Lexikon der Biologie: Bestäubung
Bestäubung, Blütenbestäubung, die Übertragung des Pollens (Blütenstaubs) einer Spermatophyten-Blüte auf die Narbe (Angiospermen, Bedecktsamer) oder die Samenanlagen (Gymnospermen, Nacktsamer) zur Befruchtung und zur Bildung von Samen. Eine monözische (zwittrige, staminokarpellate) Blüte (Monözie) kann sich selbst befruchten (Selbstbefruchtung, Selbstbestäubung; Selbstbefruchter, Autogamie), in der Regel liegt aber Allogamie (Fremdbestäubung) vor, d. h., der Pollen gelangt auf die Narbe einer anderen Blüte, und zwar derselben Pflanze (Nachbarbestäubung, Geitonogamie) oder auf eine Blüte einer artgleichen anderen Pflanze (Kreuzbestäubung oder Fremdbestäubung i. e. S., Xenogamie). Die Fremdbestäubung i. e. S. erhöht innerhalb einer Population die genetische Vielfalt. Diese wiederum ermöglicht eine bessere Anpassung an sich ändernde Standortsbedingungen. Viele Pflanzenarten (beispielsweise unsere Obstbäume) sind auf Fremdbestäubung angewiesen. Häufig entstehen bei einer Selbstbestäubung weniger, schwer keimende oder gar keine Samen als bei Fremdbestäubung. Ausnahmen bilden unter anderem sich obligat durch Autogamie befruchtende Pflanzen oder Pflanzen mit geschlossen bleibenden Blüten (Kleistogamie). Fremdbestäubung wird häufig durch verschiedene Mechanismen gefördert oder erzwungen (Selbststerilität, Dichogamie, Heterostylie, Herkogamie; Autogamie), die Selbstbefruchtung ausschalten. Bei nicht monözischen Blüten ist Autogamie unwahrscheinlich, da die sexuellen Organe räumlich getrennt sind. Die "Unbeweglichkeit" der Blüte wird – um einen Transport der Pollen zu gewährleisten – dadurch ausgeglichen, daß sich die Blüten verschiedener Überträgermedien bedienen ( ä vgl. Tab. ): Wasser, Wind, Tiere (Hydrogamie, Anemogamie, Zoogamie). Die Blüten sind in vielfältiger Weise an ihre Überträgermedien angepaßt, was besonders bei den zoogamen Blüten zu verschiedensten Bestäubungsmechanismen und zu einer großen Formenmannigfaltigkeit geführt hat (Entomogamie, Chiropterogamie, Ornithogamie). Nach ihrer Form kann man die zoogamen Blüten in Blütentypen einteilen, z. B. Scheibenblumen, Trichterblumen, Glockenblumen, Röhrenblumen, Stieltellerblumen, Lippenblumen, Rachenblumen, Fahnenblumen und Körbchenblumen. Die Blüten locken mit Farbe und/oder Duft (Blütenduft) ihre Bestäuber an und bieten ihnen normalerweise als "Belohnung" eine Gegengabe. Meist ist dies Pollen (Pollenblumen) und/oder Nektar als Nahrung (Blütennahrung). Manche Orchideen produzieren etherische Öle (Parfümblumen), bei einigen Pflanzen werden fette Öle gesammelt (Ölblumen). Durch wechselseitige Anpassung von Blüte und Bestäuber (Coevolution) ist hier eine gegenseitige Abhängigkeit (Symbiose) entstanden. Die Blüten "reagieren" in ihren Anpassungen an die Bestäuber auf deren spezielle Fähigkeiten und Bedürfnisse. Auf diese Weise entstehen Blütensyndrome. Die Bestäuber ihrerseits entwickeln Anpassungen, die speziell der Ausbeutung "ihrer" Blüten entsprechen (z. B. bestimmte Sammelapparate; Pollensammelapparate). Blüten, die keine Gegengabe anbieten, heißen Täuschblumen (Pollentäuschblumen). Man unterscheidet Futtertäuschblumen, Sexualtäuschblumen und solche, welche einen Eiablageplatz imitieren. Hier liegt keine Coevolution vor. Die Beziehung ist einseitig, denn nur die Blüten passen sich dem Bestäuber an. Historisch gesehen, ist bei den Spermatophyten (Samenpflanzen) mit Sicherheit die Windblütigkeit (Anemogamie) primär, wie sie heute noch bei vielen Gymnospermen die Regel ist. Tierblütigkeit (Zoogamie) trat höchstwahrscheinlich bereits bei den in der mittleren Kreide ausgestorbenen Bennettitatae (Bennettitales) auf, die damit "Wegbereiter" für die Entwicklung der Insektenblütigkeit (Entomogamie) bei den gerade in dieser Zeit bedeutend werdenden Angiospermen darstellen (Schrittmacherfunktion). Viele Indizien sprechen dafür, daß die ersten Blütenbesucher Käfer waren, welche besonders die nahrhaften generativen Teile der Blüten verzehrten. (Wahrscheinlich ist die Notwendigkeit eines Schutzes vor Fraßfeinden sogar ein wichtiger Selektionsdruck für die Evolution der Angiospermie gewesen.) Auch die Zwittrigkeit (Monözie), die für Angiospermen charakteristisch und ursprünglich ist, kann mit der Bestäubung durch Tiere erklärt werden: Käfer mit ihren kauend-beißenden Mundwerkzeugen sind in großem Stil Pollenfresser. Bei diklinen Pflanzen (eingeschlechtig) hätten die karpellaten Blüten (karpellat) keine Blütennahrung zu bieten und würden deshalb nicht besucht. Die Monözie erhöhte somit die Wahrscheinlichkeit der Bestäubung in hohem Maß. Nektar als Blütennahrung trat erst später in der Entwicklung der Angiospermen auf. Nun war es möglich, daß auch Insektengruppen mit saugenden Mundwerkzeugen als Bestäuber genutzt wurden. Bestäubungsökologie, Darwin (C.R.), Gleditsch (J.G.), Kölreuter (J.G.), Mendel (G.), Sprengel (C.K.); Ä BESTÄUBUNG I
Ä BESTÄUBUNG II
Zoogamie.
C.G.
Lit.:Hess, D.: Die Blüte. Eine Einführung in Struktur und Funktion, Ökologie und Evolution der Blüten. Stuttgart 21990. Neun, S.: Tiere und Pflanzen als Partner. Bestäubung und Samenverbreitung durch Tiere. Braunschweig 1987.
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