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Gewitter: Was löst die extrem starken »Superblitze« aus?

Rätselhafte Blitze, 1000-mal so stark wie gewöhnliche Entladungen, sind immer noch unerklärlich. Eine neue Studie will dem Phänomen nun näher gekommen sein.
Blitz
»Superblitze« sind gewaltige Entladungen, die zuerst aus dem Weltall beobachtet wurden.

Es fällt schwer, sich dem dramatischen Schauspiel eines Sommergewitters zu entziehen: gleißende Blitze, gefolgt von einem bedrohlichen Grollen, das sich in den Wolken regt. Aber solche gewöhnlichen Blitze verblassen geradezu im Vergleich mit einem verblüffenden Phänomen, das Fachleute als »Superblitze« bezeichnen: Entladungen, die bis zu 1000-mal stärker sind als normale Einschläge. Jetzt gibt es einen neuen Erklärungsansatz für die Entstehung dieser Extremform.

Jede Sekunde ereignen sich auf der ganzen Welt bis zu 100 Blitzentladungen. Superblitze sind jedoch viel stärker und auch viel seltener. Nur jede 100 000. Entladung ist ein Superblitz. Aufgezeichnet wurden solche Erscheinungen erstmals im Jahr 1977 von einer Gruppe von Satelliten, deren Aufgabe es war, nukleare Explosionen aufzuspüren. Damals stellte sich heraus, dass manche Blitze in der Atmosphäre 100-mal intensiver sind als normale Blitze und doppelt so lange andauern, etwa eine Millisekunde.

Wie eine Studie aus dem Jahr 2019 ergab, konzentrieren sich Superblitze auf drei bestimmte Regionen der Welt – den Nordatlantik, das Mittelmeer und den Altiplano in Südamerika – und erreichen ihren Höhepunkt in der Regel zwischen November und Februar. Aus derselben Studie geht hervor, dass Superblitze normalerweise über Wasser ausgelöst werden und nicht über Land einschlagen wie üblich. »Wir haben diese Studie gesehen und uns gefragt: ›Warum ist das so?‹«, sagt Avichay Efraim, Physiker an der Hebräischen Universität Jerusalem und Hauptautor der neuen Untersuchung, die im September 2023 im »Journal of Geophysical Research: Atmospheres« veröffentlicht wurde.

Zur Untersuchung des Phänomens verglich das Team Einschlagsdaten des World-Wide Lightning Location Network, das Einschläge mit Hilfe von Funkempfängern mit sehr niedriger Frequenz (VLF) überwacht, mit den Daten über die Eigenschaften der Gewitter, die derartige Blitze verursachten.

Die Erklärung, zu der die Forscher gelangten, hat mit der inneren Mechanik eines Gewitters zu tun. In turbulenten Gewitterwolken entsteht durch den Zusammenstoß von winzigen Eiskristallen und Graupeln, also weichen Hagelkörnern, ein elektrisches Feld, die so genannte Aufladungszone, in der Blitze entstehen. Positiv geladene Eiskristalle werden durch Aufwinde in Richtung Wolkenspitze getrieben. Die negativ geladenen Graupeln sind schwerer und fallen daher zum unteren Ende der Wolke. Wenn die Ladungen stärker werden, kommt es schließlich zu einer elektrostatischen Entladung, die als Blitz durch die Luft dazwischen zuckt. Das Gleiche kann auch zwischen dem negativ geladenen unteren Rand der Wolke und dem positiv geladenen Erdboden geschehen.

Doch Superblitze, so die Forschungsergebnisse des Teams, entstehen, wenn sich die Aufladungszone und die Erdoberfläche relativ nah sind. »Das hat uns sehr verblüfft«, sagt Efraim, »aber es war völlig offensichtlich.«

Warum der Abstand eine Rolle spielt, ist noch unklar. Efraim vergleicht das Phänomen mit einem Kondensator. Bei diesem elektrischen Bauteil wird Energie in Form statischer Elektrizität gespeichert und blitzschnell wieder abgegeben. »Dabei gibt es zwei geladene Platten und etwas Material oder Luft dazwischen«, erklärt er. Wenn die Platten zu nahe beieinanderliegen, so Efraim, kann das elektrische Feld immer stärker und leitfähiger werden, und wenn etwas Ähnliches in den Wolken passiert, entstehen heftigere Blitze.

In der Vergangenheit erschien bereits eine Reihe ganz ähnlicher Studien und Theorien zum Thema. Einem früheren Erklärungsansatz zufolge beruht die ultrahohe Energie der Blitze auf dem großen Unterschied zwischen dem Salzgehalt von Wasser und Boden. In der neuen Arbeit argumentieren Efraim und seine Mitautoren, dass diese Theorie nicht erklärt, weshalb die unterschiedlichen Salzgehalte des Atlantiks und des Mittelmeers zu einer ähnlichen Anzahl von Superblitzen führen. Zwei weitere Theorien stellen eine Verbindung zwischen Aerosolen, die aus Wüstengebieten aufsteigen, beziehungsweise der Gischt über dem Meer und der Wolkenbildung her. Auch dabei soll es zu einer erhöhten elektrischen Aufladung kommen. Solche Überlegungen erklären jedoch nur die Phänomene in bestimmten Regionen, nicht auf globaler Ebene.

Laut Efraim passt der Ansatz seines Teams zu mehr Orten, an denen die »superbolts« auftreten, als andere Studien. Allerdings sei nicht sicher, ob er ebenso für die Verhältnisse am Äquator und im Nordpazifik gelte. »Es gibt noch viele offene Fragen«, sagt auch Ningyu Liu, Professor für Physik und Astronomie an der University of New Hampshire, der nicht an der neuen Studie beteiligt war. Er weist darauf hin, dass die Erklärung der Studie für Superblitze, die im nordöstlichen Atlantik und im Mittelmeer auftreten, funktioniere, aber nicht für Superblitze an anderen Orten. »Wieso unterscheiden sich diese beiden Regionen so sehr von anderen Regionen über Wasser?«, fragt Liu.

Michael Peterson, ein Atmosphärenforscher am Los Alamos National Laboratory, der ebenfalls nicht an der Efraim-Studie beteiligt war, vermutet die Ursache der hellsten Superblitze, die aus dem Weltraum zu sehen sind, in positiven Aufladungen zwischen Wolken und Boden, während normale Blitze meist durch negative Aufladungen zwischen Wolken und Boden entstünden.

Für Peterson ist überhaupt fraglich, ob das von Efraim und seinen Kollegen untersuchte Phänomen nach aktuellem Verständnis zu den Superblitzen zu zählen ist. Die in der zu Grunde liegenden Studie von 2019 mit Hilfe bodengestützter VLF-Empfänger beobachteten Blitze stammen seiner Meinung nach hauptsächlich von negativ geladenen Wolke-zu-Boden-Entladungen. Das deute darauf hin, dass die VLF-Geräte, die verschiedene Wellenlängen des elektromagnetischen Spektrums messen, eine andere Art von Blitz erfassen. »Wir haben es also mit einem ähnlichen, aber nicht demselben Blitzphänomen zu tun«, sagt er.

Peterson würde sich wünschen, dass die neuen Ergebnisse mit Messungen des elektrischen Felds und den Daten von Wetterradaren abgeglichen werden. So könne man vielleicht besser verstehen, wie das Verhalten des geladenen Niederschlags zu Blitzen führt. Mit solchen Messungen »würde ich der Theorie eher Glauben schenken, vor allem, wenn Daten zur Validierung über den Anden verfügbar sind, im Vergleich zu denen über den Ozeanen der mittleren Breiten«, sagt er.

Die Arten von Gewittern, die Superblitze erzeugen, treten in der Regel über Ozeanen auf, wo der Abstand zwischen der Aufladungszone und der Oberfläche größer ist als über Gebirgszügen wie den Anden. Laut Peterson deutet dies darauf hin, dass ihre Ursache in den physikalischen Abläufen – und nicht in der Höhe über der Erdoberfläche – zu suchen ist. Dessen ungeachtet seien die neuen Ergebnisse aber interessant und ein Schritt vorwärts beim Verständnis der zu Grunde liegenden Blitzphysik.

Auf die Kritik an den Schlussfolgerungen seiner Studie antwortet Efraim: »Es gibt viele Theorien über die Ursachen der Superblitze, und ich glaube, dass diese Theorie die stärkste ist.« Mit seinem Team will er das Problem nun weiter erforschen und sich dabei besonders auf Superblitze in der Nähe des Äquators konzentrieren. »Wir müssen tiefer in die Daten eindringen«, sagt Efraim, »und versuchen herauszufinden, was in den anderen Regionen passiert, die nicht unbedingt unserer Erklärung folgen.«

  • Quellen

Efraim, A. et al.: A possible cause for preference of super bolt lightning over the mediterranean sea and the Altiplano. Journal of Geophysical Research: Atmospheres 128, 2023, doi: 10.1029/2022JD038254

strong>Holzworth, R. H. et al.: Global distribution of superbolts. Journal of Geophysical Research: Atmospheres 124, 2019, doi: 10.1029/2019JD030975

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