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Quantentechnologien: Wie Weintrauben die Leistungsfähigkeit von Quantensensoren verbessern

Halbierte Trauben verstärken Magnetfelder. Die Früchte könnten daher den Weg ebnen zu alternativen Mikrowellenresonatoren für hochsensible Quantenmessgeräte – wenn sie bloß stabiler wären.
Zwei Hälften einer Weintraube
Platziert man einen Quantensensor zwischen zwei Weintrauben, wird das Magnetfeld der Mikrowellenstrahlung doppelt so stark.

Fans von ungewöhnlichen Heim-Experimenten werden den Versuch kennen: Legt man eine aufgeschnittene Weintraube, deren Hälften noch über ein kleines Stückchen Haut miteinander verbunden sind, in die Mikrowelle, zünden nach kurzer Zeit leuchtende Plasmablitze. Unzählige Youtube-Videos gibt es dazu. (Kleiner Disclaimer: Das Experiment ist nicht ganz ungefährlich für die Mikrowelle.) Dieses Phänomen ist aber nicht nur hübsch anzusehen, es könnte auch dabei helfen, effizientere Quantensensoren zu entwickeln, schreibt ein Forschungsteam von der australischen Macquarie University in der Fachzeitschrift »Physical Review Applied«. Während sich frühere Arbeiten auf die elektrische Feldkomponente als treibende Kraft hinter der Plasmazündung konzentrierten, untersuchte das Macquarie-Team die magnetische Feldkomponente, die für Quantenanwendungen entscheidend ist.

Der Plasmaeffekt wurde dem Autorenteam zufolge erstmals 1994 beobachtet. Viele Forschungsgruppen weltweit versuchten sich seitdem an einer Erklärung. Lange hieß es, die Mikrowellenstrahlung konzentriere sich im Traubengewebe zunächst stark und schaffe es auf diese Weise, einige Atome zu ionisieren. Das entstehende elektromagnetische Feld bewirke, dass die Ionen über die Verbindungshaut von einer Traubenhälfte zur anderen fließen. Dabei sprühen die ersten Funken. Anschließend durchdringen die Ionen auch die umgebende Luft und ionisieren sie, so dass eine heiße Plasmafahne entsteht. Wie Wissenschaftler der kanadischen Trent University im Jahr 2019 jedoch gezeigt haben, ist diese Erklärung nicht ganz richtig. Die Hautbrücke sei nicht notwendig, damit der Effekt auftritt. Vielmehr werde das Plasma durch einen elektromagnetischen »Hot Spot« in den Trauben erzeugt. Dafür müssen die Traubenhälften die richtige Größe haben und nahe beieinanderliegen. Der Trick funktioniert angeblich auch mit Stachelbeeren, großen Brombeeren, Wachteleiern sowie mit Hydrogelkügelchen. Entscheidend ist das darin enthaltene Wasser.

Größe und Form der Trauben sind entscheidend

Diese Interpretation wird nun von den neuen Experimenten der Australier untermauert. »Wir haben in unserem Versuch gezeigt, dass Traubenpaare auch magnetische Felder verstärken können, die für Quantensensoranwendungen von entscheidender Bedeutung sind«, sagt Ali Fawaz, Doktorand an der Macquarie University und Mitautor. Das Team verwendet speziell hergestellte Nanodiamanten als Quantensensoren. Im Gegensatz zu reinen Diamanten, die farblos sind, ersetzt man darin einige der Kohlenstoffatome durch Stickstoffatome, wodurch winzige Defektzentren entstehen. Diese wirken wie winzige Magneten und reagieren hochsensibel auf externe Magnetfelder. Sie können so winzigste Signale an der Grenze des theoretisch Möglichen messen, wie etwa die Magnetfelder des Gehirns.

Die Forscher platzierten den Quantensensor auf einer dünnen Glasfaser und legten diese zwischen zwei Weintrauben. Dann strahlten sie grünes Laserlicht durch die Faser, was die Defektzentren rot aufleuchten ließ. Die Messung der Helligkeit verrät die Stärke des Magnetfelds. »Auf diese Weise konnten wir feststellen, dass das Magnetfeld der Mikrowellenstrahlung doppelt so stark wird, wenn wir die Trauben hinzufügen«, sagt Fawaz. Als entscheidend für den Erfolg des Experiments erwiesen sich Größe und Form der Trauben. Um die Mikrowellenenergie auf die richtige Frequenz des Quantensensors zu konzentrieren, müssen diese etwa 27 Millimeter lang sein.

Aktuell wird in herkömmlichen Diamant-Quantensensoren Saphir verwendet, um die Mikrowellen zu verstärken. Das Trauben-Experiment zeigt jedoch eindrucksvoll, dass Wasser noch besser funktionieren und Quantensensoren somit sensibler machen könnte als bislang. »Wasser scheint die Mikrowellenenergie tatsächlich noch wirkungsvoller zu bündeln als Saphir, doch es ist auch weniger stabil und verliert mehr Energie in diesem Prozess. Das ist eine große Herausforderung, die wir lösen müssen«, sagt Fawaz. Die Forscher wollen daher nach Materialien suchen, die zuverlässiger funktionieren, aber dennoch einen ähnlichen Effekt erzielen.

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  • Quellen
Phys. Rev. Applied 10.1103/PhysRevApplied.22.064078, 2024.

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