Lexikon der Neurowissenschaft: Wernicke-Aphasie
Wernicke-Aphasie [benannt nach Carl Wernicke], posteriore Aphasie, pragmatische Aphasie, sensorische Aphasie, EWernicke's aphasia, Standardform der Aphasie, bei der vor allem das Sprachverständnis (akustische Aphasie, rezeptive Aphasie) betroffen ist. Gleichzeitig zeigen die Patienten einen gut erhaltenen Sprachfluß (flüssige Aphasie), der jedoch von massiven sinnhaften und klanglichen Umschreibungen (semantische und phonematische Paraphasien) geprägt ist und dadurch zu einem Nonsense-Jargon deformiert sein kann (semantische Aphasie, syntaktische Aphasie, Leersprache;siehe Zusatzinfo ). Das klinische Syndrom der Wernicke-Aphasie ist nicht einheitlich. Nach der Beobachtung der Spontansprache kann sie nach den vorherrschenden Paraphasien und nach dem Schweregrad der Beeinträchtigung im Informationsgehalt (phonematischer bzw. semantischer Jargon) eingeteilt werden; Mischformen sind jedoch häufig; der Paragrammatismus ist allen Typen gemeinsam. Charakteristisch für eine Wernicke-Aphasie ist 1) das Unvermögen, Phoneme zu unterscheiden bzw. zu klassifizieren (so wie japanische Muttersprachler z.B. die Laute "l" und "r" kaum auseinanderhalten können); 2) die Produktion von "Wortsalat", weil die phonetischen Merkmale der Sprache verwechselt werden; 3) das Unvermögen, zu schreiben, weil die Kenntnis der Grapheme verloren ging, die die Phoneme schriftlich repräsentieren. Ursache der Wernicke-Aphasie ist eine Läsion im Versorgungsgebiet der Arteria temporalis posterior. Das führt zu einer Schädigung des hinteren Schläfenlappens der Großhirnrinde (Brodmann-Areal 22), die immer die erste Temporalwindung mit einschließt (Areae 39 und 40). Wernicke-Areal, Sprachzentren.
Wernicke-Aphasie
Beispiel für die "leerlaufende" Sprachproduktion einer Wernicke-Aphasikerin (embolischer Infarkt des linken Schläfenlappens), flüssig und gut moduliert, aber inhaltsarm und paragrammatisch: "Meine Mutter, ja, ich weiß jetzt wann sie geworden, was sie jetzt ist jetzt, ich weiß sie ist weg, aber ich wußte nicht wann und das weiß ich, das weiß ich sofort jetzt, im Moment, im Moment, ich muß denken. Und es alle, wunderbar, heute morgen, es, ich war selbst, also es kam heute morgen so ein bißchen, wurde ich dann ein bißchen komisch, es, nicht, weil, nämlich, es kam nicht um sie herzubringen, ich wollt sie nämlich hier sein um zwei Uhr und..."
Beispiel für die von Neologismen und phonematischen Paraphasien entstellte Rede eines Wernicke-Aphasikers (Schlaganfall, Läsion in der Mitte der perisylvischen Sprachregion): "Wir haben unseren Frilof an, nach Sinaf sind und haben dann einen Feref dort gesibt und hab dann einen nachhause getan und dann anges im Aug das sig und dann gesag gedruf und mit vierzehn war's dann aus und wir haben dann hom fig und hab' dann nichts mehr in meinem Kund erkannt."
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