Lexikon der Mathematik: meromorphe Funktion
eine in einer offenen Menge D ⊂ ℂ (der Fall allgemeinerer Bereiche wird weiter unten behandelt) definierte Funktion \(f:D\to \hat{{\mathbb{C}}}\) mit folgenden Eigenschaften:
(a) Die Menge P(f) := {z ∈ D : f(z) = ∞} ist diskret in D.
(b) Es ist f eine in D \ P( f) holomorphe Funktion.
(c) Jeder Punkt z0 ∈ P(f) ist eine Polstelle von f. Man nennt dann P(f) die Polstellenmenge von f. Sie hat keinen Häufungspunkt in D und ist daher entweder leer (d. h. f ist holomorph in D), endlich oder abzählbar unendlich. Ist z0 eine Polstelle von f, so setzt man f(z0) := ∞ Versieht man \(\hat{{\mathbb{C}}}\) mit der chordalen Metrik (Kompaktifizierung von ℂ), so kann man f als stetige Funktion in D mit Werten in \(\hat{{\mathbb{C}}}\) auffassen.
Jede rationale Funktion
mit teilerfremden Polynomen P und Q (wobei m, n ∈ ℕ0, an ≠ 0, bm ≠ 0) ist eine in ℂ meromorphe Funktion mit endlicher Polstellenmenge P(f).
Diese stimmt mit der Nullstellenmenge des Nennerpolynoms Q überein.
Ein typisches Beispiel einer in ℂ meromorphen Funktion mit unendlicher Polstellenmenge ist
Hier gilt P(f) = ℤ. Meromorphe Funktionen in ℂ, die nicht rational sind, nennt man auch meromorph transzendent. Die Menge aller in D meromorphen Funktionen bezeichnet man mit ℳ(D). Siehe hierzu auch Algebra der meromorphen Funktionen.
Ist f eine in einem GebietG ⊂ ℂ meromorphe Funktion und f ≢ 0, so wird die Ordnungsfunktion o(f, ·): G → ℤ von f wie folgt definiert. Für jedes z0 ∈ G besitzt f in einer Umgebung von z0 eine Laurent-Entwicklung
mit an ∈ ℂ, am ≠ 0 und m ∈ ℤ. Diese eindeutig bestimmte Zahl m heißt die Ordnung von f im Punkt z0 und wird mit o(f, z0) bezeichnet. Folgende Aussagen sind offensichtlich:
- Es ist f holomorph in einer Umgebung von z0 genau dann, wenn o(f, z0) ≥ 0.
- Falls o(f, z0) < 0, so ist z0 eine Polstelle von f mit der Polstellenordnung m = −o(f, z0).
Weiter gelten für f, g ∈ ℳ(G) folgende Rechenregeln:
- o(fg, z0) = o(f, z0) + o(g, z0) (Produktregel),
- o(f+g, z0) ≥ min {o(f, z0), o(g, z0)}, wobei Gleichheit sicher dann gilt, wenn o(f, z0) ≠ o(g, z0).
In Verallgemeinerung dieses univariaten Begriffs findet man auch folgende Definitionen: Sei X eine beliebige komplexe Mannigfaltigkeit. Unter einer meromorphen Funktion auf X versteht man ein Paar (A, f) mit den folgenden Eigenschaften:
1) A ist eine Teilmenge von X.
2) f ist eine holomorphe Funktion auf X \ A.
3) Zu jedem Punkt x0 ∈ A gibt es eine Umgebung U(x0) ⊂ X und holomorphe Funktionen g, h auf U so, daß gilt:
a) A ∩ U = {x ∈ U | h (x) = 0}.
b) Die Keime gx0, hx0 ∈ 𝒪x0 sind teilerfremd.
c) Es ist \(f(x)={\displaystyle \frac{g(x)}{h(x)}}\) für jedes x ∈ U − A.
Ist (A, f) eine holomorphe Funktion auf X, so folgt sofort aus der Definition, daß A leer oder eine 1-kodimensionale analytische Menge ist. A ist die Polstellenmenge der meromorphen Funktion (A, f)
Sei Y ⊂ X eine offene dichte Teilmenge und f eine holomorphe Funktion auf Y. Zu jedem Punkt x0 ∈ X \ Y gebe es eine Umgebung U (x0) ⊂ X und holomorphe Funktionen g, h auf U, so daß gilt:
gx0und hx0sind teilerfremd, und für jedes x ∈ Y ist g (x) = f (x) · h (x).
Schließlich sei A die Menge aller Punkte x0 ∈ X \ Y, für die gilt: Zu jeder reellen Zahl r > 0 und jeder Umgebung V (x0) ⊂ X gibt es ein x ∈ V ∩ Ymit |f(x)| >r.
Dann gibt es eine eindeutig bestimmte holomorphe Fortsetzung \(\hat{f}\)von f nach X \ A so, daß \((A,\hat{f})\)eine meromorphe Funktion ist.
Diesen Satz kann man heranziehen, um Summe und Produkt von meromorphen Funktionen auf Mannigfaltigkeiten zu definieren. Ist X zusammenhängend, so bilden die meromorphen Funktionen auf X einen Körper. Jede holomorphe Funktion f auf X kann man als meromorphe Funktion (∅, f) auffassen.
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