Lexikon der Biologie: Desinfektion
Desinfektionw [von franz. désinfection (1630) = Entseuchung], Desinfizierung, Entseuchung, Abtötung oder Inaktivierung von Krankheitserregern an Organismen und Gegenständen, aber auch von Trinkwasser (Wasseraufbereitung) und Nahrungsmitteln durch chemische Mittel (Desinfektionsmittel) oder physikalische Verfahren (z. B. durch Bestrahlung mit Ultraviolett und Gammastrahlen, Erhöhung der Temperatur, Verbrennung und Hochdruck [Ultrahochdruckbehandlung]), so daß keine Übertragung und Infektion mehr erfolgen können. Chemische Desinfektionsmittel sind z. B. Aldehyde (Formaldehyd, Glutaraldehyd), Alkohole, Amphotenside, Chloramin, Halogen- und sauerstoffabspaltende Verbindungen, Iodophore, Phenol und Phenolderivate (z. B. 4-Chlor-3-methylphenol), Polyalkylpolyamine, quartäre Ammoniumverbindungen, Säuren und Laugen. Die Wirkungsweise der Desinfektionsmittel ist sehr unterschiedlich ( vgl. Tab. ). Die Desinfektion ist meist nur eine selektive, gezielte Verminderung der Keimzahl im Gegensatz zur Sterilisation. Eine intensive Verminderung der Keimzahl, auch der saprophytischen Mikroorganismen, wird als Sanitation bezeichnet. Eine Desinfektion ist auch die Vernichtung von krankheitsübertragendem Ungeziefer (Desinsektion) sowie die Keimverminderung im Boden (Bodendesinfektion). Es wird zwischen laufender und Schluß-Desinfektion unterschieden. Eine erfolgreiche Desinfektion mit zugelassenen Mitteln setzt eine vorgeschriebene Konzentration und Einwirkungszeit voraus. Im Krankenhausbereich ist der Einsatz von Bakteriziden bzw. Bakteriostatika zur Desinfektion unumgänglich, um Infektionen mit pathogenen Bakterien und ihre Ausbreitung zu verhindern. Umstritten ist aber der Zusatz dieser Mittel zu Verbraucherprodukten (z. B. spezielle Seifen, Lotionen, Spülmittel) und zur Imprägnierung von Einrichtungsgegenständen. Zuhause eine möglichst sterile Umgebung zu schaffen, ist nicht nur unnötig, sondern kann sogar gefährlich werden. Durch Einsatz dieser Mittel im Haushalt kann sich die Bakterienflora so verändern, daß empfindliche Keime vernichtet und resistente Keime angereichert werden. Die Resistenzgene gegen Desinfektionsmittel liegen wie die gegen Antibiotika (Antibiotika-Resistenz) auf Plasmiden. Dadurch können diese Resistenzen auch auf andere, vorher empfindliche Stämme übertragen werden. – Einführung der Desinfektion in die Medizin: J. Lister erkannte, daß Entzündungen und Eiterungen (Eiter), die wichtigsten Ursachen für Todesfälle nach chirurgischen Eingriffen, durch eine Kontamination der Wunden entstehen (1867). Er führte die Desinfektion aller Instrumente mit Carbolsäure (Phenol) ein und wurde somit zum Begründer der aseptischen Chirurgie (Asepsis). Carbolsäure wurde von ihm auch zur Wunddesinfektion und durch Versprühen zur Keimverminderung der Luft im Operationssaal verwendet. Bereits 1850 hatte I.P. Semmelweis darauf hingewiesen, daß Kindbettfieber übertragbar sei und die Erkrankungen der Frauen durch Händedesinfektion der Ärzte und Studenten mit Chlorkalkwasser sich stark vermindern ließen. Seine Beweise wurden aber von den meisten Ärzten seiner Zeit nicht anerkannt. Chlor, Fürbringer (P.), Koch (H.H.R.), Lebensmittelbestrahlung, Loew (C.B.O.), Rubner (M.), Schimmelbusch (C.T.), Wasserstoffperoxid.
G.S.
Lit.: Bodenschatz, W. (Hrsg.): Desinfektion. Sterilisation, Reinigung, Schädlingsbekämpfung, Rechtsvorschriften und Materialien. Loseblattausgabe. Stuttgart 1998 ff. Junghanns, U., Steuer, W.: Sterilisation und Desinfektion im Krankenhaus. Essen 1991. Krischy, Usemann (Hrsg.): Desinfektion von Trinkwasser. München 1999. Steuer, W., Lutz-Dettinger, U., Schubert, F.: Leitfaden der Desinfektion, Sterilisation und Entwesung. Stuttgart 71997. Wallhäuser, K.H.: Praxis der Sterilisation, Desinfektion, Konservierung. Keimidentifizierung, Betriebshygiene. Stuttgart 51995.
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