Lexikon der Biologie: Kopffüßer
Kopffüßer, Kopffüßler, Tintenschnecken (i.w.S.), inkorrekte Bezeichnung Tintenfische (i.w.S.), Cephalopoda, Klasse der schalentragenden Weichtiere ( üß vgl. Tab. ), die ausschließlich im Meer vertreten ist und dort mit den Riesenkalmaren die größten Wirbellosen stellt. Sie bewohnen das flachste Wasser bis in große lichtlose Tiefen, leben benthonisch, nektonisch oder planktonisch (vor allem die Larven) vom Äquator bis zu den Polen. Etwa 750 lebenden Arten der Coleoidea stehen 6 lebende Arten der Nautiloidea (Gattungen Nautilus Linné 1758 und Allonautilus Ward & Saunders 1997) gegenüber (fossile Kopffüßer: üß vgl. Infobox ). Die Kopffüßer unterscheiden sich vergleichend-anatomisch, physiologisch und entwicklungsgeschichtlich von allen anderen Weichtieren. Die Körperlängsachse ist stark verkürzt, das Wachstum erfolgt bevorzugt im Bereich des Eingeweidesacks, der sich hochkuppelförmig über den Kopf-Fuß-Bereich erhebt. Aus hydrodynamischen Gründen wird die durch den Eingeweidesack verlaufende Haupt-Achse horizontal gekippt. Beim schwimmenden Kopffüßer ist so die primäre Vorderseite oben, die Hinterseite unten, usw. Der wohlentwickelte Kopf trägt auffällig große, leistungsfähige Augen; der Fuß (Podium) ist stark umgestaltet: zu den Fangarmen (Tentakel), die um den Mund stehen, und zum Trichter, der bei den Perlbooten aus 2 Lappen, bei den übrigen Kopffüßern aus einem Rohr besteht, das aus der Mantelhöhle unter dem Kopf herausführt. Ursprünglich hatten wohl alle frühen Kopffüßer einen komplizierten hydrostatischen Apparat, bestehend aus einem mehrschichtigen aragonitischen Gehäuse mit zahlreichen gas- oder flüssigkeitsgefüllten Kammern und dem Siphonalstrang. Dieser Apparat findet sich nur noch bei den lebenden Gattungen Nautilus (Perlboot) und Allonautilus als Außenschaler (Ectocochlia) sowie bei Spirula (Posthörnchen) und den Sepioidea (Tintenschnecken) als ein im Mantel liegendes gekammertes Gehäuse. Alle übrigen lebenden Kopffüßer weisen eine ins Innere verlagerte Schale auf, meist eine mehr oder weniger dünne Rückenplatte (Gladius, Schulp) aus β-Chitin und Conchin als stabilisierendem Innenskelett, bei den Octopodidae (Octopus) bis auf kleine, plättchenförmige Reste zurückgebildet. Äußerer Abschluß des Körpers ist der Muskelmantel. Kontrahiert er sich, so wird das Wasser aus der Mantelhöhle durch den Trichter ausgestoßen, wodurch sich der Kopffüßer nach dem Rückstoßprinzip bewegt. Der biegsame Trichter bestimmt die Bewegungsrichtung. Daneben sind oft muskulöse Hautsäume (Flossen) vorhanden, die zum langsamen Schwimmen benutzt werden. Die Schwimmlage kann durch unterschiedliches Füllen der verbliebenen Schalenkammern mit Flüssigkeit und Gas (Gasdrüse) reguliert werden. Die Körperoberfläche wird von einem einschichtigen Epithel gebildet; in die darunterliegende, mesodermale Unterhaut sind Chromatophor-Organe (Chromatophoren, Farbwechsel) und Flitterzellen eingebettet, deren Muster ein Tarnkleid bildet, aber durch nervöse Steuerung auch Stimmungen widerspiegeln kann (Erregung, Paarungsbereitschaft). In der Haut können Leuchtorgane (Leuchtorganismen) liegen, vor allem auf der Unterseite. Das Leuchten wird durch symbiontische Bakterien (Leuchtsymbiose, bei Sepioidea) oder durch Luciferin-Luciferase (Biolumineszenz) erzeugt (bei Teuthoidea;Kalmare) und kann an einem Tier verschiedenfarbig sein (Wunderlampe). Die Coleoidea weisen zum Schutz gegen Feinde einen Tintenbeutel (Tintendrüse) auf, der bei manchen Tiefseearten (Tiefseefauna) anstatt schwarzbrauner, phantombildender und anästhesierender Tinte („Sepiatusche") den Ausstoß von Leuchtsubstanz ermöglicht. Ammonoidea, Nautiloidea und Bactritoidea (Bactriten) hatten nach heutiger Kenntnis keinen Tintenbeutel. – Die Kopffüßer sind carnivor; sie ernähren sich meist von Fischen, Krebsen, Muscheln, in der Tiefsee von Schlangensternen und Ringelwürmern; wenige Kopffüßer leben von Plankton(Chiroteuthis). Die Saugnäpfe (Saugnapf) der Arme, bei manchen mit Haken bewehrt, halten die Beute und führen sie zum Mund. 2 Kiefer, einem umgekehrten Papageienschnabel ähnlich, töten das Opfer und schneiden Stücke heraus. Die Reibzunge (Radula) transportiert diese in den Schlund, wo sie mit dem Sekret mehrerer Speicheldrüsen vermischt und in Speiseröhre, Vormagen und Magen weitergeleitet werden. Die angedaute Nahrung wird in einem Blindsack (Caecum) weiter abgebaut und resorbiert, auch in Teilen der Mitteldarmdrüse (fälschlich „Leber" und „Pankreas") und des Mitteldarms. Letzterer biegt nach vorn um; der Enddarm mündet hinter dem Trichter in die Mantelhöhle; in seinen Endabschnitt tritt der von der Tintendrüse kommende Gang ein. Der Kreislauf (Blutkreislauf, Abb.) ist wesentlich leistungsfähiger als der anderer Weichtiere; er ist fast, bei manchen wohl ganz geschlossen. Das arterielle Herz wird von Kiemenherzen und kontraktilen Gefäßen unterstützt. Der Gasaustausch erfolgt über 4 (Perlboot) oder 2 Kiemen (übrige Kopffüßer) in der Mantelhöhle ( Atmungsorgane II ). Als Exkretionsorgane sind 4 (Perlboot) oder 2 Nierensäcke ausgebildet, die mit dem Herzbeutel verbunden sind; die Harnleiter münden in die Mantelhöhle. Das Nervensystem ist hochentwickelt; die wichtigsten Ganglien sind zu einem „Gehirn" verschmolzen (Gehirn), spezielle Riesenfasersysteme (Kolossalfasern) dienen der schnellen Erregungsleitung (Nervenzelle I–II). Das Perlboot zeigt noch primitive Merkmale (z.B. Markstränge); die höchste Konzentration findet sich bei den Kraken ( üß vgl. Abb. ), deren Gehirn über 40 Lappen sowie Rinden- und Markschicht aufweist. Bei Schwimmern dominiert der Licht-, bei Bodentieren der Tastsinn. Die paarigen Augen stehen auf sehr unterschiedlichen Entwicklungsstufen: vom Loch-Kameraauge (Perlboot) bis zum Linsenauge mit Sekundärlid (Myopsida). Die Stäbchen sind dem Licht zugewandt (everse Augen; Netzhaut). Statocysten sind in die Knorpelkapsel eingebettet, die das Gehirn schützend umgibt. Die Kopffüßer sind getrenntgeschlechtlich und haben 1 Keimdrüse; Sexualdimorphismus ist häufig, besonders ausgeprägt bei Argonauta (Papierboot). Bei den Männchen ist meist ein Arm zum Hectocotylus („Begattungsarm") umgewandelt. Dieser überträgt die Spermatophore in besondere Taschen des Weibchens. Dort werden die Spermien durch einen „ejakulatorischen Apparat" aus der Spermatophore ausgestoßen. Die befruchteten, dotterreichen, meist in Gruppen abgelegten Eier furchen sich diskoidal (Furchung); der Embryo ernährt sich vom Dotter. Die Jungtiere schlüpfen mit einem typischen Pigmentmuster; sie wachsen schnell heran. Die Lebenserwartung übersteigt selten 3 Jahre. Die Kopffüßer werden vom Menschen als Nahrung geschätzt: 1998 wurden offiziell Fänge von rund 2,6 Millionen t registriert (Quelle: FAO); vor allem die schwarmbildenden Kalmare ergeben Massenfänge. üß Kopffüßer ;, Weichtiere.
K.-J.G.
Kopffüßer
Krake (Octopus spec.)
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