Lexikon der Chemie: Radienquotient
Radienquotient, Radienverhältnis, der Quotient rA/rB aus den Radien von streng kugelförmigen Bausteinen (Ionen, Atomen) der Sorten A und B in einem Kristall. Dabei wird mit A meist die kleinere Kugelsorte benannt, so daß dann rA/rB< 1 ist. Die praktische Bedeutung der R. besteht darin, daß bei überwiegend ionogen aufgebauten Kristallen das Auftreten bestimmter Strukturtypen an rein geometrische Existenzbedingungen geknüpft ist und für diese nicht die absoluten Größen ausschlaggebend sind, sondern das Größenverhältnis der Bausteine. Die Kristallstrukturen von Ionensubstanzen sind durch die auftretenden Koordinationspolyeder bzw. -zahlen charakterisiert. Nach der Radienquotientenregel gibt es für jede Koordinationszahl einen kritischen Wert rA/rB, der sich auf geometrischem Wege ableiten läßt. Er entspricht dem energetisch günstigsten Grenzfall, bei dem die koordinierenden B-Ionen sowohl das A-Ion als auch sich untereinander berühren. Dieser Radiengrenzquotient kann unter Lockerung der Packung der B-Ionen überschritten werden, bis der entsprechende Wert für die nächsthöhere Koordinationszahl erreicht ist. Eine Unterschreitung ist dagegen nicht möglich, da hierbei das A-Ion den Polyederhohlraum nicht mehr ausfüllt und durch den Übergang zu einer niedrigeren Koordinationszahl eine Stabilisierung dieser energetisch ungünstigen Situation eintritt.
Radienquotient. Tab.: Zusammenhang zwischen Radienqotient und Koordination.
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AB | 0,732 ... 1 0,414 ... 0,732 0,225 ... 0,414 | [8] : [8] [6] : [6] [4] : [4] | Würfel Oktaeder Tetraeder | CsCl NaCl ZnS | |
AB2 | 0,732 ... 1 0,414 ... 0,732 0,225 ... 0,414 | [8] : [4] [6] : [3] [4] : [2] | Würfel/Tetraeder Oktaeder/Dreieck Tetraeder/Hantel | CaF2 TiO2 SiO2 |
Die Koordinationszahl für das B-Ion folgt aus der stöchiometrischen Zusammensetzung der jeweiligen Verbindung, da das Elektroneutralitätsprinzip auch in kleinen räumlichen Bereichen des Kristallgitters gewahrt sein muß. Die Aussagen der Radienquotientenregel für Verbindungen der allgemeinen Zusammensetzungen AB und AB2 sind in der Tabelle zusammengestellt.
Die Radienquotientenregel wird von zahlreichen Verbindungen befolgt, aber auch – vor allem bei niedrigen Koordinationszahlen – recht häufig durchbrochen. Die Abweichungen sind verständlich, da die angewendete geometrische Betrachtungsweise die Ionen als starre Kugeln auffaßt und ihre teilweise beträchtliche Deformation durch die polarisierende Wirkung der Gegenionen nicht berücksichtigt.
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