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Star-Bugs - die kleine-Tiere-Kolumne: Diese Biene macht auf dicke Hose

Hosenbienen benötigen sandigen Boden und bestimmte Nahrungspflanzen, um zu überleben. Beides verschwindet – und mit ihnen etliche verwandte Arten.
Eine Dunkelfransige Hosenbiene sitzt auf der Blüte einer violetten Distel. An den Hinterbeinen der Biene hat sich dick gelber Pollen angesammelt. Die Biene besitzt einen braunen Vorder- und einen dunkelbraun-weiß gestreiften Hinterkörper. Der Hintergrund des Bildes ist verschwommen
Ihr Name ist Programm: Hosenbienen sammeln mit ihren Hinterbeinen Pollen, der sich dick um die Gliedmaßen legt und wie eine Hose wirkt.
Insekten und andere Wirbellose finden sich überall um uns herum, doch bis auf Schmetterlinge, Bienen und wenige andere Gruppen genießen sie geringe bis keine Achtung oder gar Sympathien. Dabei ist die Welt der Sechsbeiner und Co mehr als faszinierend. Ein genauerer Blick auf diese Welt der kleinen Tiere in unserer Natur lohnt also. Wir stellen regelmäßig besondere Stars aus diesem Universum vor.

Der Dünenweg ist an diesem Sommermorgen 2024 noch ruhig. Dennoch regt sich etwas im lockeren Boden: An der Spitze eines Sandhäufchens prangt ein rund sechs Millimeter großes Loch; und daraus kullern Sandkörner den Hang hinab, erst vereinzelt, dann zu Dutzenden, zuletzt als kleine Sandlawine. Bald darauf erscheint ein haariges Insektenhinterteil, das Schwarz nur hier und da unterbrochen von beigefarbenen Streifen. Sandladung um Sandladung schiebt das emsige Tier aus dem schmalen Gang. Dafür nutzt es seine mit langen, goldgelben Borsten besetzten Beine wie einen Besen.

Als das Insekt vollständig aus dem Loch herausgekrochen ist, zeigt sich eine Wildbiene mit bräunlichem Pelz, schwarzen Augen und kurzen Fühlern, die etwa so groß wie die bekannte Honigbiene ist. Der Fall ist klar: Hier treibt eine Dunkelfransige Hosenbiene (Dasypoda hirtipes) ihre Nistgänge in den warmen Sand. Wie bei allen Hosenbienen tragen die Weibchen eine dichte und lange Haarpracht an ihren Hinterbeinen, die Haarbürste. Mit ihr kämmt das Insekt Pollenkörner von den Staubblättern der Blüten, bis die »Hose« prall gefüllt ist. Mehr als die Hälfte ihres eigenen Gewichts kann eine Hosenbiene so pro Pollenladung zum Nest transportieren.

Die Männchen wirken dagegen zierlicher, ihr struppiger Pelz ist hellbraun bis gelblich gefärbt. Sie brauchen keine Haarbürste, denn Nestbau ist bei den Bienen Aufgabe der Weibchen. Von Juni bis in den September legen diese ihre Nester im Sand oder in lockerer Erde an. Ob Böschungen oder Wegränder, ja selbst Sandfugen in gepflasterten Gehwegen: Dasypoda hirtipes ist nicht wählerisch. Bis zu 60 Zentimeter lang sind die Gänge, zunächst flach, dann fallen sie steil ab und enden in zahlreichen, auf mehreren Ebenen angelegten Brutkammern.

In jede Kammer trägt das Weibchen fünf bis sechs Pollenladungen, die sie mit Nektar zu einer klebrigen Kugel formt. Diese erhält noch eine Hülle sowie drei Stummelfüße aus Sand. Oben auf die Kugel legt das Weibchen ein Ei. Dann verschließt sie die Kammer mit feuchtem Sand und legt vom Hauptgang aus eine weitere Kammer an.

Parasit in Lauerstellung | Die parasitäre Fleischfliege Miltogramma oestraceum wartet geduldig, bis das Hosenbienenweibchen den Nisteingang wieder verlässt.

Aus dem Ei schlüpft nach wenigen Tagen eine hungrige Larve, die sich über den Nahrungsvorrat hermacht. Einige Häutungen später verpuppt sie sich und verharrt über die kühlen Winter- und Frühlingsmonate als Puppe – bis sich im darauf folgenden Sommer eine neue Hosenbiene ihren Weg an die Oberfläche gräbt. Im Gegensatz etwa zu Staaten bildenden Hummeln gehören Hosenbienen zu den Solitärbienen, das heißt, sie bauen ihr Nest allein. Je nach Standort gesellen sich jedoch hunderte Bienenweibchen zu einer so genannten Aggregation zusammen und verwandeln den sandigen Boden in eine Hügellandschaft. Vielleicht, weil sie in der Nähe ihrer eigenen Geburtsstätte bleiben oder weil der Standort richtig gut ist. Oder sie schauen, wo Artgenossinnen erfolgreich bauen, und machen es ihnen nach.

Signal für Fressfeinde

Solche Ansammlungen ziehen Fressfeinde an. Fliegt eine pollenbeladene Dunkelfransige Hosenbiene heran, wartet häufig bereits eine kleine Fleischfliege auf sie: Miltogramma oestraceum. Geduldig harrt die Fliege neben dem Nesteingang aus, bis das Bienenweibchen den Pollen in der Brutkammer verstaut hat und erneut startet. Dann krabbelt die Fliege in den Gang und legt ihre Eier ab. Aus denen schlüpfen bald Larven. Finden diese eine Brutkammer, machen sie sich über den Pollenvorrat und später über die Bienenlarve her.

Parasitoide wie Fleischfliegen sind aber nicht die größte Gefahr für die Hosenbienen, sondern – wieder einmal – wir Menschen. Dasypoda hirtipes geht es zwar noch verhältnismäßig gut, auch wenn sie in Deutschland bereits auf der Vorwarnliste steht. Insgesamt gilt sie aber als die häufigste Hosenbienenart Mitteleuropas und kommt von der Meeresküste bis in die Alpenregion vor. Für ihre Verwandten sieht es dagegen düsterer aus. In Deutschland gilt Dasypoda suripes als ausgestorben, von D. argentata gibt es nur noch kleine Restbestände: Sie ist vom Aussterben bedroht. Diesen Arten fehlen – wie vielen Insekten – passende Nistmöglichkeiten und Nahrung.

Nistplatz | Zum Nisten benötigen Hosenbienen Sandsteppen oder Trockenrasen, wie in dieser kargen Sandheide an der Nordseeküste Dänemarks. Die Solitärbienen nisten in Aggregationen.

Artenschwund betrifft auch Wildbienen

Im Jahr 2023 hat sich ein Forschungsteam den aktuellen Wildbienenbestand im Naturschutzgebiet »Sandberge Oberweiden« in Niederösterreich angeschaut und mit historischen Daten aus mehr als 100 Jahren verglichen. Die Ergebnisse publizierte es im Fachmagazin »Journal of Insect Conservation«.

Basis waren tausende Wildbienenexemplare, die im Naturhistorischen Museum in Wien und anderen wissenschaftlichen Sammlungen aufbewahrt werden. Einige Bienenfunde stammen aus den 1890er Jahren. In den 1930er und 1940er Jahren untersuchte der Bienenforscher Bruno Pittioni das Naturschutzgebiet erneut. »Dadurch haben wir einen umfangreichen Datensatz aus dieser Zeit«, sagt Dominique Zimmermann, Studienautorin und Kuratorin für Pflanzenwespen und Stechimmen am Wiener Museum: »Mehr als die Hälfte der ursprünglich rund 300 im Naturschutzgebiet ›Sandberge Oberweiden‹ nachgewiesenen Wildbienenarten konnten nicht mehr gefunden werden.« Besonders betroffen sind bodenbrütende Bienen, die auf offene Sandflächen angewiesen sind, etwa die Hosenbienenarten Dasypoda braccata und D. suripes; beide gelten als ausgestorben. D. argentata wurde bei Oberweiden 1959 zum letzten Mal beobachtet. Vermutlich ist sie ebenfalls verschwunden.

Ob die Bestände in den Jahren davor stabil waren, ist fraglich, sagt Zimmermann. Schließlich lägen von einigen Arten nur drei oder vier Exemplare in den Insektensammlungen. Das könnten bereits Restbestände gewesen sein. »Wenn eine Art verschwindet, geschieht das nicht von einem auf den anderen Tag, sondern über etliche Bienengenerationen hinweg.«

Erst verschwindet die Nahrung, dann die Biene

Ein Grund für das Verschwinden, da ist Zimmermann sich sicher, sei der Rückgang der Kardengewächse im Naturschutzgebiet. Denn Hosenbienen sind Nahrungsspezialisten, sie suchen Pollen und Nektar ausschließlich in bestimmten Blüten. »Oligolektisch« nennen Fachleute das. Die meisten Arten sind auf die Blüten von Kardengewächsen (Dipsacoideae) angewiesen, etwa Skabiosen (Scabiosa) oder Witwenblumen (Knautia).

Und von denen brauchen die Bienen viele. Ein schwedisches Team zählte im Jahr 2007 nach: Ein einzelnes Weibchen der ebenfalls auf Kardengewächse spezialisierten Knautien-Sandbiene (Andrena hattorfiana) fliegt etwa 70 Blütenstände – oder elf Pflanzen – der Acker-Witwenblume (Knautia arvensis) an, um ihr Nest mit ausreichend Pollen zu bestücken. Zimmermann rechnet hoch: »Eine gesunde Population von rund 60 bis 80 Bienenweibchen benötigt also mehr als 800 Witwenblumen, um sich stabil fortpflanzen zu können.«

Sandberge Oberweiden

Das Sandsteppengebiet in Niederösterreich zeichnet sich durch besonders sandige Böden aus. Früher gab es dort Flugsanddünen, die die Gegend unbrauchbar für die Landwirtschaft machten. Gezielte Aufforstungen brachen den scharfen, stetigen Wind, nach und nach sammelte sich organisches Material an. Eine Humusschicht bildete sich und erlaubte es den Menschen, die Gegend für Ackerbau und Viehhaltung zu nutzen. Die österreichische Regierung stellte im Jahr 1961 einen kleinen Teil des Sanddünenareals unter Schutz, heute umfasst das Naturschutzgebiet Sandberge Oberweiden rund 120 Hektar Sandsteppe und Trockenrasen.

Kardengewächse jedoch verschwinden aus der Landschaft, sagt die Zoologin. Die Pflanzen bevorzugen wie die Hosenbienen Trockenrasen und damit Landschaften, die rar geworden sind. Zudem werden Wiesen häufig gemäht, bevor die Pflanzen Samen bilden und sich vermehren können. »Man findet die Gelbe Skabiose und Witwenblume zwar noch«, sagt Zimmermann, »aber in viel geringerer Zahl als noch vor 50, 60 Jahren.«

Die Dunkelfransige Hosenbiene benötigt zwar ebenfalls bestimmte Blüten, im Gegensatz zu den stark dezimierten und zurückgedrängten Schwesterarten besucht sie aber die Blüten von Korbblütlern (Asteraceae). Und die gibt es deutlich häufiger als Kardengewächse. Außerdem verträgt sie niedrigere Temperaturen. Eine steife Nordseebrise und 18 Grad Celsius? Kein Problem: Die Weibchen bauen dennoch Nester und schleppen Pollen in die Brutkammern. Dementsprechend kommt diese Wildbiene mit Veränderungen ihres Lebensraums besser klar: Sie taucht im Naturschutzgebiet Sandberge Oberweiden in allen untersuchten Zeiträumen auf.

Männchen der Dunkelfransigen Hosenbiene | Den männlichen Hosenbienen fehlt die voluminöse Haarbürste an den Hinterbeinen, doch sie gehen ebenfalls an Blüten.

Generell wisse man jedoch noch immer viel zu wenig über Wildbienen, ist Zimmermann überzeugt. So wurde etwa Dasypoda morawitzi erst im Jahr 2017 als neue Art beschrieben und ein Jahr später offiziell in Mitteleuropa nachgewiesen. »Wildbienen sind komplexe Organismen«, sagt die Zoologin: »Wir müssen verstehen, warum einige Arten empfindlich oder resilient auf Veränderungen ihrer Umwelt reagieren.« Nur so könne man sie schützen. »Was für Säugetiere mittlerweile selbstverständlich ist, nämlich dass viel Aufwand und Geld in ihren Schutz gesteckt werden, ist für Insekten und überhaupt für Wildbienen relativ neu«, schreibt sie in ihrem Buch »Insektengeflüster«, das 2024 herauskam.

Europa möchte Wildbienen schützen

Zumindest für Wildbienen, die wie die Hosenbienenarten Dasypoda braccarta, D. argentata, D. spinigera und D. suripes auf Kardengewächse angewiesen sind, gibt es eine solche Strategie. Die Weltnaturschutzunion IUCN hat 2023 für die EU einen Conservation Action Plan vorgelegt. Bis 2030 sollen die Mitgliedsstaaten zum Beispiel Flächen renaturieren, um ausgestorbene Arten wieder ansiedeln oder zumindest dezimierte Bestände stabilisieren zu können.

Besonders wichtig sei es, Wiesen erst spät im Jahr zu mähen, sagt Axel Hochkirch. Der Entomologe ist Kurator für Ökologie am Nationalmuseum für Naturgeschichte Luxemburg und hat den Conservation Action Plan mitentwickelt. »Da Kardengewächse recht spät im Jahr blühen, werden sie häufig bereits vor der Blüte gemäht«, sagt er. Es fehlen dann die nektar- und pollentragenden Blüten für die Wildbienen.

Ziel seien außerdem ausreichend große und untereinander vernetzte Lebensräume für gefährdete Wildbienen. »Leider erfolgt die Umsetzung schleppend«, bemängelt Hochkirch. Immerhin: »In Luxemburg beginnen wir in diesem Jahr mit der Implementierung einiger Maßnahmen.«

All das schert die Dunkelfransige Hosenbiene am Dünenweg wenig. Sie ist wieder im Boden verschwunden. Bald wird sie mit Hilfe ihrer ausladenden Haarbürste mehr Sand aus dem Nistgang schaufeln, unermüdlich, Tag für Tag. Bis aus dem Häufchen um den Eingang ein stattlicher Hügel geworden ist und in den Brutkammern Hosenbieneneier auf ihren dreifüßigen Pollenkugeln thronen.

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