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Autismus: Spur verloren

Autisten verbinden Sprache und Mimik fehlerhaft miteinander.
Sehen und Hören

Autisten scheinen ihre Umwelt ähnlich wahrzunehmen wie einen schlecht synchronisierten Kinofilm: Was sie sehen und hören passt nicht zusammen, entdeckten Forscher um Ryan Stevenson von der Vanderbilt University (USA).

Die Wissenschaftler zeigten autistischen und normal entwickelten Kindern und Jugendlichen zwischen sechs und achtzehn Jahren kurze Videoclips von Werkzeugen in Aktion oder von Gesichtern, die eine Silbe aussprachen. Dabei variierten sie den Abstand zwischen Bild und Tonspur von 0 bis 400 Millisekunden. Die jungen Versuchsteilnehmer sollten angeben, ob sie beide Reize gleichzeitig wahrnahmen. So erfassten die Forscher das individuelle Intervall, bei dem Ton und Bild gerade noch zu einer Empfindung verschmelzen. Ist es klein, deutet dies auf eine besonders präzise Wahrnehmung hin.

Es zeigte sich, dass die Autisten gesprochene Silben und die dazugehörigen Lippenbewegungen trotz eines großen Abstands als zusammengehörend empfanden, während Gesunde schon kurze Pausen zwischen Bild und Ton bemerkten. Der Unterschied fand sich jedoch nur bei sprachlichen Reizen, nicht bei den gezeigten Werkzeugen.

In einer zweiten Aufgabe untersuchten die Forscher die Anfälligkeit der Probandengruppen für den McGurk-Effekt. Dieses psychologische Phänomen tritt auf, wenn man Menschen das Video einer Person zeigt, welche die Silbe "ga" ausspricht, gleichzeitig jedoch eine Tonspur mit der Silbe "ba" abspielt: Fast jeder nimmt daraufhin die Silbe "da" wahr, vermischt also beide Reize miteinander zu einer neuen Empfindung.

Der McGurk-Effekt trat bei autistischen Kindern und Jugendlichen weniger zuverlässig auf als in der Vergleichsgruppe: Sie hörten statt "da" regelmäßig "ba", trennten also den auditiven und den visuellen Reiz voneinander. Die Wahrscheinlichkeit für den McGurk-Effekt war bei den Probanden am geringsten, die im vorangegangenen Test den längsten zeitlichen Abstand zwischen Ton und Bild für einen zusammenhängenden Sinneseindruck zuließen.

Autisten haben also offenbar Probleme zu erkennen, wann zwei Informationen in unterschiedlichen Modalitäten derselben Quelle entstammen und daher zusammengehören. Dies scheint zu Verzögerungen beim Verstehen und Lernen von Sprache zu führen – Hauptmerkmale der Störung. Ein Training der synchronen Wahrnehmung zweier Reize könnte den Forschern zufolge auch die sprachlichen Fähigkeiten der Autisten verbessern.

© Vanderbilt University
Schlecht synchronisiert
Mark Wallace, Leiter des Labors für Multisensorik an der Vanderbilt University, beschreibt die veränderte Wahrnehmung von Ton und Bild bei Autisten.

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