Neurowissenschaft: Unbewusste Entscheidungen im Gehirn
Wenn unser Gehirn entscheidet, bevor "uns" - also dem wachen Geist - die Wahlmöglichkeiten bewusst werden, handelt es sich dann überhaupt noch um eine von "uns" in freiem Entschluss getroffene Entscheidung? Einerlei: So etwas scheint häufiger zu geschehen als vermutet, weil im unbewussten tätige Neuronennetze ihre Arbeit konkurrenzlos rasch erledigen.
"Bewusst leben", das klingt wie ein guter Vorschlag. In der Realität ist er allerdings nicht wörtlich zu nehmen und vollständig umzusetzen: Denn müsste unser Bewusstsein wirklich alle großen und kleinen Entscheidungen, die unser Gehirn sekündlich trifft erst sorgfältig kritisch analysieren, so kämen wir wohl kaum noch zum Atmen. "Viele Prozesse im Gehirn laufen unbewusst ab", fasst daher John-Dylan Haynes vom Bernstein-Zentrum für Computational Neuroscience in Berlin zusammen: "Wir wären sonst schon mit alltäglichen Aufgaben der Sinneswahrnehmung und Bewegungskoordination völlig überfordert."
Seit jüngstem wird sogar mehr und mehr deutlich, wie wenige Prozesse unser Hirn überhaupt noch ins Bewusstsein dringen lässt. Haynes und seine Kollegen fragen sich nach ihren neuesten Erkenntnissen nun, ob selbst die von als bewusst getroffen wahrgenommenen Entscheidungen gar nicht so selbstbestimmt sind, wie sie scheinen.
Zweifeln lässt das Hirnforscherteam, zu denen auch Forscher des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig zählten, ein Experiment, bei dem 14 Freiwillige einige Entscheidungsaufgaben spontan lösen mussten. Dabei analysierten die Neuroforscher zeitgleich Veränderungen in den Hirnaktivitäten der Probanden mit einem Magnetresonanztomografen. Ziel des Experiments war es, herauszufinden, wo das Gehirn beginnt, etwas zu entscheiden – und ob dies sogar geschieht, bevor es uns bewusst wird.
Mit ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftler Situationen, in denen eine Entscheidung zu einem selbst gewählten Zeitpunkt stattfindet. "Bisher hat die Forschung in der Regel Prozesse betrachtet, bei denen der Proband sich sofort entscheiden muss. Viele interessante Entscheidungen erfolgen aber in einem eigenen, selbst gewählten Tempo", erklärt Haynes. Die lange Zeitspanne, die seine Untersuchung umfasst, ist beispiellos. "Normalerweise untersucht man die Hirnaktivität einer Person, während sie eine Entscheidung trifft und nicht schon Sekunden vorher", sagt Haynes. "Dass selbst gewählte Entscheidungen vom Gehirn schon so früh angebahnt werden, hat man bisher nicht für möglich gehalten."
Schon vor über 20 Jahren ist es dem amerikanischen Neurophysiologen Benjamin Libet gelungen, ein Gehirnsignal, das so genannte "Bereitschaftspotenzial" zu messen, das einer bewussten Entscheidung um einige hundert Millisekunden vorausgeht. Libets Experimente lösten eine heftige Debatte um die Willensfreiheit aus. Wenn Entscheidungsprozesse unbewusst ablaufen, so argumentierten einige Wissenschaftler, ist der freie Wille eine Illusion – das Gehirn entscheidet, nicht das "Ich". Andere hingegen bezweifelten die Aussagekraft der Daten, vor allem wegen der kurzen Zeitspanne zwischen Bereitschaftspotenzial und bewusster Entscheidung.
Da Haynes und seine Kollegen die Vorbereitung der Entscheidung über weit längere Zeiträume beobachteten, konnten sie diese Zweifel an Libets Experimenten nun aus dem Weg räumen. Einen endgültigen Beweis gegen die Existenz eines freien Willens sehen sie darin noch nicht. "Nach unseren Erkenntnissen werden Entscheidungen im Gehirn zwar unbewusst vorbereitet. Wir wissen aber noch nicht, wo sie endgültig getroffen werden. Vor allem wissen wir noch nicht, ob man sich entgegen einer vorgebahnten Entscheidung des Gehirns auch anders entscheiden kann", sagt Haynes.
Seit jüngstem wird sogar mehr und mehr deutlich, wie wenige Prozesse unser Hirn überhaupt noch ins Bewusstsein dringen lässt. Haynes und seine Kollegen fragen sich nach ihren neuesten Erkenntnissen nun, ob selbst die von als bewusst getroffen wahrgenommenen Entscheidungen gar nicht so selbstbestimmt sind, wie sie scheinen.
Zweifeln lässt das Hirnforscherteam, zu denen auch Forscher des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig zählten, ein Experiment, bei dem 14 Freiwillige einige Entscheidungsaufgaben spontan lösen mussten. Dabei analysierten die Neuroforscher zeitgleich Veränderungen in den Hirnaktivitäten der Probanden mit einem Magnetresonanztomografen. Ziel des Experiments war es, herauszufinden, wo das Gehirn beginnt, etwas zu entscheiden – und ob dies sogar geschieht, bevor es uns bewusst wird.
Die Testpersonen konnten in der Versuchsanordnung frei wählen, ob sie mit der rechten oder der linken Hand einen Knopf betätigen. Anhand einer vor ihren Augen abgespielten Buchstabenfolge sollten sie anschließend angeben, zu welchem Zeitpunkt gefühlsmäßig ihre Entscheidung gefallen war. Bereits sieben Sekunden vor der bewussten Entscheidung konnten die Wissenschaftler aus der Aktivität des frontopolaren Kortex an der Stirnseite des Gehirns vorhersagen, welche Hand der Proband betätigen wird. Zwar ließ sich die Entscheidung der Probanden nicht mit Sicherheit voraussagen, die Häufigkeit richtiger Prognosen lag aber deutlich über dem Zufall. Dies deutet darauf hin, dass die Entscheidung schon zu einem gewissen Grad unbewusst angebahnt, aber noch nicht endgültig gefallen war. Nach der Vorbereitung des Entscheidungsprozesses im frontopolaren Kortex, werden die Informationen zur Ausführung der Tätigkeit und zur Festlegung des Handlungszeitpunkts in andere Hirnbereiche übermittelt.
Mit ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftler Situationen, in denen eine Entscheidung zu einem selbst gewählten Zeitpunkt stattfindet. "Bisher hat die Forschung in der Regel Prozesse betrachtet, bei denen der Proband sich sofort entscheiden muss. Viele interessante Entscheidungen erfolgen aber in einem eigenen, selbst gewählten Tempo", erklärt Haynes. Die lange Zeitspanne, die seine Untersuchung umfasst, ist beispiellos. "Normalerweise untersucht man die Hirnaktivität einer Person, während sie eine Entscheidung trifft und nicht schon Sekunden vorher", sagt Haynes. "Dass selbst gewählte Entscheidungen vom Gehirn schon so früh angebahnt werden, hat man bisher nicht für möglich gehalten."
Schon vor über 20 Jahren ist es dem amerikanischen Neurophysiologen Benjamin Libet gelungen, ein Gehirnsignal, das so genannte "Bereitschaftspotenzial" zu messen, das einer bewussten Entscheidung um einige hundert Millisekunden vorausgeht. Libets Experimente lösten eine heftige Debatte um die Willensfreiheit aus. Wenn Entscheidungsprozesse unbewusst ablaufen, so argumentierten einige Wissenschaftler, ist der freie Wille eine Illusion – das Gehirn entscheidet, nicht das "Ich". Andere hingegen bezweifelten die Aussagekraft der Daten, vor allem wegen der kurzen Zeitspanne zwischen Bereitschaftspotenzial und bewusster Entscheidung.
Da Haynes und seine Kollegen die Vorbereitung der Entscheidung über weit längere Zeiträume beobachteten, konnten sie diese Zweifel an Libets Experimenten nun aus dem Weg räumen. Einen endgültigen Beweis gegen die Existenz eines freien Willens sehen sie darin noch nicht. "Nach unseren Erkenntnissen werden Entscheidungen im Gehirn zwar unbewusst vorbereitet. Wir wissen aber noch nicht, wo sie endgültig getroffen werden. Vor allem wissen wir noch nicht, ob man sich entgegen einer vorgebahnten Entscheidung des Gehirns auch anders entscheiden kann", sagt Haynes.
© Max-Planck-Gesellschaft/spektrumdirekt
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