein besonders skrupelloses Männchen den Ballen und entriss ihn den leiblichen Froscheltern im Augenblick des Ablaichens, beobachteten die Wissenschaftler. In beinahe der Hälfte der Fälle krochen die Rivalen auch in das Gelege hinein, um Zugang zu den inneren Eiern zu erhalten. Im Jahr 2001 fielen insgesamt 84 Prozent der 119 Laichballen der Piraterie zum Opfer, wobei sich bis zu 16 Konkurrenten pro Gelege einfanden. Gewöhnlich ereignete sich die Fremdbefruchtung innerhalb von Sekunden nach der Eiablage, doch sie trat auch noch bis zu zwei Stunden später auf. Die Forscher ertappten selbst ein Männchen, das sich weniger als drei Stunden zuvor erfolgreich mit einem Weibchen gepaart hatte, beim Besamen eines fremden Geleges.

Paarung von Rana temporaria | Nur während der Paarung lebt der Grasfrosch (Rana temporaria) in inniger Zweisamkeit: In der Achselregion umklammert das Männchen ein Weibchen und stimuliert es zum Laichen, während es gleichzeitig seinen Samen über die Eier ergießt. Anschließend gehen die Partner wieder getrennte Wege.
Um den Anteil der von Piraten befruchteten Eier zu bestimmen, untersuchten sie 16 betroffene Laichballen genauer. Zuvor hatten sie den Elterntieren und den Rivalen an den Zehen Gewebeproben entnommen. Der molekulare Vaterschaftstest deckte auf, dass die Piratenmännchen sieben Gelege erfolgreich mit Samen überzogen hatten: 77 der insgesamt 319 analysierten Embryonen hatten sie gezeugt. Die höchste Fortpflanzungsrate erzielte ein Konkurrent, der die Eier eine Minute nach dem Ablaichen befruchtete – mit 100-prozentigem Erfolg. Bei vier der sieben fremdbesamten Gelege handelte es sich beim zuerst eingetroffenen Frosch-Rivalen um den alleinigen Vater der Piraten-Kinder, bei den übrigen drei Gelegen verbuchten ein anderer oder mehrere den Erfolg.

Vermutlich hat sich das betrügerische Phänomen aufgrund eines verzerrten Geschlechterverhältnisses herauskristallisiert, spekulieren die Forscher. Denn in der untersuchten Population zählten sie etwa 250 Männchen, aber nur 119 laichende Weibchen. Interessanterweise untergräbt jene Strategie die durch Partnerwahl ausgeübte sexuelle Selektion – für das schurkenhaft agierende Männchen sowie das Weibchen ist sie indes von Vorteil: Wie die experimentelle Aufzucht von 31 normalen und 25 von Fremden "gekaperten" Laichballen zeigte, nimmt die Anzahl der befruchteten Eier durch die Piraterie zu. Und nicht zuletzt profitiert auch der Nachwuchs selbst von dem hinterlistigen Verhalten. Schließlich erhöht sich dessen genetische Vielfalt und somit seine Fitness, heben die Wissenschaftler um Vieites hervor.

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