Lexikon der Geographie: demographischer Übergang
demographischer Übergang, demographische, Transformation, mehr oder minder regelhafter Wandel der natürlichen Bevölkerungsbewegungen von relativ hohen Geburten- und Sterbeziffern zu vergleichsweise niedrigen Werten. Mit dem Übergang von der traditionellen zur modernen Bevölkerungsweise, dessen Ursachen in weit reichenden gesellschaftlichen und ökonomischen Veränderungen, in Europa insbesondere in der fortschreitenden Industrialisierung und Verstädterung, zu suchen sind, steigt das natürliche Bevölkerungswachstum aufgrund der verzögert absinkenden Geburtenziffer zeitlich begrenzt an. Der Verlauf lässt sich in fünf Transformationsphasen untergliedern ( Abb. 1):
a) prätransformative Phase: hohe demographische Umsatz- bei geringen Geburtenüberschussziffern, vorübergehend auch Geburtendefizite aufgrund kurzfristig stark variierenden Sterberaten; b) frühtransformative Phase: eher konstante bis sogar leicht zunehmende Geburtenrate bei zurückgehender Sterberate, durch das Auseinanderlaufen der beiden Graphen Geburtenrate und Sterberate spricht man von der Öffnung der Bevölkerungsschere, das natürliche Wachstum steigt an; c) mitteltransformative Phase: weiteres Absinken der Mortalität und langsamer Beginn des Fruchtbarkeitsrückgangs, maximale natürliche Wachstumsraten, die Bevölkerungsschere ist jetzt am weitesten geöffnet; d) spättransformative Phase: beschleunigte Verringerung der Geburtenrate, nur noch geringfügig rückläufige Sterberate, die Zuwachsrate wird langsam geringer, die Bevölkerungsschere beginnt sich zu schließen; e) posttransformative Phase: niedrige Umsatzziffern, geringes natürliches Wachstum bis hin zu einem Bevölkerungsrückgang, leicht steigende Sterberate wegen des zunehmenden Anteils älterer Menschen.
Als Konsequenz des demographischen Übergangs ändern sich Altersstruktur und Geschlechtsgliederung. Der beschriebene schematische Verlauf, auch Modell des demographischen Übergangs genannt, trifft weitgehend für Europa, Nordamerika, Australien/Neuseeland sowie Japan zu ( Abb. 2). Je später sich die Bevölkerungsschere öffnet, desto kürzer ist der Übergang (Geburtenüberschussziffer, Abb. 1). In Frankreich setzte etwa zur gleichen Zeit der Rückgang von Geburten- und Sterberate um 1800 ein, das natürliche Wachstum verzeichnet nie überdurchschnittliche Werte. In den weniger entwickelten Ländern sinkt die Sterblichkeit Mitte des 20. Jh. sehr rasch ab, und der Fruchtbarkeitsrückgang erfolgt verzögert. Geburten- und Sterberate entwickeln sich stark auseinander mit hoher positiver Bevölkerungsentwicklung über einen relativ langen Zeitraum ( Abb. 2). Das variable Übergangsmodell ( Abb. 3) versucht, die in der Realität bzgl. Beginn, Verlauf und Größenordnung der Raten auch auf regionaler Ebene zu beobachtende Vielfalt des demographischen Übergangs zu erfassen. Das Modell bildet auch einen Rahmen für Erklärungsansätze. Allerdings betonen sie zu sehr den Fruchtbarkeitsrückgang und beziehen nicht die demographischen Auswirkungen von Migrationen ein. Zu einer Prognose ist das Modell ungeeignet, da ökonomische, soziale und kulturelle Bedingungen regional zu sehr variieren. Die Entwicklung im Gebiet der ehemaligen Sowjetunion mit einem markanten Anstieg der Sterblichkeit bei Männern (Übersterblichkeit) und stark sinkender Fruchtbarkeit lässt sich z.B. nicht in das Modell einordnen.
PG
Lit: [1] BÄHR, J. (1997): Bevölkerungsgeographie. – Stuttgart. [2] HAUSER, J.A. (1981): Zur Theorie der demographischen Transformation. In: Zeitschrift zur Bevölkerungswissenschaft 7, S. 255-271. [3] WEEKS, J.R. (1999): Population. An introduction to concepts and issues. – Belmont (Kanada).
demographischer Übergang 1: demographischer Übergang 1: Schematische Darstellung.
demographischer Übergang 2: demographischer Übergang 2: Entwicklung der Geburten- und Sterberaten in ausgewählten Ländern.
demographischer Übergang 3: demographischer Übergang 3: Variables Modell des demographischen Übergangs.
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