Lexikon der Mathematik: Iterative Lösung linearer Gleichungssysteme
Unter der iterativen Lösung linearer Gleichungssysteme Ax = b mit \(A\in {{\mathbb{R}}}^{n\times n},b\in {{\mathbb{R}}}^{n}\) versteht man Verfahren, welche die Lösung als Grenzwert einer unendlichen Folge von Näherungslösungen berechnen; im Gegensatz dazu versteht man unter einer direkten Lösung linearer Gleichungssysteme Verfahren, welche (bei rundungsfehlerfreier Rechnung) die exakte Lösung nach endlich vielen Schritten berechnen. Dabei verändern direkte Verfahren typischerweise die gegebene Koeffizientenmatrix und transformieren das ursprüngliche Problem in ein einfacher zu lösendes. Iterative Verfahren berechnen sukzessive Näherungslösungen an die gesuchte Lösung. Ein Iterationsschritt besteht häufig in der Ausführung einer Matrix-VektorMultiplikation. Während direkte Verfahren zumindest theoretisch die exakte Lösung des Problems berechnen, sind bei iterativen Verfahren Fragen der Konvergenz und Konvergenzgeschwindigkeit von Bedeutung.
Die klassischen Iterationsverfahren beruhen auf dem Umschreiben des linearen Gleichungssystems Ax = b in eine Fixpunktgleichung
Die Konvergenzgeschwindigkeit einer Fixpunktiteration hängt von den Eigenwerten von T ab. Nurwenn alle Eigenwerte von T betragsmäßig kleinerals 1 sind, d. h. wenn
Moderne Iterationsverfahren sind häufig Krylow-Raum-basierte Verfahren. Dabei wird, ausgehendvon einem (beliebigen) Startvektor \({x}^{(0)}\), eine Folgevon Näherungsvektoren \({x}^{(k)}\) an die gesuchte Lö-sung x gebildet. \({x}^{(k)}\) wird dazu aus einem verscho-benen Krylow-Raum
Das älteste Verfahren dieser Klasse ist das konjugierte Gradientenverfahren, welches lineare Gleichungssysteme Ax = b mit symmetrisch positiv definiten Matrizen \(A\in {{\mathbb{R}}}^{n\times n}\) löst. Die nächste Näherung \({x}^{(k)}\) wird so gewählt, daß \({x}^{(k)}\) den Ausdruck
Ein wesentlicher Punkt bei der Herleitung des konjugierten Gradientenverfahrens ist die Restriktion auf symmetrisch positiv definite Matrizen. Um das konjugierte Gradientenverfahren für beliebige (unsymmetrische oder symmetrische, nicht positiv definite) Matrizen zu verallgemeinern, wurden zahlreiche Ansätze vorgeschlagen. So ist z. B. das lineare Gleichungssystem Ax = b mit beliebiger (n × n)-Matrix A äquivalent zu dem linearen Gleichungssystem
Weitere Varianten unterscheiden sich hauptsächlich in der Wahl des Krylow-Raums und der Minimierungsaufgabe. So minimiert das GCR- Verfahren (Generalized Conjugate Residual)
Dies führt dann auf das GMRES-Verfahren (Generalized Minimal RESidual), welches nicht zusammenbrechen kann und die minimale Anzahl von Matrix-Vektor-Multiplikationen zur Minimierung von
Zwei weitere, häufig verwendete Varianten beruhen statt auf dem Arnoldi-Verfahren zur Berechnung einer orthogonalen Basis eines Krylow- Raums auf dem unsymmetrischen Lanczos- Verfahren. Das BiCG-Verfahren (BiConjugate Gradient-Verfahren) und das QMR-Verfahren (Quasi Minimal Residual-Verfahren) können allerdings zusammenbrechen, sodaß hier sogenannte look-ahead-Methoden angewendet werden sollten, um diese Verfahren stets durchführen zu können.
In der Literatur existieren zahlreiche weitere Varianten von Krylow-Raum-basierten Verfahren. Jedes dieser Verfahren hat gewisse Vor- und Nachteile, für jedes Verfahren lassen sich Beispiele finden, für welche das jeweilige Verfahren besonders gut oder besonders schlecht geeignet ist. Eine allgemeine Regel, welches Verfahren wann angewendet werden sollte, gibt es (noch) nicht.
Literatur
[1] Deuflhard, P. und Hohmann, A.: Numerische Mathematik, Band 1. de Gruyter, 1993.
[2] Golub, G.H. und van Loan, C.F.: Matrix Computations. Johns Hopkins University Press, 1996.
[3] Hackbusch, W.: Iterative Lösung großer schwachbesetzer Gleichungssysteme. B.G. Teubner Stuttgart, 1993.
[4] Saad, Y.: Iterative Methods for Sparse Linear Systems. The Pws Series in Computer Science, 1996.
[5] Schwarz, H.R.: Numerische Mathematik. B.G. Teubner Stuttgart, 1993.
[6] Stoer, J. und Bulirsch, R.: Numerische Mathematik I und II. Springer Heidelberg/Berlin, 1994/1991.
Wenn Sie inhaltliche Anmerkungen zu diesem Artikel haben, können Sie die Redaktion per E-Mail informieren. Wir lesen Ihre Zuschrift, bitten jedoch um Verständnis, dass wir nicht jede beantworten können.