Lexikon der Astronomie: w-Parameter
In der modernen Kosmologie führt man den w-Parameter (auch eos-Parameter genannt) ein, um Zustandsgleichungen (engl. equation of state, eos) unterschiedlicher Materie- und Energieformen zu vergleichen. Der w-Parameter ist gerade der Quotient aus Druck und Energiedichte (siehe Gleichung oben).
Zahlenbeispiele
Die Abbildung oben stellt außerdem den w-Parameter von verschiedenen Energieformen vergleichend gegenüber. Generell gilt, dass ein Parameter w kleiner als -1/3 eine kosmische Beschleunigung hervorruft. Solche Zustandsgleichungen erfüllen alle Formen Dunkler Energie.
Die ultrarelativistische Materie befindet sich ganz rechts im Diagramm und hat den höchsten w-Parameter, w = 1. Bei einer solch exotischen Materieform entspricht die Schallgeschwindigkeit der Vakuumlichtgeschwindigkeit. Diese Materie gibt es z.B. in der Schale des Gravasternmodells. Die elektromagnetische Strahlung hat ebenfalls einen positiven w-Parameter, w = 1/3, und wirkt damit anziehend für den Kosmos. Die Photonen liefern kosmologisch betrachtet nur einen marginalen Beitrag im lokalen Kosmos. Gewöhnliche Materie, Staub und kalte Dunkle Materie haben einen verschwindenden w-Parameter, w = 0. Wie die Messdaten des Mikrowellensatelliten WMAP belegen ist die gewöhnliche Materie kosmologisch unerheblich, weil sie viel seltener ist als andere Energieformen (~ 4%). Den bei weitem größten Anteil hat die Dunkle Energie, die für 'kosmische Abstoßung' (Repulsion) sorgt: sie treibt das Universum auseinander und wirkt gewissermaßen antigravitativ. Als zeitlich unveränderliche kosmologische Konstante hat sie den fixen Wert von w = -1.
Tücken der Vakuuminterpretation
Was ist die physikalische Ursache dieser kosmologischen Konstante? Eine nahe liegende Interpretation ist, dass das Vakuum des Weltalls sich auf ganz großen Skalen als Lambda bemerkbar macht, weil aufgrund der Quantentheorie das Vakuum ja nie ganz leer ist. Diese Vakuuminterpretation der kosmologischen Konstante stellt die Physiker jedoch vor das schwerwiegendste Skalenproblem der Physik: die berechnete Energiedichte des kosmischen Vakuums weicht von dem beobachteten Wert um 120 Größenordnungen ab! In dieser Diskrepanz sehen viele Kosmologen einen klaren Modifikationsbedarf in dieser Interpretation.
Ausweg Quintessenz?
Aus diesen Gründen verlor die kosmologische Konstante ihre Konstanz und wurde dynamisch: die Quintessenz-Modelle kamen zum Zuge. Hier hatten erste Modelle einen w-Parameter von w = -1/3. Für die kosmischen topologischen Defekte, die sich im frühen Universum in der Inflationsära bei einer spontanen Symmetriebrechung ausgebildet haben sollen, kann man ableiten, dass sie w = -2/3 haben. Auch sie treiben das Universum auseinander.
Extremes Phantom
Die Phantom-Energie unterschreitet den kritischen Wert von w = -1. Solche Energieformen verletzen die starke Energiebedingung (engl. strong energy condition, SEC). Man spricht auch von einer super-negativen EOS. Sie führt dazu, dass die Energiedichte über alle Grenzen mit der Zeit anwachsen kann, was das Universum in endlicher Zeit im Big Rip zerreißen würde! In der Zukunft wartet eine Singularität – keine rosigen Aussichten.
War w immer gleich?
Der w-Parameter kann auch einer zeitlichen Entwicklung unterliegen. Kosmologisch gesehen würde sich dann der w-Parameter von Epoche zu Epoche, von einem zu einem anderen Wert der kosmologischen Rotverschiebung verändern. Mathematisch drückt man das durch die Ableitung von w nach der kosmologischen Rotverschiebung aus und nennt diese Größe w'. Der triviale Fall w' = 0 bedeutet demnach eine Konstanz des w-Parameters, weil die Funktion w(z) sich nicht mit z ändert.
Aktuell sprechen die Beobachtungsdaten, wie die Permanenzmessungen an extrem weit entfernten, explodierenden Weißen Zwergen (Supernovae Typ Ia) für eine zeitlich konstante Form von Dunkler Energie (Riess et al. 2004). Das verleiht zurzeit Einsteins Lambda die Favoritenrolle – dennoch werden sämtliche Varianten intensiv erforscht.
w-Parameter und Entwicklung mit Rotverschiebung
Die Übersicht oben (große Version) zeigt die Energiedichten ρ der unterschiedlichen Materie- und Energieformen im Kosmos und deren Entwicklung mit der kosmologischen Rotverschiebung z. Das ist nichts anderes, als die zeitliche Entwicklung der Energiedichten. Dabei ist a(z) der Skalenfaktor der Kosmologie (auch Weltradius R(t)). Technische Anmerkung: Die ganz oben notierte allgemeine Relation folgt aus der Definition des w-Parameters und der thermodynamischen Gleichung für Volumenarbeit dE = -p dV durch Integration. Die Beziehung gilt nur, falls die einzelnen Komponenten nicht miteinander wechselwirken. Denn falls sich eine Energieform in die andere umwandelt, werden auch die Partialdrücke voneinander abhängig und die Berechnung wird komplizierter.
Interessant ist nun die Betrachtung der Skalierung der jeweiligen Energieform mit der Rotverschiebung z. Wir schauen uns Zeile für Zeile an und erkennen, dass w von oben nach unten größer wird. Entsprechend steigt die Potenz der Rotverschiebung in der Energiedichte an. Das bedeutet: Je größer w, desto größer die Energiedichte im frühen Universum bzw. desto schneller 'dünnt' die Energiedichte mit der kosmologischen Entwicklung aus.
Offensichtlich spielen Energieformen mit einem kleinen und negativen w-Parameter in frühen Epochen des Universums (kleines a bzw. großes z) keine wesentliche Rolle: ihre Energiedichten sind zu Beginn der kosmologischen Entwicklung vernachlässigbar. Das ändert sich mit der Ausdehnung des Kosmos, wenn a anwächst bzw. z kleiner wird: Dann dominieren plötzlich die Formen Dunkler Energie (Phantomenergie, Λ oder Quintessenzen).
Ganz anders bei Energieformen mit großem und positivem w-Parameter: sie dominieren klar im frühen Universum, weil ihre Energiedichten bei großem z durch die hohe Potenz groß werden. Das macht klar, weshalb die materiedominierte Ära (Baryonen) und die Strahlungsära (Photonen) im frühen Kosmos angesiedelt sind. Viel später, bei kleinen z-Werten, werden Materie und Strahlung 'ausgedünnt' und dynamisch irrelevant für das expandierende Universum. Das ist direkt an der geringen Energiedichte der kosmischen Hintergrundstrahlung im lokalen Universum ablesbar. Anders formuliert: die kosmische Hintergrundstrahlung (und auch die baryonische Materie) hat in unserer Epoche keinen großen Einfluss mehr auf die Expansion.
Diese kleine Rechnung zeigt auch sehr schön, dass die Energiedichte, die mit der kosmologischen Konstante assoziiert ist, unabhängig von der kosmologischen Rotverschiebung, also zeitlich konstant, ist.
Die oben genannten Energieformen sind auch diskussionswert unter dem Gesichtspunkt so genannter Energiebedingungen. So verletzt beispielsweise die kosmologischen Konstante (w = -1) die starke Energiebedingung (w ≥ -1/3).
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