Lexikon der Chemie: Aromatizität
Aromatizität, die Erscheinung, daß bestimmte cyclisch konjugierte Systeme gegenüber den entsprechenden offen konjugierten Verbindungen gleicher π-Elektronenzahl besonders stabil sind. Eine erste theoretische Erklärung der A. gelang mit Hilfe der Hückel-Methode. Aus dem HMO-Schema (Hückel-Methode) cyclisch konjugierter Kohlenwasserstoffe geht hervor, daß für Systeme mit (4n + 2) π-Elektronen (n = 0, 1, 2 ...) sehr stabiler Singulettzustände resultieren (Hückel-Regel). Konjugierte Ringkohlenwasserstoffe, die die Hückel-Regel erfüllen, werden als aromatisch bezeichnet. Für sie gilt in der Hückel-Näherung, daß das cyclisch konjugierte gegenüber dem offen konjugierten System energetisch stabiler ist. So ist z. B. das π-Elektronensystem von Benzol (n = 1) wesentlich energieärmer als jenes von 1,3,5-Hexatrien. Im Gegensatz dazu sind die π-Elektronensysteme von konjugierten Ringkohlenwasserstoffen mit 4n π-Elektronen (n = 1,2 ...) im Vergleich zu denen der entsprechenden offen konjugierten Verbindungen weniger stabil. Hierzu zählt das Cyclobutadien, das gegenüber 1,3-Butadien energiereicher ist. Cyclisch konjugierte Kohlenwasserstoffe mit 4n π-Elektronen werden daher antiaromatisch genannt. Ersetzt man z. B. im Cyclobutadien ein 2pz- durch ein 3d-Atomorbital, so resultiert ein anderes Verknüpfungsschema (Topologie), das durch einen Phasensprung (Vorzeichenumkehr) gekennzeichnet ist (Möbius-System, Abb.). Ein solcher Fall kann z. B. bei π-Komplexen von Übergangsmetallen auftreten. Bei Möbius-Systemen ist im Gegensatz zu Hückel-Systemen auch das energieärmste Molekülorbital zweifach entartet. Dies hat zur Folge, daß sich die Stabilitätsverhältnisse und damit die Aromatizitätseigenschaften umkehren. Cyclisch konjugierte Systeme vom Möbius-Typ mit 4n π-Elektronen (n = 1,2 ...) sind daher aromatisch und diejenigen mit (4n + 2) π-Elektronen (n = 0,1,2) antiaromatisch. Möbius-Systeme werden daher auch als Anti-Hückel-Systeme bezeichnet. Allgemein gilt für die Topologie cyclisch konjugierter Systeme und die damit verbundenen Aromatizitätsregeln: Lassen sich die π-Atomorbitale so anordnen, daß die Zahl der minimalen Phasensprünge null oder gerade ist, so liegt ein System vom Hückel-Typ (Hückel-Topologie) vor. Resultiert hingegen eine ungerade Zahl von Phasensprüngen, so ist es vom Möbius-Typ (Möbius-Topologie).
Aromatizität. Abb.: Möbius-System (Phasensprung zwischen den Atomen 1 und 4).
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