Physiologie: Zeit zu verschmieren
Das weiß auch jeder Zivildienstleistende: Soldaten, die sich im schönsten Braun-Olivgrün auf winterlichen Schneeböden vor dem Feind verstecken wollen, begehen einen gefährlichen modischen Fauxpas. Wäre gut, wenn sie ihr Tarnkleid so schnell und kompetent ändern könnten wie Tintenfische.
Wer könnte sich besser mit Malerbedarf auskennen als alteingesessene Farbproduzenten und -lieferanten, zum Beispiel die Familie Sepia & Co.? Die Angehörigen der gleichnamigen Tintenfischgattung sind sogar stolzer Namenspatron einer eigenen Farbe (dem edlen Grauschwarz für Tuschezeichnungen und zum Färben von Stoffen und Lebensmitteln) sowie einer Färbemethode (die früher zum Schutz vor Verblassen und zum Aufhübschen von Fotos genutzt wurde und einen Effekt erzeugte, der sich noch heute, elektronisch wiederauferstanden in modernen Bildbearbeitungsprogrammen, großer Beliebtheit erfreut). All dies gäbe es so nicht, wäre nicht die Evolution irgendwann auf die Idee gekommen, Sepia officinalis und seine Verwandtschaft mit dem Prinzip "Farbe schneidert dynamischen Tarnmantel" auszustatten.
Der Tintenfisch-Trick macht möglich, dass Sepias mit ihrer ureigenen Pigmentfarbe innerhalb von kürzester Zeit Aussehen und Musterung ihrer Körperoberfläche radikal ändern können. Das dient dann zum Beispiel dazu, mit verwirrenden Hautsignalen Paarungspartner zu beeindrucken oder Konkurrenten drohend zu verschrecken. Oder, wenn der Ernst des Lebens dominiert, perfekt die Beschaffenheit des Untergrunds zu kopieren und mit ihm vor den suchenden Augen von Feinden oder Beute zu verschmelzen.
Nur: Woher weiß die Sepiahaut eigentlich, welches Muster sie annehmen soll? Und wie wird eigentlich kontrolliert, ob ein Probemuster tatsächlich irgendwie der Beschaffenheit des gerade aktuellen Untergrunds entspricht? An beiden Fragestellungen arbeiten zum Beispiel Forscher wie Daniel Osorio und seine Kollegen von der Universität Sussex. Nun sind die Wissenschaftler einen Schritt weiter gekommen, indem sie die von Tintenfischen neuronal durchgeführten Bildbearbeitungsschritte zum Angleichen von Körperoberfläche und Untergrund etwas detaillierter ausklamüserten.
Teilen und tarnen
Die Sepia-Tarnvorrichtung zerlegt demnach die am Untergrund wahrgenommene Mustervorlage für ihren Tarnmantel des Augenblicks in drei Bildparameter: Zunächst eine "Richtung" oder "Orientierung" von Musterkomponenten – wie sind zum Beispiel kontrastierende Farbverläufe angeordnet?. Dann eine "räumliche Frequenz" – wie oft wiederholen sich zum Beispiel helle Kiesel durchschnittlich gegenüber einem dunklen Hintergrund? Und zuletzt die Leuchtdichte, vulgo Helligkeit.
Offenbar reichen diese Informationen, um eine recht perfekte Bodensimulation auf die Haut zu zaubern – wenn, letzter Kniff, noch eine Art Unschärfefilter das Ergebnis abrundet. Je höher dieser Filter gedreht wird, desto mehr wird aus einem aus stark kontrastierenden Flächen bestehenden "disruptiven" Tarnmuster eine eher "marmorierte" Camouflage.
Die Marmor-Tarnung scheint besonders dann von Vorteil zu sein, wenn die Hintergrundbeschaffenheit es überhaupt erlaubt, mit ihm zu verschmelzen. Gerade als größeres Tier vor einem zwar kleinteiligen, aber zudem stark kontrastierend gemusterten Untergrund mit scharfen visuellen Ecken und Kanten – wie einem Kieselstrand – scheint aber eine perfekte Tarnung schwerer zu bewerkstelligen als eine Verwirrungstaktik. Und genau diese erzielt offenbar das scharf disruptive Tarnkleid.
Vielleicht übersieht man als Räuber auf Sepia-Jagd einen so getarnten Tintenfisch nicht völlig, man kann aber nicht mehr genau sagen, an welcher der vielen kontrastreichen Kanten der Unterboden anfängt und die Sepia anfängt, meinen Osorio und Kollegen. Und da kann dann eine Attacke leicht einmal fehlschlagen und im Kiesbett landen.
Der Tintenfisch-Trick macht möglich, dass Sepias mit ihrer ureigenen Pigmentfarbe innerhalb von kürzester Zeit Aussehen und Musterung ihrer Körperoberfläche radikal ändern können. Das dient dann zum Beispiel dazu, mit verwirrenden Hautsignalen Paarungspartner zu beeindrucken oder Konkurrenten drohend zu verschrecken. Oder, wenn der Ernst des Lebens dominiert, perfekt die Beschaffenheit des Untergrunds zu kopieren und mit ihm vor den suchenden Augen von Feinden oder Beute zu verschmelzen.
Das ist alles andere als eine leichte Übung. Die Technik hinter dem Kunststück – die Malerbedarfs-Hardware – ist dabei schon ziemlich lange verstanden: So genannte Chromophoren in der Haut ziehen sich entweder als farbgefüllten Zellbehälter auseinander (ein schwarzer Fleck breitet sich aus) oder lassen sich wieder zusammenschnurren (ein weißer Hintergrund wird sichtbar, in dem der kleine konzentrierte Pigmentpunkt untergeht). Je mehr solcher einzeln per Muskulatur regulierbarer Chromophoren, desto hochaufgelöster und komplexer kann das Oberflächenmuster werden.
Nur: Woher weiß die Sepiahaut eigentlich, welches Muster sie annehmen soll? Und wie wird eigentlich kontrolliert, ob ein Probemuster tatsächlich irgendwie der Beschaffenheit des gerade aktuellen Untergrunds entspricht? An beiden Fragestellungen arbeiten zum Beispiel Forscher wie Daniel Osorio und seine Kollegen von der Universität Sussex. Nun sind die Wissenschaftler einen Schritt weiter gekommen, indem sie die von Tintenfischen neuronal durchgeführten Bildbearbeitungsschritte zum Angleichen von Körperoberfläche und Untergrund etwas detaillierter ausklamüserten.
Teilen und tarnen
Die Sepia-Tarnvorrichtung zerlegt demnach die am Untergrund wahrgenommene Mustervorlage für ihren Tarnmantel des Augenblicks in drei Bildparameter: Zunächst eine "Richtung" oder "Orientierung" von Musterkomponenten – wie sind zum Beispiel kontrastierende Farbverläufe angeordnet?. Dann eine "räumliche Frequenz" – wie oft wiederholen sich zum Beispiel helle Kiesel durchschnittlich gegenüber einem dunklen Hintergrund? Und zuletzt die Leuchtdichte, vulgo Helligkeit.
Offenbar reichen diese Informationen, um eine recht perfekte Bodensimulation auf die Haut zu zaubern – wenn, letzter Kniff, noch eine Art Unschärfefilter das Ergebnis abrundet. Je höher dieser Filter gedreht wird, desto mehr wird aus einem aus stark kontrastierenden Flächen bestehenden "disruptiven" Tarnmuster eine eher "marmorierte" Camouflage.
In der Praxis demonstrieren die Forscher die Sepia-Tarn-Bandbreite an einem eher unnatürlichen Extremuntergrund: einem Schachbrett. Hier emulieren die Tiere erst Helligkeit und Feldergröße im Rahmen ihrer Möglichkeiten und drehen dann ihren Tarnfilter auf 100 Prozent "disruptiv" – auf dem Körper erscheinen scharfe Trennkanten zwischen den Chromophorflächen. Je weniger scharfe Trennkanten der Untergrund aufweist, desto höher wird der Anteil marmorierter Tarnflächen gesetzt. Und desto weich-fließender wirkt dann auch das Gesamtbild.
Die Marmor-Tarnung scheint besonders dann von Vorteil zu sein, wenn die Hintergrundbeschaffenheit es überhaupt erlaubt, mit ihm zu verschmelzen. Gerade als größeres Tier vor einem zwar kleinteiligen, aber zudem stark kontrastierend gemusterten Untergrund mit scharfen visuellen Ecken und Kanten – wie einem Kieselstrand – scheint aber eine perfekte Tarnung schwerer zu bewerkstelligen als eine Verwirrungstaktik. Und genau diese erzielt offenbar das scharf disruptive Tarnkleid.
Vielleicht übersieht man als Räuber auf Sepia-Jagd einen so getarnten Tintenfisch nicht völlig, man kann aber nicht mehr genau sagen, an welcher der vielen kontrastreichen Kanten der Unterboden anfängt und die Sepia anfängt, meinen Osorio und Kollegen. Und da kann dann eine Attacke leicht einmal fehlschlagen und im Kiesbett landen.
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