Lexikon der Kartographie und Geomatik: Geoinformationssystem
Geoinformationssystem
Andreas Müller, Trier
Im engeren Sinn wird unter Geoinformationssystem (GIS), E Geographical Information System, ein Informationssystem als Software verstanden, mit dessen Hilfe Geodaten erfasst, verwaltet und ausgegeben werden können. Geoinformationssysteme verfügen darüber hinaus über umfangreiche Funktionen zur Datenanalyse(Abb.). Vereinzelt findet sich auch die Bezeichnung raumbezogenes Informationssystem (RIS). Die weiteste Definition weist ein Geoinformationssystem als ein System aus Software, Hardware, Daten und den Anwendungen aus. Hieraus wird häufig gefolgert, dass etwa Datensammlungen allein auch als Geoinformationssystem bezeichnet werden können, wie es beispielsweise im Falle von ATKIS gehandhabt wird. Letzteres ist vor allem durch den hohen Stellenwert begründbar, der den Daten eines Geoinformationssystems zukommt.
Der Raumbezug von Geodaten macht den Einsatz spezieller Funktionen zur Erfassung, Verwaltung und Ausgabe notwendig. Aus diesem Grund unterscheidet sich ein Geoinformationssystem von anderen Informationssystemen im Wesentlichen durch die Art der Datenhaltung, vor allem durch die verwendeten Datenstrukturen und durch die darauf aufbauende Funktionalität. Aus pragmatischen Gründen trennen Geoinformationssysteme in Strukturen für Sachdaten und Geometriedaten. Vielfach werden hierbei Daten nach dem Ebenenkonzept strukturiert, indem Geometriedaten in verschiedenen, gleichberechtigten Layern gespeichert werden, die durch Überlagerung wieder zusammengeführt werden können. Die Sachdaten werden demgegenüber in Form von Tabellen, häufig innerhalb einer relationalen Datenbank, gespeichert. Grundsätzlich können Geodaten in Form von Rasterdaten oder Vektordaten verarbeitet werden, Systeme die beide Datenmodelle unterstützen, werden hybride Geoinformationssysteme genannt (hybrides Datenmodell).
Im Wesentlichen unterscheiden sich Geoinformationssysteme durch die zur Verfügung stehende Funktionalität der eingesetzten Softwarekomponenten.
Funktionen zur Erfassung von Geodaten dienen vor allem zur Digitalisierung der Geometriedaten von Geoobjekten aus sekundären Quellen, darüber hinaus können über angeschlossene Messgeräte, wie z. B. GPS-Empfänger, Daten empfangen und über geeignete Datenschnittstellen zwischen Systemen ausgetauscht werden (Datenaustausch). Funktionen zur Verwaltung von Geodaten dienen der Organisation von Zugriffen auf gespeicherte Daten, in der Regel über eine Geodatenbank. Die Verwaltung beinhaltet zudem die Modellierung der semantischen Relationen zwischen Geoobjekten, die jeweils auf einen Anwendungsbereich angepasst werden muss. So verfügen Geoinformationssysteme über Funktionen, um bspw. den Objektartenkatalog als semantische Beschreibung des ATKIS-Datenmodells abzubilden. Aktuelle Entwicklungen der Datenverwaltung betreffen vor allem die Einbeziehung dreidimensionaler Daten auf der Basis von 3D-Modellen und erweiterte Möglichkeiten zur Verwaltung von Zeitreihendaten.
Funktionen zur Analyse von Geodaten dienen der Berechnung abgeleiteter, meist aggregierter Informationen aus Rohdaten. Hierbei spielt eine besondere Rolle, dass sowohl thematische als auch geometrische Merkmale von Geoobjekten in die Analyse einfließen können. Von wachsender Bedeutung in diesem Bereich sind Möglichkeiten, das Verhalten realer Systeme durch Simulationen wiedergeben zu können.
Funktionen zur Ausgabe von Geodaten betreffen den Bereich der kartographischen Abbildung und Visualisierung. Hierzu werden spezielle Funktionen zur kartographischen Darstellung von Bildschirmkarten eingesetzt, insbesondere durch die Implementierung von Verfahren der thematischen Kartographie.
Wichtige Erweiterungen haben Geoinformationssysteme aus den Entwicklungen zur Multimedia-Kartographie, 3D-Visualisierung und der wissenschaftlichen Visualisierung erfahren. Dies wirkt sich auch insgesamt auf die Bedienbarkeit der Systeme aus, da durch den Einsatz von graphischen Benutzeroberflächen die Interaktion zwischen Benutzer und System intuitiver und leichter erlernbar ist. Hierzu gehören vor allem auch spezielle Funktionen interaktiver Karten.
Des Weiteren werden Geoinformationssysteme danach eingeteilt und beurteilt, welche Hardware sie als Plattform unterstützen, bzw. welche Leistungsanforderungen an die Hardware bestehen. Hier sind zunächst die Desktop-Systeme zu nennen, die auf Einzelplatz-Rechnern zum Einsatz kommen, in der Regel leistungsfähige Personalcomputer oder Graphik-Workstations. Ferner können Geoinformationssysteme verteilte Anwendungen in einem Client-Server-Netzwerk darstellen, wobei den unterschiedlichen Rechnern in diesem Netzwerk spezielle Funktionen zugeordnet werden. Die Geräteperipherie von Geoinformationssystemen richtet sich nach den Ausstattungsanforderungen des Anwendungsbereichs. Großformatige Bildschirme, Digitalisiergeräte, Farbscanner, Plotter, Drucker und Filmbelichter sind häufig anzutreffende Hardware-Komponenten eines Geoinformationssystems. Neuere Entwicklungen betreffen z. B. den Einsatz von Systemen im Gelände, wozu geeignete Plattformen und Peripheriegeräte entwickelt wurden. Hierzu gehören u. a. tragbare Computer (Pentops) und GPS-Empfänger, sowie spezielle lichtstarke LCD-Bildschirme. Anwendungen der virtuellen Realität erfordern wiederum eigene Eingabe- und Ausgabegeräte, z. B. autostereoskopische Displays oder head-mounted displays.
Insgesamt existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Anbieter und Systeme auf dem Markt, was sich vor allem dadurch erklären lässt, dass Geoinformationssysteme in vielen unterschiedlichen Anwendungsbereichen eingesetzt werden, die jeweils eigene Anforderungen an Daten und Funktionen stellen. Zu solchen Fachinformationssystemen gehören vor allem Landinformationssysteme (LIS), Netzinformationssysteme (NIS) zur Netzwerkanalyse von Versorgungsunternehmen, Forstinformationssysteme oder kommunale Informationssysteme (KIS). Diese Systeme stellen zum einen eigenständige Entwicklungen dar und sind zum anderen als Fachschalen insbesondere von Basisinformationssystemen konzipiert. Innerhalb der Wissenschaft tragen vor allem junge Disziplinen wie die Geomatik und die Geoinformatik zur Weiterentwicklung von Geoinformationssystemen bei, die sich dabei vor allem auf die Grundlagen und neuesten Erkenntnisse aus der Informatik, Geodäsie, Kartographie und Fernerkundung bzw. vieler inhaltlich orientierter Fachrichtungen der Geographie und Geowissenschaften stützen (Abb.).
Literatur: [1] BARTELME, N. (2000): Geoinformatik. [2] BURROUGH, D.A. (1998): Principles of Geographical Information Systems.
Geoinformationssystem :Geoinformationssystem : Funktionen und Komponenten.
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