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Quantentechnologien: Physiker erschaffen erstes mechanisches Qubit

Bislang galt es praktisch als Ding der Unmöglichkeit, ein mechanisches Qubit zu erzeugen. Doch ein Schweizer Forschungsteam hat es geschafft – mit einem genialen Trick.
Abstrakte Darstellung einer Schwingung auf schwarzem Hintergrund
Im mikroskopischen Maßstab sind auch akustische Schwingungen quantisiert und bestehen aus winzigen Energiepaketen, den so genannten Phononen. (Illustration)

Ein Quantenbit ist ein seltsames Ding. Es kann im Zustand 1, im Zustand 0 und in einer Überlagerung dieser beiden existieren. Es lässt sich mit anderen Quantenbits verschränken, so dass diese stets im gleichen Zustand sind – zumindest solange niemand eine Messung vornimmt. Es ist die kleinstmögliche Speichereinheit eines Quantencomputers und somit das quantenmechanische Analogon zum klassischen Bit. Theoretisch lässt sich aus jedem System, das zwei klar voneinander unterscheidbare Quantenzustände hat, ein Qubit erzeugen. In der Praxis erweisen sich jedoch viele Systeme als ungeeignet. Sie sind nicht in ausreichender Weise manipulierbar, oder die Quantenzustände werden stark von der Umgebung gestört und haben entsprechend eine zu kurze Lebensdauer, um komplexe Berechnungen durchzuführen.

Nun hat eine Forschungsgruppe von der ETH Zürich erstmals ein funktionierendes mechanisches Qubit demonstriert. Damit könnte man möglicherweise nicht nur völlig neue Arten von Quantenprozessoren bauen, sondern auch robuste Quantensensoren, mit denen sich die Wechselwirkung der Schwerkraft mit Quantenzuständen ausnutzen und messen ließe. Die Wissenschaftler haben ihr Ergebnis im November 2024 im Fachmagazin »Science« veröffentlicht.

Bereits seit einiger Zeit versuchen Fachleute, mit Hilfe eines akustischen Resonators ein Qubit zu konstruieren. Denn im mikroskopischen Maßstab sind auch akustische Schwingungen quantisiert und bestehen aus winzigen Energiepaketen, den so genannten Phononen. Ein solches mechanisches Qubit wäre deutlich robuster gegenüber Umgebungseinflüssen als bisherige Quantensysteme. Da ein mechanischer Oszillator jedoch viele Energieniveaus in gleichen Abständen aufweist, ist es schwierig, ein brauchbares Qubit zu erschaffen. Strahlung, die einen Übergang zwischen zwei Zuständen anregt, kann dann außerdem leicht Wechsel zwischen höheren Energieniveaus auslösen. Diese auch Harmonizität genannte Eigenschaft macht es praktisch unmöglich, Übergänge zwischen einem einzelnen Paar von Quantenzuständen in einem akustischen Resonator zu isolieren und zu kontrollieren.

Das Beste aus zwei Welten zusammenbringen

Um dieses Problem zu überwinden, haben Forscher bisher stets hybride Systeme entwickelt, bei denen der mechanische Resonator mit einem anderen Quantensystem gekoppelt ist. So kombinierte ein Team um Adrian Bachtold vom Institute of Photonic Sciences in Spanien im Jahr 2023 ein Kohlenstoff-Nanoröhrchen mit einem Quantenpunkt und zeigte, dass das miteinander verbundene System bei niedrigen Temperaturen anharmonisch wird. Allerdings verhinderte die sehr kurze Lebensdauer den Einsatz des Systems als mechanisches Qubit.

Das Schweizer Team um Gruppenleiterin Yiwen Chu hat ein supraleitendes Qubit mit einem akustischen Resonator gekoppelt, der aus einem wenige hundert Mikrometer dicken Saphirkristall besteht. Der supraleitende Schaltkreis ist auf einer anderen Saphirplatte direkt unter dem Resonator aufgebracht. Die Kopplung erfolgt über eine kleine Scheibe aus piezoelektrischem Material, die sich als Reaktion auf das elektrische Feld des Qubits verformt. Diese Schwingungen werden zwischen den Kristalloberflächen Millionen Zyklen lang hin- und herreflektiert, bevor sie abklingen.

»Viele Jahre lang dachte man, es sei unmöglich, ein Qubit aus einem mechanischen System herzustellen«Adrian Bachtold, Quantenphysiker

Die Fachleute gestalteten die Vorrichtung so, dass die erzeugten Zustände die Quanteneigenschaften des mechanischen Systems beibehalten, aber die anharmonische Natur des supraleitenden Qubits übernehmen. In ihren Experimenten zeigten sie, dass die beiden Zustände des Hybridsystems mit der niedrigsten Energie unterschiedlich genug sind, um als Qubit-Zustände zu funktionieren. Das kombinierte System erreichte außerdem eine Lebensdauer von 200 Mikrosekunden, verglichen mit 20 Mikrosekunden für das supraleitende Qubit allein.

»Viele Jahre lang dachte man, es sei unmöglich, ein Qubit aus einem mechanischen System herzustellen«, sagte Adrian Bachtold, der zwar Vorarbeit auf dem Gebiet der mechanischen Qubits leistete, aber an dieser speziellen Arbeit nicht beteiligt war, gegenüber »Science«. Es sei praktisch nicht vorstellbar gewesen, das Problem der Harmonizität zu überwinden. Das ist nun zwar prinzipiell gelungen. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass das neue mechanische Qubit in absehbarer Zeit die reifere Konkurrenz verdrängen wird. Seine Fidelität – ein Maß dafür, wie gut sich die gewünschten Zustände erzeugen lassen – liegt bei nur 60 Prozent, verglichen mit mehr als 99 Prozent bei den derzeit besten Qubits.

Es ist jedoch denkbar, dass ein solches mechanisches Qubit als hochempfindlicher Sensor zur Messung der Gravitation dienen könnte – eine weitere zukunftsweisende Anwendung von Quantentechnologien. Doch bevor das Team von der ETH diesen Weg weiterverfolgt, möchte es erst mal zeigen, dass sich mit zwei verschränkten mechanischen Qubits einfache logische Operationen ausführen lassen – ein wichtiges Kriterium für die Eignung als Recheneinheit eines Quantencomputers.

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  • Quellen
Science 10.1126/science.adr2464, 2024

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